FC Bayern Basketball:Vorwärts-rückwärts-Verteidigung

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Vor dem zweiten Finalspiel gegen Alba Berlin fordert Trainer Radonjic mehr Konzentration von seinem Team. Die Münchner stehen nach der Auftaktniederlage unter Zugzwang.

Von Matthias Schmid, München

Die Bedienung reichte Vladimir Lucic eine Tasse Espresso. Dazu zwei Gläser Wasser. Lucic, Basketballer beim FC Bayern München, griff zunächst mit der linken Hand nach der Espresso-Tasse und dem einen Wasserglas, dann mit der rechten Hand nach dem zweiten Glas Wasser. Vielleicht war die Reihenfolge willkürlich, vielleicht eine unbewusste Schonhaltung. Der 28-Jährige mag seine lädierte rechte Schulter nicht unnötig beanspruchen, noch nicht einmal bei einem Medientermin bei einem Sponsor.

Halt, stopp, wo rennt Ihr denn alle hin? Trotz großer Gesten und vollem Körpereinsatz konnte Trainer Dejan Radonjic die Niederlage des FC Bayern im ersten Spiel der Best-of-Five-Finalserie gegen Berlin nicht verhindern. (Foto: Alexandra Beier/Bongarts/Getty Images)

Trotz seiner Beschwerden am Gelenk und einer dreieinhalbwöchigen Verletzungspause wirft sich der serbische Nationalspieler im Training wieder furchtlos nach jedem Ball. Auch im ersten Finalspiel um die deutsche Meisterschaft gegen Alba Berlin (95:106) stand Lucic auf dem Parkett. "Es ist okay", antwortet er auf die Frage, wie es seiner Schulter nach dem ersten Stresstest gehe. Er habe noch Schmerzen, gibt der Flügelspieler zu, "aber ich kann wieder mit der Mannschaft trainieren, und es ist kein größeres Problem dabei aufgetreten." Lucic wird also auch an diesem Donnerstag in der zweiten Begegnung der Best-of-Five-Serie in Berlin (19 Uhr) mitwirken können. "Er ist in der Lage, der Mannschaft zu helfen", findet Trainer Dejan Radonjic.

Lucic war vor seiner Verletzung ein Spieler, der mit seinem vielfältigen Repertoire ein Spiel entscheiden konnte. In der ersten Partie nach seiner Absenz merkte man ihm noch die mangelnde Geschmeidigkeit an, fehlte noch seine Abgeklärtheit in prägenden Momenten. Nachdem die Münchner durch die Niederlage in einer mitreißenden Partie den Heimvorteil verloren haben, kommt der Begegnung in der Hauptstadt indes eine noch größere Bedeutung zu als ohnehin schon. Verlören die Bayern erneut, wäre Berlin nur noch einen Schritt vom Titel entfernt. Drei Siege sind für die Meisterschaft nötig, Spiel drei steht am Sonntag (18.30 Uhr) in München an.

Nach einem Tag der Regeneration hatte Radonjic seine Profis am Dienstag mit der Fehleranalyse konfrontiert. Die Spielsequenzen, die er ihnen darlegte, offenbarten eine Menge Unzulänglichkeiten, wie der Montenegriner erklärte: "Wir haben vor allem in der Offensive zu schnell gespielt." Der 48-Jährige fordert von seinen Spielern mehr Konzentration über die gesamten 40 Minuten hinweg: "Wir müssen strukturierter auftreten, smarter." Aus diesem Grund wird er ihnen wohl noch mal den letzten Ballbesitz in der regulären Spielzeit vorspielen, es war eine folgenreiche Szene. Vier Sekunden waren auf der Uhr noch angezeigt, als die Münchner beim Spielstand von 87:87 die Möglichkeit hatten, das Spiel zu ihren Gunsten zu entscheiden. "Wir hätten ein Foul ziehen müssen", erläuterte Radonjic. Zwei Freiwürfe wären die Folge gewesen, was wohl die Führung und den Sieg bedeutet hätte. Stattdessen zog es Lucic vor, aus der Distanz zu werfen, sein Dreier verfehlte allerdings Ring und Brett. Vielleicht hätte er in diesem Moment Reggie Redding den Ball überlassen sollen. Der Amerikaner versteht es, im Dribbling auf eindrucksvolle Weise Gegenspieler abzuschütteln und sich zum Korb zu schlängeln.

Vielleicht aber hätte Radonjic auch nur Braydon Hobbs aufs Feld schicken müssen, diesen kreativ-verrückten Spielmacher aus den USA, der in dieser Saison den Bayern mit seiner draufgängerischen Art schon so manches Comeback und manchen Sieg beschert hat. Der Trainer entschied sich dagegen, "weil er (Hobbs) in solchen Spielen meiner Meinung nach Probleme in der Defensive hat".

Spielmacher Hobbs musste also von der Ersatzbank aus tatenlos zuschauen, wie auch seine Mitspieler in der Verteidigung nicht gerade die beste Figur abgaben. "Wir haben ihre Schützen von der ersten Minute an ins Spiel kommen lassen", gab Danilo Barthel zu. Die Berliner würden ein bisschen "unorthodox" agieren, wie der Nationalspieler feststellte. Anders als die meisten anderen Mannschaften in der Basketball-Bundesliga ziehen sie nach einem Ballgewinn nicht auf dem schnellstmöglichen Weg zum Brett, um diese sogenannten Fastbreaks mit einem Korbleger abzuschließen. Sie bringen den Ball nach vorne, um ihre exzellenten Werfer wie Marius Grigonis, Spencer Butterfield oder Luke Sikma jenseits der 6,75 Meter entfernten Dreierlinie in Position zu bringen. In München verwandelte Alba 16 seiner 25 Distanzwürfe. "Das war eine starke Leistung", lobte Barthel, der hofft, dass sie die Berliner Stärke im zweiten Spiel konsequenter unterbinden können. "Wir müssen in der Rückwärtsbewegung besser ihre Schützen ausfindig machen."

Schon bei der Niederlage im Halbfinale des Eurocups gegen den türkischen Spitzenklub Darussafaka Istanbul war aufgefallen, dass die Münchner in der Verteidigung Schwierigkeiten bekommen, sobald die gegnerische Mannschaft mehrere hochbegabte Spieler in ihren Reihen hat, die verlässlich aus der Distanz treffen.

Dramatisieren mag Barthel diese spezielle Schwäche allerdings nicht: "Jeder von uns weiß, was er machen muss, damit wir besser spielen und in Berlin gewinnen können." Obwohl Vladimir Lucic die Ausführungen seines Mitspielers auf Deutsch nicht verstand, nickte er anerkennend. Er weiß, worauf es jetzt ankommt.

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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