Eishockey:Tilburg und andere Fallen

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Die Tölzer stehen schon vor dem Finale gegen die Trappers aus den Niederlanden als Aufsteiger in die DEL 2 fest. Doch der Weg dorthin ist "irrsinnig dornenreich", sagt Präsident Hörmann. Trainer Kammerer bleibt bereits zurück.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz

Draußen hatte dichtes Schneetreiben eingesetzt, drinnen legten sich dicke Zigarrenschwaden über eine verkorkste Saison. 1998, das Bosman-Urteil hatte gerade unzählige DEL-Profis in die unteren Ligen gespült, qualifiziert sich der EC Bad Tölz erst über die Relegation für die eingleisige zweite Bundesliga. Bei einer Niederlage in der ersten Runde droht dem zweimaligen deutschen Meister der Sturz in die Viertklassigkeit. Die Entscheidung fällt im Allgäu: Im letzten Saisonspiel am 13. April überrollt die Mannschaft um die ehemaligen Nationalspieler Axel Kammerer, Mondi Hilger und Toni Krinner den ERC Sonthofen mit 8:1 Toren.

Fast auf den Tag genau 19 Jahre später haben sich die Tölzer Löwen am Ostermontag gegen den ERC Sonthofen für das Finale der Oberliga-Playoffs qualifiziert. Nach dem 4:1 im entscheidenden Halbfinale stehen sie sportlich als Aufsteiger in die DEL 2 fest. Trainer der Löwen ist Axel Kammerer. Der Kreis schließt sich.

"Auf der Rückfahrt hat es wieder geschneit", berichtete Kammerer am Tag nach einer kurzen Nacht, in der sich das Team "schon ein paar Halbe" gegönnt habe. Für den Trainer begann am Dienstag schon wieder die Arbeit. Denn auch wenn die Tilburg Trappers nicht aufstiegsberechtigt sind: "Wir haben noch ein Finale vor uns." Die erste Begegnung findet am Freitag (19.30 Uhr) in Bad Tölz statt.

"Totalste Einheit": Stefan Reiter und Kapitän Florian Strobl (v.l.) tänzeln in Sonthofen zum Sieg. (Foto: Oliver Rabuser)

Kammerer erlebt diese Tage in einem emotionalen Zwiespalt. Auf der einen Seite ist da Freude über die Leistung seines Teams. "Es waren zwei intensive Jahre", in der er die junge Mannschaft zur "totalsten Einheit" geformt habe, sagt der 52-Jährige. Andererseits steht er in der Stunde des Erfolgs vor dem Abschied: Kammerer wechselt nach dieser Saison zum Oberligisten EV Landshut. "So eine Mannschaft verlässt man ungern, logisch. Aber was willst' machen, wenn der Klub keine Anstalten für ein Vertragsangebot macht?"

Zum Zeitpunkt, als Kammerer sich für die Offerte aus Niederbayern entschied, sei es "wirtschaftlich nicht möglich" gewesen, "einen Vertrag auszufertigen", wie Hubert Hörmann sagt. Hörmann ist Präsident des EC Bad Tölz und sitzt im Wirtschaftsbeirat der Tölzer Eissport-Gesellschaft, die 2003 und 2009 Insolvenz anmelden musste. 2009 trat er nach Unstimmigkeiten über den Kurs der TEG als Vereinspräsident und Beiratsvorsitzender zurück, seit 2015 ist er wieder im Amt. "Die Gefahr einer Insolvenz besteht im Eishockey immer", weiß Hörmann heute. Er sagt aber auch: "Ich will mir keine leisten."

So klar wie die Löwen sich sportlich für den Aufstieg qualifiziert haben, so verschwommen ist noch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Mit rund 700 000 Euro Budget "sind wir wenigstens eine halbe Million vom niedrigsten DEL-2-Etat entfernt", sagt Hörmann. Zudem sei nicht klar, welche Spieler den Gang eine Etage höher überhaupt mitgehen könnten: "Eine Oberliga-Mannschaft besteht nicht aus Profis." Der ehemalige Nationalspieler Klaus Kathan, 40, zweimaliger Torschütze beim 4:1 in Sonthofen, hat bereits angedeutet, dass ihn die zweite Liga durchaus reizen würde. Mit seinem Job wäre sie aber nicht vereinbar. "Uns stehen viele, viele Einzelgespräche bevor", sagt Hörmann. Er stehe zu seinem Wort: "Wenn man die Chance bekommt, muss man sie wahrnehmen" - 2011 unter seinem Vorgänger Sepp Hintermaier hatten die Löwen als Oberliga-Meister den Sprung in die DEL 2 nicht gewagt. "Aber der Weg wird irrsinnig dornenreich und schwer."

Hörmann sieht die Fans und Sponsoren in der Verantwortung, eine wettbewerbsfähige Mannschaft für die DEL 2 formen zu können. Für Freitag erwarte er "nicht einen Zuschauer weniger als gegen Sonthofen", sagt er - das 4:3 am Karsamstag hatten 3500 Besucher verfolgt. Außerdem müsse bereits jetzt "ein Run" auf Dauerkarten für die nächste Saison einsetzen, mindestens 1000 will Hörmann verkaufen: Alles andere wäre "eine richtige Watschn" für die, "die jetzt an den Stellschrauben sitzen", und für die Mannschaft, auf die er "als Präsident total stolz" sei. Wer das Team künftig als Trainer führen soll, ist noch nicht offiziell. Alles deutet indes auf Rick Boehm, 57, Nachwuchs-Koordinator und Trainer der Tölzer DNL-Mannschaft, die in dieser Saison hinter Serienmeister Mannheim Platz zwei belegte. Boehm sei der "Wunschkandidat, absolut", sagt Hörmann: "Er verkörpert unsere Philosophie ideal. Tölz soll als Tölz erkennbar bleiben." Beim 8:1 gegen Sonthofen im April '98 schoss Boehm das 2:0.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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