Eishockey:Qualifikation für den höheren Staatsdienst

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Wiedersehen in Pyeongchang: Yannic Seidenberg (winkend) hat seinen Platz im Olympia-Kader sicher. Der Verteidiger führte das DEB-Team beim Deutschland Cup in Augsburg gegen die USA als Kapitän aufs Eis. Torhüter Danny aus den Birken (li.) muss erst den Konkurrenzkampf im Verein bestehen. Foto: Action Plus/Imago (Foto: imago/Action Plus)

Gut genug für Olympia? Welchen Eindruck die Nationalspieler des EHC beim Deutschland Cup hinterlassen haben - und warum Coach Don Jackson jetzt als Diplomat gefragt ist.

Von Christian Bernhard und Johannes Schnitzler

Am Montag und Dienstag glich das Training beim EHC Red Bull München einem Ratespiel: Wer bin ich? Gleich elf Spieler des deutschen Eishockey-Meisters waren vergangene Woche international im Einsatz - zehn beim Deutschland Cup in Augsburg, einer für Dänemark - und hatten noch Pause, die Lücken füllten Nachwuchsspieler. Seit Mittwoch hat Trainer Don Jackson seinen Kader wieder komplett, auch der zuletzt verletzte Jon Matsumoto trainierte voll mit dem Team und ist für diesen Freitag (19.30 Uhr, Olympia-Eisstadion) gegen Schwenningen einsatzbereit. Welche Nationalspieler sich für die Olympischen Spiele vom 9. bis 25. Februar in Pyeongchang/Südkorea empfehlen konnten und welche eher nicht: Die SZ gibt einen Überblick.

Tor

David Leggio: Um zu beschreiben, was es für einen nordamerikanischen Eishockeyspieler bedeutet, das Nationaltrikot zu tragen, reicht David Leggio ein Wort. Es sei "awesome", sagte der 33-Jährige, fantastisch. Dieser Tage ist es noch fantastischer, denn durch die NHL-Absage haben Leggio und die anderen in Europa tätigen US-Profis die einmalige Chance, ihre Farben bei Olympia zu tragen. Leggio stand beim Deutschland Cup im Auftaktspiel des Teams USA ab dem zweiten Drittel im Tor und kassierte bei der 1:2-Niederlage gegen die Slowakei einen Gegentreffer. Seine Leistung fand er "okay." Obwohl die Rückmeldung vom Trainerteam "nicht groß" gewesen sei, ist Leggios Hoffnung, mit nach Südkorea zu reisen, umso größer, nämlich "sehr groß". Vor Anfang Januar rechnet er nicht mit einer Mitteilung. "Ich kann nur abwarten." Und hoffen: Eine Olympia-Teilnahme wäre die Erfüllung seines Traums - und eine "riesige Ehre".

Danny aus den Birken: US-Coach Tony Granato verhinderte ein direktes Duell zwischen den Münchner Kollegen, indem er gegen Deutschland nicht David Leggio, sondern Ryan Zapolski ins Tor stellte. Danny aus den Birken war es einerlei. Der 32-Jährige zeigte bei seinem einzigen Einsatz, dass auf ihn Verlass ist, wenn er gebraucht wird. Hatte mit 96,4 Prozent nahezu dieselbe Fangquote wie bei seinem ersten Deutschland Cup 2012 (96,7).

Prognose: Beide Torhüter wollen nach Olympia, beide wollen sich in der Liga zeigen. Diplomatische Höchstschwierigkeit für Don Jackson, der den Konkurrenzkampf moderieren muss.

Verteidiger

Daryl Boyle: Bundestrainer Marco Sturm stufte die Leistung des DEB-Teams in Augsburg als "insgesamt solide" ein. Auf keinen trifft das mehr zu als auf den gebürtigen Kanadier Boyle. Seit 2013 deutscher Nationalspieler, bestritt der Abwehrspieler 2016 die WM und die Olympia-Qualifikation. Für die Heim-WM 2017 nominierte Sturm den 30-Jährigen nicht. An alter Wirkungsstätte in Augsburg spielte Boyle neben dem Kölner Pascal Zerressen gegen die Slowakei (o:3) und USA (5:1), kam im Powerplay zum Einsatz und auf einen Plus/Minus-Wert von +1. Grundsolide.

Konrad Abeltshauser: Kassierte als einziger Münchner nur Niederlagen, pausierte gegen die USA. In den Partien gegen Russland und die Slowakei merkte man ihm erneut an, dass er sich im DEB-System nicht so wohlfühlt wie im Münchner. Verlief sich gelegentlich in die gegnerische Endzone. Offensiv nicht mehr so dominant wie in der vergangenen Saison, als er zum DEL-Verteidiger des Jahres gewählt wurde. Defensiv verlässlich.

Yannic Seidenberg: Gegen Team USA Kapitän der deutschen Mannschaft. Große Ehre für den 1,72 Meter kleinen Abwehrspieler, der zugab, "darauf stolz" zu sein. Außerdem verriet der 33-Jährige, das es ihm "zurzeit mehr Spaß" mache, als Verteidiger zu spielen - Jackson schulte den gelernten Stürmer vergangene Saison um. Mit drei Punkten neben Daniel Pietta (Krefeld) und Dominik Kahun bester deutscher Scorer. Souverän im Powerplay.

Markus Lauridsen: Drei Spiele, drei Siege: Lauridsen gewann mit Dänemark das Euro-Challenge-Turnier in Innsbruck. Mit seiner internationalen Erfahrung - der 26-Jährige hat bereits an sieben Weltmeisterschaften teilgenommen - ist der Verteidiger einer, der Verantwortung übernimmt: "Ich kann in jeder Situation spielen." Auf Lauridsen und Mads Christensen (der nach Verletzungspause nicht im Aufgebot stand) wartet 2018 die WM im eigenen Land. "Jeder ist aufgeregt", sagt Lauridsen, "das gibt uns den Extra-Kick."

Prognose: Seidenberg ist als Führungsfigur im DEB-Team ein sicherer Olympia-Fahrer. Lauridsen muss zuschauen: Dänemark ist für Südkorea nicht qualifiziert. Abeltshauser und Boyle haben Chancen.

Stürmer

Brooks Macek: Unauffällig gegen Russland. Profitierte gegen die USA von Überzahl-Automatismen mit seinen Münchner Kollegen. Erzielte im 36. Länderspiel sein zehntes Tor. Wenn er in eine gute Schuss-Position gebracht wird, ist er einer der gefährlichsten Schützen im DEB-Team. Könnte temperamentvoller agieren.

Dominik Kahun: Erst 22, und doch schon einer der wichtigsten Spieler im Kader. Liebt die große Bühne und agiert auf ihr ohne Lampenfieber. Steht für die Zukunft des DEB-Teams ebenso wie für die Gegenwart. Entzauberte mit drei Torvorlagen die USA. Sturm erhob ihn zum Ersatz-Spielmacher für NHL-Star Leon Draisaitl, der in Südkorea fehlen wird. Kahun lächelte. Verlegen machte ihn der Vergleich nicht.

Frank Mauer: Durfte sich nach langer Zeit wieder das Nationaltrikot überziehen und feierte das mit einem Tor und einer Vorlage gegen die USA. Bringt Geschwindigkeit in die Offensive, hält sich ans System und bringt die Scheiben zum Tor. Der 29-Jährige hat in der Liga mit sechs Treffern schon jetzt mehr auf dem Konto als in seinen ersten zwei Münchner Spielzeiten.

Patrick Hager: War in Augsburg einmal Kapitän und einmal Assistent, blieb ohne Punkte. Sagte zum Thema Führungsspieler: "Bei uns geht es oft darum, wer die meisten Punkte macht. Aber es geht auch um Leidenschaft, darum, Scheiben zu blocken, den Job für die Mannschaft zu machen, auf dem Eis voran gehen und in der Kabine Charakter zu zeigen." Brachte mit seinen Nürnberger Nebenleuten Pföderl und Ehliz Leidenschaft ins Spiel, blockte Scheiben, stellte sich in den Dienst der Mannschaft, ging voran. Sturm nennt ihn einen "Leader". Führungscharakter.

Andreas Eder: Einer von zwei Debütanten im DEB-Team. Tat sich schwer, in einer Reihe mit dem anderen, dem Straubinger Stefan Loibl, und dem Düsseldorfer Maximilian Kammerer (zwei Länderspiele) auf sich aufmerksam zu machen. Sturm lobte das Trio: "Den Jungen gehört die Zukunft", sagte der Bundestrainer. Eder bleibt vorerst aber wohl nur das "unglaubliche Gefühl", das DEB-Trikot getragen zu haben.

Prognose: Kahun und Hager sind für Südkorea gesetzt, schon allein, weil es wenige deutsche Mittelstürmer mit ihren Qualitäten gibt. Macek und Mauer können das internationale Tempo mitgehen, beide stehen auf der Longlist. Für Eder, 21, kommt Olympia wohl zu früh, er muss sich erst in der Liga durchsetzen.

© SZ vom 17.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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