Eishockey-Oberliga:Kampf dem Chaos

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Wer im Sammelalbum "Die 100 schönsten Fehlpässe und vergebenen Torchancen" noch Lücken hatte, konnte am Sonntag einige schließen: Beim 2:6 in Bad Tölz offenbart der EHC Klostersee einen Mangel an spielerischer Masse.

Johannes Schnitzler

Sie waren mit kleinem Gepäck angereist, die Fans des EHC Klostersee: Fünf Transparente, mehr hatten sie am Sonntag nicht mit nach Tölz gebracht. Mehr hätten sie auch nicht schleppen können, zu viele waren zu Hause geblieben - das Wetter, der "Tatort", Badetag, irgendwas wird schon gewesen sein. So beschränkten sich die textilen Botschaften auf Bekenntnisse zur Heimat "Grafing" (immer gut zu wissen, woher man kommt) und zu einer mysteriösen "Brigade", einen freundlichen Gruß an die Gastgeber ("Tölzer Buam, Kraut und Ruam") und das wohl programmatisch zu verstehende "RedChaos" - Trainer Doug Irwin hatte ja seiner Mannschaft nach den beiden Niederlagen der Vorwoche akute Verunsicherung attestiert. Das 6:3 am Freitag gegen Selb war eine erste Anzahlung auf die von Irwin geforderte Entschuldigung vor allem für das indiskutable Auftreten in Regensburg (1:8). Als Satisfaktion boten die EHC-Spieler ihren Fans außerdem an, die Kosten für die Busfahrt nach Tölz zu übernehmen. Die Geldstrafe hielt sich in Grenzen.

Enges Duell: Max Kaltenhauser (EHC, links) bedrängt Peter Lindlbauer, der das vorentscheidende 4:1 für Tölz erzielte. (Foto: Manfred Neubauer)

Dass das überschaubare Häuflein rot-weißer Anhänger überhaupt auffiel, lag daran, dass insgesamt nur gut 1000Zuschauer dieses Oberliga-Derby sehen wollten. Der Tölzer Weihnachtsmarkt, der "Komödienstadel" im Dritten, vielleicht aber auch die beiden Niederlagen gegen Passau und Deggendorf, irgendwas wird schon gewesen sein. Auch die Löwen hatten ihrem Trainer zuletzt mäßig Freude bereitet. Das 1:3 zu Hause gegen Passau hatte Florian Funk noch als "Dämpfer zur rechten Zeit" einsortiert. Dem 1:2 in Deggendorf vermochte er dagegen nichts abzugewinnen, zumindest nichts Gutes. Um ein Grafinger Graffito zu bemühen: Kraut und Rüben hüben wie drüben.

Die Verwirrung war in den Anfangsminuten zu sehen. Wer im Sammelalbum "Die 100schönsten Fehlpässe und vergebenen Torchancen" noch Lücken hatte, konnte am Sonntag einige schließen. Das 1:0 für Tölz durch Thomas Merl (6.) fiel eher unerwartet, das 2:0 (14.) durch Yanick Dubé, weil der EHC viel zu weit aufgerückt war. Das Spiel wurde dadurch zunächst nicht besser.

"Im Großen und Ganzen" sei er zufrieden", sagte Doug Irwin nach der Partie. Klostersee hatte 2:6 verloren, "zu hoch", wie Irwin fand, aber die kämpferische Leistung seiner Mannschaft hatte ihn versöhnt. "So hätten wir letzte Woche keine 14 Tore kassiert." Zu Beginn des zweiten Drittels überstanden die Grafinger eine 3:5-Unterzahl schadlos, und hätte Jared Mudryk im Alleingang getroffen oder wenigstens Max Kaltenhauser im Nachschuss (beide Male parierte ECT-Torhüter Andreas Jenike), hätte es ein spannendes letztes Drittel geben können. Den einzigen EHC-Treffer bis dahin (37.) erzielte indessen der ehemalige Tölzer Matthias Bergmann, ein Verteidiger.

"Von unseren Leistungsträgern muss in dieser Phase mehr kommen", sagte Irwin. Und weil das Rollenfach "Leistungsträger" beim EHC mit Jared Mudryk und Braydon Cox dünn besetzt ist, präzisierte Irwin: "Mudryk oder Cox hätten das 2:2 schießen müssen." Stattdessen klärte Tölz im letzten Drittel rasch alle Eventualitäten. Christoph Fischhaber zeichnete nach 40 Sekunden einen geraden Strich zum 3:1 in den Winkel, 40 Sekunden später zog Peter Lindlbauer in Überzahl einen Strich unter die Partie - für Doug Irwin war das 4:1 "der Knackpunkt, da waren wir zu leichtsinnig".

Torhüter Patric Scharnagl gab nicht nur in dieser Szene eine unglückliche Figur ab; vor dem 6:1 vertändelte er die Scheibe hinter dem Tor an Florian Strobl. Irwin macht keinen Hehl daraus, dass er auf die Spielberechtigung von Patrick Ashton wartet. Der 26-Jährige trainiert seit Wochen in Grafing, streitet aber mit dem Zweitligisten Dresden um seine Freigabe. Ein Termin vor dem Arbeitsgericht soll anberaumt sein, doch bis Ashton tatsächlich ins EHC-Tor zurückkehrt, können noch Wochen vergehen. Am Sonntag blieb Irwin eine Auszeit als letztes Mittel, um Schlimmeres zu verhindern: "Es ist nicht egal, ob wir 1:6 oder 1:8 verlieren." Sie verloren 2:6, und das sei "keine Schande".

Dass das Spiel anders hätte enden können, räumte Florian Funk ein. "Es sind manchmal glückliche Entscheidungen. Fällt das 2:2, gehen wir anders in die Kabine." Lange hielt sich der ECT-Coach mit Wenn und Aber freilich nicht auf. Seine Mannschaft habe "seit langem" wieder einmal so gespielt, wie er das sehen wolle: "Schnell, auf den Körper, Scheibe aufs Tor." Die Löwen liegen auf Platz zwei: "Achtzehn Spiele, 40 Punkte - mehr sage ich nicht", sagte Funk. Das Chaos war besiegt.

© SZ vom 30.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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