Eishockey-Oberliga:"Das führt am Ende der Straße zum Tod"

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Sinkende Einnahmen, weniger Zuschauer, vorletzter Platz: Die Lage beim EHC Klostersee ist nicht erst seit dem 2:6 gegen Bad Tölz einigermaßen trostlos. Der Trainer wackelt, der Präsident kämpft um die Zukunft - und hegt große Pläne

Von Johannes Schnitzler, Grafing

An diesem Donnerstag wird Alexander Stolberg 46 Jahre alt, ein Mann in den besten Jahren, wie man so sagt, erfolgreicher Anwalt, Präsident eines Sportvereins mit knapp 800 Mitgliedern. Trotzdem ist der Präsident mit der Gesamtsituation unzufrieden. Nun ereilt viele Menschen irgendwann die sogenannte Midlife Crisis: Was mache ich eigentlich? Ist es wirklich das, was ich immer wollte? Soll das ewig so weitergehen? Fragen, die man sich zur Lebensmitte eben so stellt, meist nichts Besorgnis Erregendes. Der Präsident des EHC Klostersee hat indes allen Grund zur inneren Unruhe, zumindest was seine sportliche Lebensmitte betrifft. Sein Klub steht in der Eishockey-Oberliga Süd auf dem vorletzten Platz, dahinter nur noch der EHV Schönheide 09, ein überforderter Übersiedler aus der Oberliga Ost. Die Zuschauerzahlen sind zuletzt unter 400 gesunken. Vor fünf Jahren stand der EHC noch im Finale der dritten Liga gegen den SC Riessersee, nach einer mitreißenden Playoff-Halbfinalserie gegen die Tölzer Löwen. An diesem Sonntag zum Derby gegen Bad Tölz - früher ein Publikumsmagnet - kamen gerade einmal 458 Menschen. Der EHC verlor nach einer indiskutablen Leistung 2:6. "Natürlich bereitet uns das Sorge", sagt Stolberg.

Klostersee kann in dieser Saison nicht absteigen, in der Zwölfer-Liga spielen nur elf Klubs. Die ersten Sechs qualifizieren sich direkt für die Playoffs, die Teams auf den Rängen sieben bis zehn ermitteln zwei weitere Teilnehmer. Klostersee wird aller Voraussicht nach in den Pre-Playoffs dabei sein. Glück gehabt, könnte man sagen und die Saison abhaken. Aber so einfach ist das nicht. "Wir müssen gegensteuern", sagt Stolberg. 2017 feiert der EHC seinen 50. Geburtstag. Es könnte ein verhangenes Jubiläum werden.

"Da haben wir ziemlich ratlos ausgeschaut": Die Spieler des EHC Klostersee verfolgen das 2:6 gegen Bad Tölz. In der Mitte: Dominik Unverzagt. (Foto: Christian Endt)

Wegen der mangelnden sportlichen Brisanz beschloss der Vorstand, in diesem Jahr noch weniger Risiko einzugehen als sonst. Dabei unterliefen ihm jedoch handwerkliche Schnitzer, wie Stolberg einräumt, vor allem bei der Besetzung der in der Oberliga eminent wichtigen Ausländer-Kontingentstellen. Im vergangenen Jahr lizenzierte der EHC bereits sechs Ausländer (nur zwei dürfen pro Partie zum Einsatz kommen), in diesem Jahr folgte die Posse um den Finnen Miikka Tuomainen. Der Amerikaner Cole Gunner konnte die Erwartungen nicht erfüllen, sein Landsmann Charlie Taft traf am Wochenende immerhin vier Mal. Beide Spiele gingen verloren. "Wir basteln am Kader für die nächste Saison", sagt Stolberg. "Ich glaube, dass wir wieder eine interessantere Mannschaft aufstellen können." Noch sind allerdings neun Punktspiele zu absolvieren. Plus x.

Während diese Saison wie ein durchgekautes Kaugummi zu enden droht, zäh und fad, denkt Stolberg bereits weiter. Er sagt: "Der Nachwuchs ist unsere Basis."

Vor zwei Jahren drangen die Junioren ins Bundesliga-Finale vor. Seitdem hat sich die Lage dramatisch verändert. "Neue Talente kommen nicht mehr zu uns, andere verlassen uns", sagt Stolberg. Und wenn doch mal ein Talent kommt wie der Verteidiger Marcel Pfänder, 19, auf den Stolberg große Stücke hielt, dann geht auch das zuverlässig schief. Pfänder ist suspendiert, "aus disziplinarischen Gründen".

Tristesse im Kabinentrakt: Ein Bild mit Symbolcharakter - der EHC sucht einen Ausweg aus seiner Krise. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Stolbergs Bilanz würde eine Midlife Crisis durchaus rechtfertigen. Die Sponsoreneinnahmen sind rückläufig, der Zuschauerschnitt ist der schlechteste seit 16 Jahren. Stolbergs nüchterne Prognose: "Das führt am Ende der Straße zum Tod des EHC." Der Präsident weiß, dass sein Klub derzeit wenig attraktiv daherkommt. "Wir haben kein Alleinstellungsmerkmal, kein Profil, keine Identität. Wir müssen eine Nische belegen, eine Plattform sein für Top-Talente, die bei uns optimale Trainingsmöglichkeiten finden", bessere jedenfalls als sonstwo in der Oberliga Süd. Das fängt beim Naheliegenden an - "ich hätte gerne mal wieder einen hauptamtlichen Nachwuchstrainer", sagt Stolberg - und endet bei eher fernen Zielen: duale Ausbildung, Kooperationen mit Firmen und mit DEL2-Klubs. Der einst in einem Biotop für blühende Profilneurosen ob seiner soliden Graumäusigkeit geschätzte Klub entwirft sogar ungeahnte Pläne. "Mein Traum", sagt Stolberg, "ist ein modernes, energieeffizientes, zuschauerfreundliches Stadion." Die in die Jahre gekommene Scheune koste den Klub "unverhältnismäßig viel Geld". Mehr sagt er dazu dann aber lieber nicht. Er weiß: Es ist ein Traum. Ein viele Millionen teurer Traum.

Er weiß aber auch: Die Realität ist alles andere als traumhaft. Gegen Tölz lag das Team von Andzejs Mitkevics nach nicht einmal 30 Minuten 0:5 zurück. Beim 0:1 hatte Johannes Sedlmayr seine technische Finesse demonstriert, und Klaus Kathan, mittlerweile 39, warum er mal ein echter DEL-Torjäger war. Das 0:2 schoss Tobias Eder, 17, das Tölzer Edeltalent, das 0:3 war ein souverän verwandelter Penalty von Franz Mangold. Sedlmayr schloss im zweiten Drittel ein Solo sehenswert mit der Rückhand ab, ehe Eder mit einem ansatzlosen Handgelenksschuss den Glanzpunkt setzte (37.). "Wir haben herrliche Tore geschossen", sagte Löwen-Trainer Axel Kammerer. Mitkevics dagegen war konsterniert. "Das war ganz komisches Eishockey. Woran es lag? Ich weiß es nicht." Die unglückliche 4:6-Niederlage vom Freitag in Deggendorf habe die Moral seiner Spieler "sehr, sehr angeschlagen". Dann die schnellen Gegentore gegen Tölz: "Da haben wir ziemlich ratlos ausgeschaut auf dem Eis."

Der Trainer erweckte freilich selbst den Eindruck, einigermaßen ratlos zu sein. Während sein Gegenüber Kammerer Zuschauer und Spielgeschehen locker überbrüllte, stand Mitkevics geräusch- und reglos auf der Bank. Für den Coach dürfte es eng werden. Die Mechanismen der Branche greifen auch beim EHC Klostersee. Immerhin: Vor seiner Beförderung zum Chefcoach war Mitkevics ein erfolgreicher Nachwuchstrainer beim EHC. Und solche braucht der Verein ja dringend für seine Zukunft. Wenn er über seinen 50. Geburtstag hinaus denn eine haben will.

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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