Eishockey:"Ich nehme es, wie's kommt"

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Niklas Heinzinger hat bei der U-20-WM überzeugt. Nun will der Verteidiger bei den Tölzer Löwen bestätigen, dass er höheren Ansprüchen genügt.

Interview von Johannes Schnitzler

Gestern Kanada, morgen Kassel: Niklas Heinzinger, rechts neben Torhüter Hendrik Hane, im Spiel gegen Russland (li. Nikita Alexandrow), der einzigen Partie, in der die deutschen Talente chancenlos waren. Aber: „Die WM ist abgeschlossen.“ Heinzingers Konzentration gilt nun den Playoffs mit den Tölzer Löwen. (Foto: Jaroslav Ozana/imago)

Wenn ein Eishockeyspieler einem anderen mit dem Handschuh durchs Gesicht fährt, gilt das (nicht nur des Geruchs wegen) als unfein und wird üblicherweise damit beantwortet, dass der zweite Spieler dem ersten ebenfalls durchs Gesicht fährt - allerdings mit der geschlossenen Faust. Wenn es aber der eigene Kapitän ist, der einem durchs Gesicht wischt, und dieser Kapitän Moritz Seider heißt, duftet die penetrante Mischung aus Milchsäure und altem Putzlappen plötzlich nach Rosen und Lorbeer. Verteidiger Niklas Heinzinger, 19, durfte diesen Duft der großen Sportwelt schnuppern, als ihm sein Kapitän Moritz Seider am Sonntag nach einem Treffer durchs Gesicht wuschelte: Heinzinger, Zweitligaspieler bei den Tölzer Löwen, hatte bei der U-20-WM im entscheidenden Relegationsspiel gegen Kasachstan das 5:0 erzielt, Endstand 6:0. Klassenerhalt geschafft.

SZ: Herr Heinzinger, wie ausgelassen war die Rückreise?

Niklas Heinzinger: Ach, wir sind gleich nach dem Spiel abgehauen. Die Stimmung im Bus war gut, aber wir haben nicht groß gefeiert. Ich packe gerade die Wäsche aus.

Sie waren inklusive Vorbereitung vier Wochen mit der Mannschaft unterwegs, da kann die Decke schon mal ziemlich niedrig werden. War's auszuhalten?

Alles okay. Wir haben uns alle gut verstanden und sind befreundet. Die meisten kennen sich ja schon vom letzten Jahr.

Im vergangenen Jahr hat die Mannschaft die Rückkehr auf die Weltbühne geschafft. Diesmal ging es in einer Gruppe mit den USA, Tschechien, Kanada und Russland um den Klassenerhalt, der letztlich in drei Spielen gegen Kasachstan geglückt ist. Welche Eindrücke haben Sie mitgenommen?

Positive Eindrücke. Ich habe viel Vertrauen von den Trainern bekommen und das glaube ich zurückgezahlt.

Obwohl Sie einer von nur drei Feldspielern waren, die nicht in der DEL, in Nordamerika oder Skandinavien spielen, waren Sie im Schnitt 13:45 Minuten pro Partie auf dem Eis. Meistens an der Seite von Moritz Seider, der immerhin schon eine A-WM gespielt und einen NHL-Vertrag mit Detroit in der Tasche hat.

Mit Moritz kann man gut zusammenspielen, das hat viel Spaß gemacht. Die Ruhe, die er ausstrahlt, ist unglaublich.

Eines haben Sie ihm sogar voraus: Sie haben ein Tor geschossen - nicht unbedingt Ihre Spezialität.

Das Tor war natürlich ein Highlight (lacht).

Sie sind also zufrieden mit Ihrer Leistung?

Von Düsseldorf umworben: U-20-Nationalspieler Niklas Heinzinger. (Foto: Eibner/Imago)

Komplett zufrieden.

Ihre Gruppe galt als "Mördergruppe". Trotzdem hatten Sie nach dem 4:3 im Schlüsselspiel gegen Tschechien sogar die Chance aufs Viertelfinale. Wie groß war die Enttäuschung, dass Sie doch in die Relegationsrunde mussten?

Wir hatten natürlich Hoffnung auf das Viertelfinale. Wir haben uns das Spiel zwischen den USA und Tschechien (4:3 n.V.) sogar in der Halle angeschaut. Es war ein komisches Gefühl, als wir wussten, dass wir im letzten Spiel gegen die Russen noch punkten müssten...

Das Spiel ging 1:6 verloren. Gegen die USA (3:6) und Kanada (1:4) war es knapper.

Wir sind mit der richtigen Einstellung in diese brutal schwierige Gruppe gegangen. Gegen Tschechien haben wir verdient gewonnen und sonst gut mitgehalten.

Nach dem glatten 4:0 im ersten Entscheidungsspiel gegen Kasachstan haben viele gedacht, das war's - das zweite Spiel endete dann 1:4.

Zu früh gefreut? Mhja, doch, schon. Da brauchen wir nicht drumrumzureden. Nach dem ersten Spiel haben wir wohl gedacht: Wird schon. Aber Kasachstan hat sich gewehrt. Und wenn du aufhörst zu spielen, dann bekommst du Probleme, egal ob gegen Kasachstan oder sonst wen. Zum Glück waren wir am nächsten Tag wieder fokussiert.

Was war schöner: der Aufstieg im vergangenen Jahr oder jetzt der Klassenerhalt?

Letztes Jahr, die letzten Sekunden, als wir sicher wussten, dass wir aufsteigen, das war schon schön. Aber die Atmosphäre dieses Jahr, in einem Land, in dem Eishockey einen höheren Stellenwert hat, in einem ausverkauften Stadion gegen den Gastgeber zu gewinnen, das war schon geil.

Bei einer U-20-WM sitzen viele Talentspäher auf den Tribünen. Einige ihrer Mitspieler wie Moritz Seider oder die Münchner Justin Schütz und JJ Peterka sind in der DEL etabliert oder stehen sogar schon bei NHL-Klubs unter Vertrag. Will man da als Zweitligaspieler besonders auffallen?

Man hat das im Hinterkopf, dass viele Scouts da sind. Aber als Ablenkung habe ich es nicht empfunden.

Jetzt geht es für Sie wieder gegen Freiburg und Kassel. Ein Kulturschock?

Nein, das glaube ich nicht. Die WM ist abgeschlossen.

Sie haben wegen einer Verletzung aus der Vorbereitung lange pausierenmüssen. Beginnt die Saison für Sie jetzt erst?

Ich war sehr froh, dass ich es noch in den WM-Kader geschafft habe. Jetzt will ich alles dafür geben, dass wir es mit Tölz in die Playoffs schaffen.

Sie werden am Donnerstag 20. Da darf man als erfolgreicher Junioren-Nationalspieler ja mal nach vorne denken...

Mein Ziel ist ganz klar die DEL. Aber ich will mich jetzt erst mal in Tölz entwickeln. Über mehr habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Mein Vertrag läuft bis 2021. Ich nehme es, wie's kommt.

© SZ vom 08.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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