Eishockey:Grüße vom großen Bruder

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Startschuss für die Meisterfeier: DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke (rechts) hat dem EHC München den Silberpokal überreicht. (Foto: Regios24/Imago)

Ein Wolf, ein Monster und eine unverzichtbare Ratte: die Meistermannschaft des EHC München in der Einzelkritik

Von Christian Bernhard und Johannes Schnitzler

Eintrag ins Goldene Buch, Feier im Olympiapark mit den Fans, danach weiter in den nächsten Club: Allein der Montag war für die Meisterspieler des EHC München anstrengender als die ganze Saison. Aber das haben sie sich mit dem Sieg gegen Wolfsburg selbst eingebrockt. Eine Anerkennung.

Trainer/Manager

Don Jackson: "Jeder hat seinen Anteil am Titelgewinn", sagte der 59-Jährige - der Cheftrainer aber den größten. Bewies nach fünf DEL-Meisterschaften mit Berlin, dass er bereit ist für Innovationen. Holte mit dem EHC Titel Nummer sechs. Rekord.

Christian Winkler: Der Manager, der den EHC in 13 Jahren aus der Oberliga in die DEL und an der Insolvenz vorbei zum Meistertitel lenkte, steht öffentlich nicht mehr in der ersten Reihe. Macht nun in der zweiten Reihe erstklassige Arbeit. Sah nie glücklicher aus als in den vergangenen Tagen.

Tor

David Leggio: Locker, lässig, Leggio. Der Titel ist eng mit dem exzentrischen US-Goalie verbunden. Stieß erst im Oktober zum EHC. War zu dem Zeitpunkt arbeitslos. Machte sich sofort ans Werk, startete mit einem Shut-out. Rockte die Meisterfeiern wie die Ramones. "Hey! Ho! Leggio!"

Danny aus den Birken: Der Nationaltorhüter kam mit Anspruch auf die Nummer eins aus Köln. War nach dem Wechsel von Niklas Treutle in die NHL die Nummer eins, bis er sich verletzte - und Leggio kam. War in den Playoffs nur Zuschauer. Verhielt sich loyal, etwa als er im letzten Finale Leggio seine Maske lieh.

Verteidiger

Jeremy Dehner: Verteidiger. Eigentlich. Erzielte im ersten Finale ein Tor. Und im zweiten. Und im dritten. Im vierten Leistungseinbruch: nur eine Vorlage. Der kleine Amerikaner war über die gesamte Saison der spielstärkste EHC-Abwehrspieler.

Daryl Boyle: Trotz vieler Vorstöße in dieser Saison offensiv nicht mehr so effektiv (drei Treffer; 2014/15: elf). Verbuchte aber die viertmeisten Torvorlagen aller Münchner in der Hauptrunde (20). Präzise im Aufbau, Lenker im Überzahlspiel.

Toni Söderholm: Sagte zu Saisonbeginn, er spreche nach so kurzer Zeit schon besser deutsch als Dominik Kahun. Der Finne, wegen seiner Führungsqualitäten geholt, brachte diese von Anfang an ein - Söderholm, 38, adoptierte Kahun, 20, als zusätzlichen Sohn. Zeigte ihm, wie man krachende Schüsse und krachende Checks setzt. In den Playoffs der erhoffte Routinier.

Matt Smaby: Spielte früher oft wie ein 36-Tonner: behäbig, riesiger Wendekreis, pannenanfällig. Präsentierte sich in der heißen Phase dieser Saison als kompakter 7,5-Tonner, der Gegner auch dann noch checkte, wenn das Spiel schon abgepfiffen war. 1,97-Meter-Körper und Geist waren endlich auf einer Höhe. Überraschte zudem mit zwei Toren. "Ohne solche Spieler gewinnst du nichts", sagt Uli Maurer.

Frederic St-Denis: Schießt nicht so hart wie Richie Regehr, checkt nicht so hart wie Smaby, hat nicht das Auge von Dehner und nicht das Tempo von Florian Kettemer. Das Phantom der EHC-Oper: verschwindend unauffällig. Gutes Zeichen. Praktisch fehlerfrei. Fiel im vierten Finale aus der Rolle. Seine Vorlage zu Maximilians Kastners 3:3 war: auffallend spektakulär.

Richie Regehr: "Das Gewehr" galt zu Saisonbeginn als "einer der offensivstärksten Verteidiger der Liga". Hatte Ladehemmung. Saß in den Playoffs auf der Tribüne. Selbst als Konrad Abeltshauser ausfiel, hatte Don Jackson keinen Platz mehr für seinen ehemaligen Lieblingsschüler. Gewann trotzdem DEL-Titel Nummer vier.

Florian Kettemer: In den ersten Monaten der Saison oft Ersatz. Kletterte gegen Ende der Hauptrunde in der Hierarchie. Zog nicht nur mit Tempo ins gegnerische Drittel, sondern erwies sich nach Heimsiegen als zuverlässiger Chauffeur für die Kinder der Kollegen zur Feier in die Fankurve.

Konrad Abeltshauser: Der Tölzer kehrte im Januar nach sechs Jahren aus Nordamerika zurück. Verkörpert das bayerische Element in der EHC-Kabine. Kommt gerne in Tracht zum Training. Verletzte sich kurz vor dem Finale. Feuerte seine Kollegen auf Krücken an. Versprechen für die Zukunft.

Stürmer

Keith Aucoin: Schütze des entscheidenden 4:3 in Wolfsburg. Der AHL- (knapp 900 Spiele) und NHL-Veteran (165) weiß mit 37, wann es darauf ankommt. Schaltete im Dezember einen Gang hoch. Bildete in den Playoffs mit Steve Pinizzotto, mit dem er zwei AHL-Titel gewonnen hat, und Jérôme Samson ein perfektes Trio.

Mads Christensen: Zeigte, warum er einer der Lieblingsschüler von Don Jackson ist: Warf sich giftig in jeden Zweikampf. Bildete darüber hinaus mit Kahun und Frank Mauer die spielstärkste Reihe. Könnte nach seiner Karriere Kurse in Selbstoptimierung geben: Der Titel mit dem EHC war für den 29-Jährigen schon der achte (drei in Deutschland, fünf in Dänemark).

Michael Wolf: Der DEL-Rekordtorjäger (278 Treffer) tut alles lieber, als über sich selbst zu sprechen. Spielte dann aber so gut, dass er ständig über sich selbst sprechen sollte. Für Don Jackson der "perfekte Kapitän". Erzielte in den Playoffs acht Tore, wurde zum wertvollsten Spieler gekürt und erfüllte sich mit 35 seinen Meister-Traum. Sympathieträger. Kein Münchner bekam mehr Glückwünsche. Kölns Kapitän Moritz Müller etwa findet den ehemaligen Nationalteamkollegen "brutal stark".

Steve Pinizzotto: Als Ingolstadts Trainer Kurt Kleinendorst neulich gefragt wurde, welche Zugänge er sich für die nächste Saison wünsche, antwortete er: "Einer dieser Akteure sollte vor allem eines sein: eine echte Ratte! Ohne so einen Spielertyp, der den Gegnern unter die Haut geht, seine Checks zu Ende fährt und auch willig ist, sich einem Fight zu stellen, wirst du nichts gewinnen." Kleinendorst hätte auch sagen können: Ich will Steve Pinizzotto! Der Deutsch-Kanadier, der jeden Menschen "buddy" (Kumpel) nennt, ist mit 219 Strafminuten der Rüpel der Liga. Mit 16 Punkten war er aber auch Münchens Topscorer in den Playoffs. Sein 5:3 im vierten Finale setzte das passende Zeichen hinter diese Saison: Hammer! Und die Feier geht weiter: An diesem Dienstag wird Pinizzotto 32.

Jason Jaffray: Der EHC wollte mehr Führungspersönlichkeiten - und landete schnell bei Jaffray. Der 34-Jährige startete mit einem DEL-Rekord: jeweils ein Tor in seinen ersten acht Spielen. Spielte in Unterzahl eine zentrale Rolle und war einer der Wortführer in der Kabine. Bildete zusammen mit Wolf und Yannic Seidenberg eine offensiv sehr gute und defensiv herausragende Reihe. Verdiente sich früh die vorzeitige Vertragsverlängerung.

Jérôme Samson: Sagte zu seiner Schweizer Zeit, er sei in den Ecken "wirklich stark" und habe einen guten Schuss. Verbarg diese Qualitäten lange, tauchte in der vierten Reihe ab. War in den Playoffs in den Ecken wirklich stark, präsentierte seinen guten Schuss (fünf Treffer). Jackson erklärte ihn zum "Monster" vor dem Tor.

Tobias Wörle: Kam im November aus Straubing. Wollte zeigen, "dass ich noch Eishockey spielen kann". Nutzte die "wahnsinnige Chance". In Erinnerung wird sein Unterzahl-Tor gegen Krefeld bleiben, als er hinter dem eigenen Tor ein Solo startete und alle Pinguine wie Tölpel aussehen ließ.

Dominik Kahun: Der 20-Jährige machte den Riesen-Schritt vom Riesen-Talent zum Leistungsträger. Flog bis zum Jahreswechsel über das Eis. Ging auch verbal in die Offensive, als er seine Rolle nicht ausreichend gewürdigt fand. Wurde im Januar von einer Virusinfektion gestoppt, war pünktlich zu den Playoffs aber wieder in Spiellaune. Neben Leggio, Pinizzotto und Uli Maurer in der Endrunde um den Publikumspreis ("Kahun, Kahun, Kahun").

Frank Mauer: Sagte, als er im Sommer aus Mannheim kam, er hätte nichts dagegen, gleich noch einmal den Titel zu holen. Holte gleich noch einmal den Titel. Der Nationalspieler kann noch beeindruckender beschleunigen als Seidenbergs Porsche. Schnell, technisch stark, torgefährlich. Und ein fairer Sportler: Entschuldigte sich nach dem Finaleinzug bei den Journalisten dafür, dass nur er ein Bier zur Hand hatte.

Yannic Seidenberg: Der Nationalspieler kam erst im Dezember zum ersten Liga-Einsatz. Erzielte in 27 Spielen acht Tore und brachte Jackson zum Schwärmen ("der beste Yannic, den ich gesehen habe"). Der 32-Jährige schnappte sich im dritten Anlauf seinen ersten Meistertitel und erhielt dafür Anerkennung aus der besten Liga der Welt: Bruder Dennis, 34, NHL-Profi und 2011 Stanley-Cup-Sieger mit Boston, gratulierte als einer der Ersten.

Daniel Sparre: War in den vergangenen Jahren einer der konstantesten EHC-Torjäger und in Reihe eins gesetzt. Fand sich diese Saison in Reihe vier wieder. Nahm die Rolle in den Playoffs an und gab einen vorbildlichen Giftzwerg. War sich nicht zu schade, vor dem gegnerischen Tor Schubser und Schläge einzustecken.

Uli Maurer: Der dienstälteste EHC-Profi, seit dem Aufstieg 2010 in München, hatte eine schwierige Saison mit wenig Eiszeit. In den Playoffs saß er meist auf der Tribüne. Nahm die Situation klaglos an ("Schnauze halten und durch"). Leistete seinen Beitrag mit dem 1:0 in Spiel drei gegen Wolfsburg, seinem einzigen Einsatz im Finale. Wurde von den Teamkollegen mit "Ulliii"-Chören gefeiert, als er den Meisterpokal durch die Kabine trug.

Maximilian Kastner: Startete beeindruckend in seine erste DEL-Saison. Eine schwere Schulterverletzung stoppte ihn, später erwischte es ihn auch noch am Knöchel. Kämpfte sich zurück in den Münchner Luxuskader. Erzielte im letzten Finale sein erstes Playoff-Tor und ist jetzt, nach nur 43 DEL-Spielen, bereits Meister.

Joachim Ramoser, Andreas Eder, John Rogl, Lukas Lang, Kai Herpich: Ramoser spielte in der Hauptrunde 48 Mal - danach nicht mehr. Nur Rogl schnupperte als Ersatz für Abeltshauser Playoff-Luft. Jackson setzte auf Erfahrung, bedankte sich nach erfüllter Mission aber auch bei den Reservisten. Herpich wird wie Maurer nach Schwenningen wechseln.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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