Eishockey:Einmalige Figur

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Torschützenkönig, Trainer, Taubenzüchter: Lenz Funk war Bulle von Tölz und Berliner Bär in einem. Vor zwei Jahren erhält der Olympiaheld von 1976 die Diagnose Krebs. Jetzt wird er 70.

Von Johannes Schnitzler, Greiling

Seit zwei Jahren kämpft Lorenz Funk, den alle Lenz nennen, gegen den Prostatakrebs. Anfang 2016, sagt er, ging es ihm "ganz schlecht". Von 120 Kilo war der Hüne mit der Bärenstatur auf 82 Kilo abgemagert. Jetzt ist das Haar wieder voll, er hat zugenommen, das Gehen und das Sprechen fallen ihm noch schwer. Nach einer Infektion mussten ihm mehrere Zähne gezogen werden. "Ich hab' immer gedacht, dass ich ein starker Kerl bin." Aber: "Ich schau' immer nach vorne." An diesem Freitag feiert der ehemalige Eishockeyprofi, Bundesliga-Torschützenkönig und Olympia-Dritte, ein Original aus Bad Tölz, eine Kultfigur in Berlin, seinen 70. Geburtstag, mit Weißwurst und Bier, aber nur für die Gäste - Funk, der früher Leberkäs wie Brot aß, lebt seit der Diagnose abstinent. Was er sich wünscht? "Das Höchste wäre, wenn ich noch einmal auf den Rechelkopf steigen könnte", 1330 Meter, "zu Fuß, nicht im Rollstuhl". Kann man 70 derart lebenspralle Jahre in einen Artikel pressen? Nein. Eine Annäherung in neun Buchstaben.

Eisbären Berlin: "Vom Scheißhaus ins Penthouse", das ist, kurz und derb gesagt, Funks Bilanz seiner Zeit als Manager des späteren DEL-Rekordmeisters. 1972 wechselt der Nationalspieler vom EC Bad Tölz, mit dem er 1966 als 19-Jähriger zum ersten Mal den Titel geholt hat, zum Berliner Schlittschuh-Club. "Eigentlich wollte ich nur drei Jahre in Berlin bleiben" - am Ende sind es fast 35. Mit dem BSC wird Funk 1974 und '76 Meister. Nach der Wende übernimmt er "über Nacht", wie er sagt, die Eisbären, Nachfolger des BFC Dynamo, des Nachbarn aus dem Osten. "Ich war zufällig in Berlin, mehr als einen Waschbeutel hatte ich nicht dabei." Was er vorfindet: "Kein Geld, keine Fans, kein Trainer. Also bin ich betteln gegangen." Die Frage, die er am häufigsten hört: "Was willst du mit dem Stasiverein?" Als er den Klub neun Jahre später verlässt, stehen die Eisbären im Europaliga-Finale in Moskau und nehmen zwei Millionen Mark über Merchandising ein. Funk geht noch einmal zu den Preußen, zurück in den Westen. Doch die alte Liebe enttäuscht ihn. Nach der Pleite 2004 ist er für manche der Sündenbock. "Mein größter Fehler", sagt er heute.

Innsbruck: 1976 holt Funk unter Xaver Unsinn Bronze bei den Olympischen Winterspielen. Die Entscheidung fällt am Rechenschieber: Mit einem um 0,041 Punkte besseren Torquotienten landet das DEB-Team vor Finnland. Es ist die erste und bislang letzte deutsche Olympia-Medaille nach Bronze 1932 in Lake Placid. Der Erfolg geht als Wunder von Innsbruck in die Sport-Geschichte ein. Wenn er heute daran denke: "Unglaublich", sagt Funk.

Schlosser, diesen Beruf hat er gelernt. Bevor er nach Berlin geht, arbeitet er in der Wach- und Schließgesellschaft seines Vaters. Wo er sich das Rüstzeug zum Manager geholt hat? "Learning by doing."

Heimat: Reichersbeuern. Beim SC begann er mit dem Eishockey, wie so viele andere Nationalspieler vor und nach ihm. Bad Tölz, sein erster Bundesliga-Verein. Greiling, sein Wohnort.

Ornithologe: Tauben sind Funks Hobby. Seit 1959 züchtet er die Tiere, etwa 100 hält er derzeit in seinem Greilinger Garten, dazu ein paar Hühner und Hasen. "Schon mein Vater war ein Tauberer", sagt Funk. "Auch eine Krankheit."

Comebacks: Mehrere. 1986 beendet Funk seine Spielerkarriere, mit 39 Jahren, und wird Trainer. Ende der Achtziger geht er mit seinen Söhnen Lorenz und Florian noch einmal für den EC Bad Tölz in der zweiten Bundesliga aufs Eis. 2003, mit 56, lässt er sich noch einmal überreden, zu einem allerletzten Spiel für die Berlin Capitals, Regionalliga. "Eine Schnapsidee, um dem Verein zu helfen", sagt Funk. "Ich bin immer schon nach 20 Sekunden raus, und gebremst habe ich auch nicht, das kostet zu viel Kraft. Ich bin doch nicht blöd."

Kinder: Lorenz, den wie seinen Vater alle Lenz nennen, und Florian, Spitzname Flocko, treten in die großen Fußstapfen ihres Vaters. Lenz wird Nationalspieler, später Manager, Flocko spielt unter anderem für die Eisbären und wird später Trainer in Bad Tölz. Heute fahren sie ihren Vater zum Arzt oder kümmern sich um die Tauben. "Meine Zeit in Berlin war für die Familie nicht einfach", sagt Lenz Funk. "Die Kinder sind ja nur am Wochenende oder in den Ferien gekommen." Damals wie heute die wichtigste Rolle spielt seine Frau Marlene, mit der er seit 1969, dem Geburtsjahr beider Söhne, verheiratet ist. Die Unterstützung durch seine Familie sei "einmalig", findet Funk.

Erster: Nicht nur im Eishockey ist Funk ein Meister, auch Skifahren, Turnen und Leichtathletik zählen in seiner Jugend zu seinen Hobbys: "Wir waren absolute Allrounder." Besonders angetan hat es ihm der Fußball. Funk debütiert mit 16 Jahren in der ersten Mannschaft des SV Waakirchen-Marienstein, später spielt er für den SV Bad Tölz in der heutigen Kreisliga und mit dem TuS Geretsried in der Bezirksliga. Dass er mit der Kugel etwas anzufangen weiß, demonstriert er 1975 in Berlin, als er bei der Funkausstellung (!) auf die ZDF-Torwand schießt. Funk trifft bei sechs Versuchen sechs Mal, den letzten drischt er wie einen Schlagschuss durch das obere Loch: "Den hab' ich vorher schon reingeschaut", sagt er und grinst. Niemand hat je sechs Treffer gelandet, nicht einmal Beckenbauer. Als er sein Kunststück wenig später im Aktuellen Sportstudio unter offiziellen Bedingungen wiederholen soll, trifft er nicht ein einziges Mal. "Auf der IFA habe ich in Turnschuhen geschossen, im Studio in Straßenschuhen", sagt Funk. "Das macht schon was aus." Zum 50. Geburtstag des Senders 2013 lädt ihn das ZDF trotzdem zur Jubiläumsshow ein - neben den Fußballweltmeistern Franz Beckenbauer, Rudi Völler und Mario Götze. Funks Fußballerherz gehört dem TSV 1860. "I bin a Sechzger. Aber ich könnte weinen, wenn ich sehe, wie die sich verkaufen."

Yasin Ehliz: Ist neben Leo Pföderl und Konrad Abeltshauser Teil jener Tölzer Schülermannschaft, die Flocko Funk 2005 zur deutschen Meisterschaft führt. Vater Lenz übt mit den Talenten immer mittags zusätzlich: Technik, Torschuss, Taktik. Heute sind Ehliz, Pföderl (beide Nürnberg) und Abeltshauser (München) Nationalspieler. Ob er ihre Karrieren verfolgt? "Natürlich", sagt Funk, "alle."

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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