Eishockey:Einfach so

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Die Tölzer Löwen schlagen Tabellenführer Kassel 3:1 und dürfen von der direkten Playoff-Teilnahme träumen. Torhüter Maximilian Franzreb erweist sich als "die erhoffte Verstärkung".

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz/München

Was jetzt der Dortmunder Tatort-Kommissar Peter Faber wohl zu diesem Spiel zu sagen hat? Spannende Frage. Vielleicht: "Mir geht's doch nicht beschissen - mir geht es scheiße" (Folge 985: "Kollaps")? Man muss schon zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass dort nicht Jörg Hartmann in der Pressekonferenz sitzt, der Schauspieler, der den emotional auffälligen ARD-Ermittler gibt. Sehen sich aber auch ähnlich. Und dann noch diese Namen: Faber. Kehler. Vielleicht Zwillinge, bei der Geburt getrennt? Dann aber tut Kehler etwas, das Faber nie tun würde: Er entschuldigt sich.

Tim Kehler, dessen Name eher auf eine Profession als Fußballtrainer aus dem Breisgau schließen lässt, ist tatsächlich in Kanada geboren. Seit 2015 arbeitet er in Deutschland, seit Dezember 2018 trainiert er die Kassel Huskies. Die Hessen waren am Sonntag als Tabellenführer der zweiten deutschen Eishockeyliga (DEL 2) nach Bad Tölz gekommen - und verloren, 1:3. "Tölz war besser heute", sagt Kehler. Dann entschuldigt er sich: "Es tut mir leid", und spricht auf Englisch weiter (was wiederum gut zu Faber passen würde, einfach in eine andere Sprache zu wechseln, wenn ihm danach ist). Kehler sucht nach den richtigen Worten, um zu erklären, dass Tölz an diesem Abend mehr Hingabe gezeigt habe. Die Löwen haben also den Tabellenführer geschlagen, aber beschissen oder scheiße geht es Kehler deshalb nicht. Er sagt: "Wir waren nicht gut heute. Aber volle Anerkennung an Bad Tölz."

„Das war ein Mannschaftssieg“, sagte Löwen-Trainer Kevin Gaudet nach dem Erfolg gegen Kassel. Verantwortlich dafür unter anderem Stefan Reiter, Shwan Weller und Andreas Schwarz (von links). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bevor er die Huskies übernahm, hat Tim Kehler die Löwen Frankfurt aus der Oberliga in die DEL 2 geführt. Dabei gelang ihnen einmal eine Serie von 49 (!) Siegen. Kevin Gaudet, der Trainer der Tölzer Löwen, kennt so etwas. Mit den Löwen hat er in dieser Saison einmal zehn Spiele nacheinander gewonnen (und sieben verloren), er weiß, wie schwierig es ist, ein Team zu motivieren, das dauernd gewinnt. Mit den Bietigheim Steelers wurde er in sechs Jahren dreimal Meister, "wir waren immer die Nummer eins", sagt Gaudet: "Es ist schwer, immer diese 101 Prozent zu geben." Wie einfach es dagegen sei, gegen einen Tabellenführer zu spielen: Da brauche es nicht viel an Extra-Motivation.

Gegen Kassel gelang Gaudets Team, was am Freitag beim 4:5 in Freiburg noch misslungen war. Im Breisgau lagen die Löwen nach sechs Minuten 0:3 zurück. Sie kämpften und verkürzten in der Schlussminute durch Shawn Weller noch auf 4:5. Aber für einen Punkt reichte es nicht mehr. Gegen Kassel dauerte es bis weit ins zweite Drittel, ehe ein Tor fiel. Dann aber durften die Löwen jubeln: Luca Tosto verwertete eine Vorlage von Marco Pfleger direkt zum 1:0 (26.): "Das war der Schlüssel", sagte Gaudet. "Das gibt dir das Momentum." Die Löwen nutzten die Gunst des Augenblicks und erhöhten noch im zweiten Abschnitt auf 2:0 (34.): Mit der ganzen Routine seiner bald 37 Jahre umkurvte Lubor Dibelka erst einen Verteidiger, dann noch einen und schließlich den Torwart und lupfte den Puck lässig ins Netz. Kassel verkürzte kurz vor Schluss durch Nathan Burns (58.). Doch wieder war es Weller, der in der Schlussminute traf und diesmal mit seinem Schuss ins leere Tore die Partie zu Gunsten der Tölzer entschied. "Das war ein Mannschaftssieg", sagte Gaudet. "Ich hoffe, dass wir so weitermachen." Die Löwen spielten diszipliniert in der Defensive, leisteten sich wenige Strafzeiten und hatten in Maximilian Franzreb den besseren von zwei sehr guten Torhütern. Seit der 23-Jährige vor gut zwei Wochen von den Eisbären Berlin nach Tölz gewechselt ist, strahlt er Ruhe aus. In vier Partien hat er erst acht Gegentore zugelassen und führte die Löwen zu Siegen gegen Bietigheim (2) und nun gegen Kassel. Die Löwen stehen auf Rang sechs und dürfen von der direkten Playoff-Teilnahme träumen. "Zu recht", sagt Geschäftsführer Christian Donbeck. "Wir haben uns das erarbeitet."

Franzreb sei "die erhoffte Verstärkung", sagt Donbeck: "Und er gibt Silo Luft zum Verschnaufen." Sinisa "Silo" Martinovic, 39, als Nummer eins in die Saison gegangen, muss zuschauen, wie der Jüngere den Applaus einfährt. Ob es ihm dabei beschissen geht oder scheiße? Vermutlich weder noch. Martinovic weiß: So wie der Tatort-Kommissar den Täter findet, bekommt der Torhüter seine Chance - mit Geduld. Vielleicht schon am Freitag gegen Bayreuth.

© SZ vom 14.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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