Eishockey:"Die letzte Saison war zum Vergessen"

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„Ich werde 31, da macht man sich Gedanken, gerade mit Familie“: Nationalspieler Korbinian Holzer sagt, zu Hause fühle er sich am wohlsten. „Aber alles unter zwölf Stunden Flugzeit ist für mich mittlerweile nah.“ (Foto: Peter Schatz/Imago)

Nationalverteidiger Korbinian Holzer über seine Zukunft in Anaheim, einen Wechsel nach München, den Nebenjob als TV-Kommentator, Perspektiven in Geretsried und Schokolade in der Reha.

Interview von Johannes Schnitzler

Korbinian Holzer bittet um ein paar Minuten. Er will vor dem Interview noch schnell unter die Dusche. Auch wenn das Gespräch am Telefon stattfinden wird - so viel Zivilisation muss sein. Seit einigen Monaten hat der Eishockey-Nationalspieler mehr Zeit für Interviews, als ihm lieb ist: Vor zehn Wochen wurde der Verteidiger von den Anaheim Ducks am rechten Handgelenk operiert. Der Diskus - vergleichbar mit dem Meniskus im Knie - war gerissen. Seitdem arbeitet der gebürtige Münchner an seiner Rückkehr in die nordamerikanische Profiliga NHL. Die Zeit neben Reha und Training verbringt der 30-Jährige mit Freundin, Tochter, 4, und Sohn, zwei Monate, daheim im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, wo er beim TuS Geretsried und EC Bad Tölz seine Karriere startete. Ein Gespräch über sein Comeback, seinen Wunschkandidaten als Bundestrainer, die Rückkehr nach Deutschland und berufliche Alternativen.

SZ: Herr Holzer, wie geht es Ihrer Hand?

Korbinian Holzer: Ich hatte seit eineinhalb, zwei Jahren immer wieder Probleme. Zuerst habe ich das mit Tape und Schmerzmitteln überbrückt, auch bei der WM, das war nicht so dramatisch. Ich bin Rechtshänder, aber ich schneide mit links, von daher war die Beeinträchtigung im Alltag nicht so groß. Beim Eishockey ist es problematischer. Als ich im Sommertraining das erste Mal aufs Eis gegangen bin, war's eine Katastrophe. Mein Physio hat mir dann einen Handchirurgen, na ja, an die Hand gegeben. Ich musste mit Anaheim abklären, wo ich die OP machen lasse. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich das in Deutschland machen lasse, um bei der Geburt unseres zweiten Kindes dabei sein zu können.

Sind Sie froh, wenn 2018 vorbei ist?

Sicher hätte das eine oder andere besser laufen können. Die WM war okay, aber schon der Saisonabschluss in Anaheim ( Aus in der ersten Playoff-Runde, Anm. d. Red.) war nicht so prickelnd, und dass ich bis jetzt noch gar nicht spielen konnte - es kann eigentlich nur besser werden.

Bei der WM 2016, Marco Sturms erstem Turnier als Bundestrainer, haben Sie gegen die USA das Siegtor geschossen, Deutschland stand erstmals seit Jahren im Viertelfinale. 2016 waren Sie Teil jener Mannschaft, die sich in Lettland für Olympia in Pyeongchang qualifiziert hat. Seitdem haben Sie sportlich eine Pechsträhne: Die Heim-WM 2017 fand ohne Sie statt und die Silbermedaille haben Sie verpasst, weil die NHL ihre Profis erstmals seit 1998 nicht für Olympia freistellte.

Vor der Olympia-Quali hatte ich ein sehr gutes Jahr. 2016/17 auch, das war punktemäßig mein bestes in der NHL, und mit Anaheim standen wir im Halbfinale. Ich habe dann einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben, hatte ein gutes Trainingscamp, war Zweitbester bei den Fitnesswerten. Aber dann ist irgendwo der Wurm reingekommen. Die vergangene Saison war wirklich zum Vergessen, das muss man so sagen. Ich weiß bis heute nicht, was ich falsch gemacht haben könnte. Nach dem guten Jahr davor war das umso bitterer.

Ihr Vertrag in Anaheim läuft nach dieser Saison aus.

Und dann? Ich muss mich mit Anaheim abstimmen, was der Plan ist. Der Trend drüben ist schnell mal: Aus den Augen, aus dem Sinn.

Marco Sturm ist jetzt direkt um die Ecke von Ihnen Co-Trainer in Los Angeles ...

Es ist immer schön, wenn man einen Trainer hat, der dich kennt und unterstützt. Aber man muss mal schauen, was passiert. Ich weiß nicht, ob Anaheim und L.A. schon mal Spieler getauscht haben. Das wäre fast wie von Tölz nach Garmisch zu wechseln.

Wer wäre Ihr Wunschnachfolger für Marco Sturm als Bundestrainer?

Schwierig. Einige Kandidaten stehen unter Vertrag. Wichtig wäre, dass einer kommt, der den Weg weitergeht, der auch etwas darstellt wie Marco, von der Persönlichkeit her, der ein gutes Netzwerk hat, junge Spieler einbaut. Dass die Jungs weiter Spaß haben, zur Nationalmannschaft zu kommen. Man sollte keinen holen, der alles über den Haufen wirft und wieder bei Null anfängt. Die WM 2019 in der Slowakei wird extrem wichtig. Wir brauchen da ein gutes Abschneiden, um uns direkt für Olympia 2022 zu qualifizieren, um nicht wieder in ein Qualifikationsturnier gehen zu müssen, wo bis zur letzten Sekunde alles auf Messers Schneide steht.

Sie haben vor Ihrer Verletzung 97 Kilo gewogen. Und jetzt?

Immer noch so um die 97 Kilo. Man verbrennt natürlich weniger Kalorien, wenn man nicht das tägliche Training hat. Die ersten Wochen, bis die Fäden raus waren, durfte ich ja gar nichts machen. Ich musste eine Schiene tragen, Rotationsbewegungen waren tabu. Dann kamen passive Anwendungen, Eis, Strom. Danach habe ich mit Unterkörpertraining angefangen, Beine, Rumpf, Fahrradfahren. Natürlich habe ich auch auf meine Ernährung geachtet, sonst schlägt das eine oder andere Stück Schokolade schon an. Jetzt kann ich wieder Liegestützen machen, auch einarmig.

Wann wollen Sie aufs Eis zurückkehren?

Wenn ich es bis Mitte Dezember schaffe, wäre das schon sehr gut.

Wie nah rückt in so einer langen Pause die Heimat? Wird der Wunsch stärker, wieder in Deutschland zu spielen?

Wie man so sagt: Daheim ist es am schönsten. Mal wieder einen Winter zu erleben oder zumindest, dass man auch mal wieder eine Winterjacke braucht - das hatte ich die vergangenen vier Jahre in Kalifornien nicht mehr. Auch der Herbst war wunderschön. Ich werde im Februar 31, da macht man sich schon mal Gedanken, gerade mit Familie. Vom Wohlfühlfaktor her gäbe es nichts Schöneres. Aber ich muss jetzt erst mal sehen, wie es drüben weitergeht.

Der EHC Red Bull München wäre die nächstliegende Alternative.

Von der Fahrzeit her schon (lacht). Aber es gibt in Europa noch andere schöne Orte.

Omsk zum Beispiel, KHL, russische Liga.

(lacht) Ja. Oder Nowosibirsk.

Bremerhaven.

Wenn alles passt, könnte ich mir auch vorstellen, in Bremerhaven zu spielen. Alles unter zwölf Stunden Flugzeit ist für mich mittlerweile nah.

In München wären Sie Teil einer Tölzer Exklave mit Kony Abeltshauser, den Eder-Brüdern und Yasin Ehliz.

Es wären ja nicht nur die. Auch die Jungs, die ich von der Nationalmannschaft her kenne. Mit Patrick Hager habe ich schon in den Jugendauswahlen zusammengespielt. Aber ich habe auch noch gute Verbindungen nach Düsseldorf, wo ich drei Jahre gespielt habe.

Stehen Sie etwa im Wort, zur DEG zurückzukehren? Yasin Ehliz' Wechsel aus Calgary nach München hat man ihm in Nürnberg, wo er zuvor acht Jahre lang war, sehr übel genommen.

Nein. Von den Personen, die damals bei der DEG verantwortlich waren, ist auch fast keiner mehr da.

Wie beurteilen Sie die Umstände von Ehliz' Wechsel?

Ich kenne die Umstände nicht, darum steht mir dazu kein Urteil zu. Wenn Yasin die Möglichkeit hatte, nach München zu gehen, und mit Nürnberg vertraglich nichts fixiert war, ist da glaube ich nichts Verwerfliches dran.

Ihre Heimatverbundenheit ist bekannt. Zuletzt haben Sie den TuS Geretsried unterstützt, Autogrammstunden gegeben.

In Geretsried bin ich so ein bisschen in beratender Funktion. Ich habe dort alles gelernt, was man braucht, und hatte eine wirklich schöne Zeit. Es geht darum, dass man wieder eine Perspektive entwickelt, vielleicht in Richtung Oberliga, mit einheimischen Spielern. Im Nachwuchs sind 80, 90 Kinder, nächstes Jahr bekommt das Eisstadion wahrscheinlich wieder ein Dach, da ist schon Potenzial vorhanden. Wenn ich helfen kann, helfe ich gerne.

Sie kommentieren auch regelmäßig Spiele der Tölzer Löwen in der DEL2.

Ja. Am Freitag gegen Bietigheim bin ich wieder am Mikro. Das macht mir Spaß. Aber das ist schon eine andere Perspektive. Wenn man immer nur auf den Bildschirm schaut und redet, ist man so im Tunnel, da ist plötzlich das Spiel vorbei und man denkt: Hä, wie ist es eigentlich ausgegangen?

Wäre das eine Option für Sie?

Ich informiere mich schon vorher, suche Statistiken raus und so, damit ich nicht nur ins Blaue hinein rede. Aber ich glaube, dass mir die tägliche Arbeit auf dem Eis mehr Spaß machen würde. Nebenbei kommentieren, warum nicht? Aber jetzt will ich erst mal noch so lange wie möglich spielen.

© SZ vom 23.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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