Eishockey:Bis der Arzt kommt

Lesezeit: 3 min

Plus vier (Punkte) minus zwei (Spieler) macht... – Löwen-Trainer Kevin Gaudet kommt bei der Gewinn-und-Verlust-Rechnung ins Grübeln. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Tölzer Löwen behaupten Platz drei in der DEL 2. Trainer Kevin Gaudet hat allerdings weitere Ausfälle zu beklagen.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz/München

Tyler McNeely schaffte es nicht mehr aus eigener Kraft zur Bank. Vornüber gebückt rutschte der Kanadier über Eis, flankiert von Teamarzt Dr. Philipp Minzlaff und Physiotherapeut Tobias Häusler. Das Spiel, das war klar, war gelaufen für den 32-Jährigen.

Wenn Eishockeyprofis auf dem Eis liegen bleiben oder nicht mehr allein zu ihrer Bank fahren können, ist das generell kein gutes Zeichen. Meistens ist es ein schlechtes. Stürmer McNeely war am Sonntag, vier Minuten vor dem Ende der Begegnung zwischen den Tölzer Löwen und den Heilbronner Falken, beim Stand von 5:5 auf Höhe des eigenen Tors zu Boden gegangen. In dem Moment, als er von Abwehr auf Angriff umschalten wollte, war McNeely von einem Gegenspieler gestoßen worden und hatte sich dabei so den Körper verdreht, dass von Knie über Hüfte bis Rücken viel infrage kam: viel, was hätte kaputt gegangen sein können.

Die eigentlich unscheinbare Szene - die Kameras und die Blicke der Zuschauer hatten längst in die andere Richtung geschwenkt - passte für Kevin Gaudet ins leicht zerrupfte Bild, das die Löwen gerade abgeben. "Wir haben ein bisschen Pech mit Verletzungen", sagte der Trainer nach dem Spiel, das seine Mannschaft in der Verlängerung 5:6 verlor. Elf Sekunden hatten ihr zum Penaltyschießen gefehlt.

Seit Wochen muss der Coach auf Stefan Reiter, Niklas Heinzinger und Timo Gams verzichten, Markus Eberhardt ist gerade erst aus einer längeren Pause zurückgekehrt. Die jüngsten Meldungen aus Tölz klangen denn wie aus einem Krisengebiet kurz vor der Evakuierung. Am Freitag nach dem dramatischen 3:2-Auswärtssieg in Kaufbeuren hatte Gaudet gejapst: "Ich brauche einen Arzt." Trotz einer schnellen 2:0-Führung durch Shawn Weller (2.) und Max French (12.), mit sechs Treffern nach sechs Spieltagen der Top-Torschütze der DEL2, hatte es sein Team spannender gemacht als nötig und Kaufbeuren den Ausgleich gewährt, ehe French mit seinem zweiten Tor drei Punkte sicherte (55.). Und die Partie am Sonntag sollte sogar noch eine Zuspitzung liefern.

"Die Höhle der Löwen soll explodieren!", lautete das Motto, was nicht wörtlich zu verstehen war, sondern als PR-Gag mit dem Ziel, 3500 Zuschauer oder mehr anzulocken mit dem Versprechen, im nächsten Heimspiel gegen Frankfurt "einige Schmankerl" zu servieren. Das misslang. 2600 waren gekommen und sahen ein Spiel mit vielen Wendungen - und einem glücklichen Sieger. "Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen", sagte Falken-Chefcoach Alexander Mellitzer.

Selbst Kevin Gaudet konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Wenn du zu Hause fünf Tore schießt, musst du eigentlich gewinnen. Aber man hat gesehen, wie viel Talent Heilbronn hat. Sie haben in den letzten vier Spielen 24 Tore geschossen. Wenn du einen Fehler machst, nutzen sie das aus." Und die Löwen machten mehr als einen Fehler. "Aber ich muss stolz sein, wie die Mannschaft gekämpft hat", sagte Gaudet. "Das war unglaublich, gerade mit dem kleinen Kader. Schade, dass wir trotz einer 3:1-Führung nicht den zweiten Punkt geholt haben." Am Montagabend dann, nach einer MRT-Untersuchung, meldeten die Löwen "leichte Entwarnung": McNeely, der am Sonntag endlich seinen ersten Saisontreffer erzielt hatte, sei ohne Bänderverletzung davongekommen und könne wohl Ende der Woche wieder mit der Mannschaft trainieren. Dafür wird Kapitän Philipp Schlager mehrere Wochen lang ausfallen. Der 33-Jährige erlitt gegen Heilbronn eine "Oberkörperverletzung", die ihn zu einer Pause zwingt. Trösten können sich die Löwen mit dem dritten Tabellenplatz. Mit zwölf Punkten sind sie so gut gestartet wie noch nie seit dem Wiederaufstieg 2017.

Für Gaudets schrumpfende Reisegruppe stehen nun erst einmal zwei Auswärtsfahrten an, geografisch gesehen in den Osten der Republik, tabellarisch in den Süden der Liga: Am Mittwoch gastiert Tölz beim Tabellenzwölften in Dresden, am Freitag beim Schlusslicht in Crimmitschau. Sicher fehlen wird dabei Shawn Weller. Der Stürmer ist nach seinem Foul an Valentin Gschmeißner in Kaufbeuren von der Liga für vier Partien gesperrt und zu einer Geldstrafe in nicht genannter Höhe verurteilt worden. Auch am Sonntag (18.30 Uhr) gegen Frankfurt wird Weller noch zuschauen müssen. Immerhin bei guter Gesundheit.

© SZ vom 01.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: