EHC München:"Da sage ich: Hut ab"

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Manager Winkler über Münchens Playoff-Chancen, die Vorzüge Schwedens und warum der Trainer der wichtigste Mann beim DEL-Aufsteiger ist.

Johannes Schnitzler

Zwei Wochen hatten die Spieler des EHCMünchen Pause, an diesem Mittwoch (19.30 Uhr) gastieren sie beim Tabellenvorletzten Kölner Haie. Noch acht Spiele, dann könnte der Mannschaft von Pat Cortina als bestem Neuling bis dato die direkte Qualifikation für die Playoffs in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gelingen. Dafür wirkt EHC-Manager Christian Winkler extrem entspannt. Der 39-Jährige kommt in Jeans zum Interview, das Haar gegelt, der Pullover auberginefarben, das Lächeln frisch. Kann losgehen.

SZ: Herr Winkler, am Wochenende sind wir im Kinderkanal hängen geblieben . . .

Winkler: O Gott, der "Tanzalarm".

SZ: Richtig. Kinder animieren Erwachsene zum Tanzen. In dieser Folge war der EHC München aufgefordert.

Winkler: Das war 2007. Die Aufzeichnung fand einen Tag nach unserem Einzug ins Halbfinale der Zweiten Liga statt. Ich glaube, das kann man sehen.

SZ: Die Mannschaft wirkt in der Tat ein bisschen müde. Eigentlich machen nur zwei richtig mit: Florian Zeller, der mittlerweile in Rosenheim spielt, und Sie.

Winkler: Der Einzug ins Halbfinale war damals für uns wie eine Meisterschaft. Ich habe das hier damals ja noch nebenberuflich gemacht, ich war Moderator beim Radio. Wenn damals einer gesagt hätte, dass wir jetzt DEL spielen, hätte ich ihn gefragt, ob er gerade aus Haar davongelaufen ist oder sonst irgendwelche Visionen hat.

SZ: Und plötzlich steht der EHC vor den DEL-Playoffs. Nervös?

Winkler: Ich trinke zehn bis zwölf Tassen Espresso am Tag. Es ist so, als kämen die Playoffs heuer früher. Man merkt schon dieses Feeling: Jedes Spiel ist ab sofort ein Endspiel. Und wir haben alles selbst in der Hand.

SZ: Der EHC liegt auf Rang sechs, die Teams auf den Plätzen sieben bis zehn sind nur drei Punkte zurück und haben noch mehr Spiele. Könnte eng werden.

Winkler: Ich würde nicht in Depressionen verfallen, wenn wir die Playoffs verpassen sollten. Wir hatten zu Saisonbeginn keine Zielsetzung. Wichtig war nur, in der DEL anzukommen. Aber die Mannschaft hat so Tolles geleistet, dass ich es einfach schade fände, wenn sie sich am Ende nicht selbst dafür belohnen könnte.

SZ: Was zeichnet die Mannschaft aus?

Winkler: Ihre Geschlossenheit: Hier rennt keiner mit der Nase zu weit oben herum. Und die akribische Arbeit des Trainerteams: Pat Cortina weiß, wann er Zuckerbrot verteilen kann und wann er die Peitsche schwingen muss. Ich sage immer: Wenn eine Mannschaft gut geführt wird, kann sie etwas erreichen.

SZ: Nach dem Halbfinale 2007 verpasste der EHC in der Saison darauf die Playoffs - ohne Pat Cortina.

Winkler: Daraus haben wir die Lehren gezogen.

SZ: Welche?

Winkler: Der Trainer ist das Wichtigste. Wir hatten damals einen unruhigen Sommer, es war nicht klar, ob es weitergehen kann. Pat hatte damals ein Angebot aus Innsbruck, und ich habe gesagt: ,Mach' es. Ich weiß nicht, ob das hier funktioniert.' Wir haben dann Bernie Englbrecht als Trainer verpflichtet und ein paar Monate später Doug Bradley. Am Ende war ich froh, dass ich Pat noch einmal bekommen habe, weil er in Innsbruck inzwischen auch entlassen worden war. Wir haben erkannt, dass es doch besser ist, wenn wir zusammenbleiben.

SZ: Klingt wie bei einem alten Ehepaar.

Winkler: Ich habe das damals unterschätzt. Pats Weggang war der größte Verlust. Dann haben wir das Pferd noch einmal von hinten aufgezäumt, haben auch in der Kaderplanung die richtigen Lehren gezogen, dass Talent nicht so wichtig ist, sondern der Charakter. Man kann Erfolg im Sport nicht wirklich planen. Aber man kann an den Strukturen arbeiten, dass sich die Chancen verbessern.

SZ: Um Planungssicherheit zu haben, könnten Sie einfach dem ganzen Team inklusive Trainern neue Verträge geben.

Winkler: Im Prinzip könnten wir das tun. Aber das wäre wohl das erste Mal in der Eishockey-Geschichte. Pat hat ohnehin noch einen Vertrag bis 2012. Über alles weitere reden wir am Ende der Saison. Aber so viel kann man sagen: Jeder, der im Kader steht, hat grundsätzlich eine Chance.

SZ: Auch Sebastian Elwing und Joey Vollmer? Angeblich kommt Nationaltorwart Jochen Reimer von Tabellenführer Wolfsburg zurück.

Winkler: Das kann ich jetzt nicht sagen. Dazu will ich auch nichts sagen. Wir stehen mit Jochen in Kontakt, seit er 2008/09 bei uns gespielt hat. Wir sehen uns auf allen Positionen um. Aber es ist nichts entschieden. Wir schreiben keinen ab.

SZ: Aber wenn man Reimer bekommen könnte. . .

Winkler: Da brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Er gehört für mich sportlich zu den besten drei Torhütern der Liga, statistisch ist er sogar der beste. Ein interessanter Mann, ganz klar.

SZ: Während der Länderspielpause waren Sie mit Pat Cortina auf Scouting-Tour durch Schweden.

Winkler: Wir wollten uns die Philosophie dort anschauen. Wir haben sehr positive Eindrücke mitgenommen.

SZ: Zum Beispiel?

Winkler: Es war schön, in einem Eishockey-Land unterwegs zu sein. Wo die Kinder mit einem Eishockeyschläger in die Schule laufen und nicht mit einem Fußball. In Schweden wird unfassbar gute Arbeit geleistet. Jönköping, der aktuelle Meister, beschäftigt im Nachwuchs 77 Trainer und hat 14 Eigengewächse in der ersten Mannschaft. Da sage ich: Hut ab.

SZ: Der EHC hat nicht mal einen Nachwuchs.

Winkler: Den haben wir. Seit zwei Jahren wird dort gute Arbeit geleistet, das sage ich mit breiter Brust. Aber sicher steckt das noch in den Kinderschuhen.

SZ: Selbst bei optimaler Entwicklung wird der EHC in den nächsten Jahren vorwiegend auf Zukäufe angewiesen sein.

Winkler: Ich sondiere den Markt. Das ist mein Job. Im Moment sind die Summen, die verhandelt werden, noch sehr hoch. Die Guten können es sich aussuchen. Außer, einer will unbedingt zu uns und sagt, dass das Finanzielle nicht oberste Priorität hat. Aber das ist von zehn Spielern einer. Letztlich bestimmt unser Budget, was geht, und das lässt keine großen Sprünge zu.

SZ: Mit einem Spieleretat von 1,9 Millionen Euro liegt München in der DEL an drittletzter Stelle vor Straubing (1,8) und Augsburg (1,7). Berlin und Mannheim überweisen 4,4 Millionen an ihre Profis.

Winkler: Straubing gibt einen geringeren Etat an als wir? Na ja. Ich sehe uns in einer ähnlichen Situation wie Augsburg. Ich muss von dem ausgehen, was wir haben und daraus etwas Positives gestalten. Es wäre natürlich schön, einen Puffer zu haben. Aber was bleibt uns übrig? Ich habe es mir angeeignet, nicht immer zu träumen. Ich hoffe allerdings, dass wir nicht jede Saison 20neue Spieler suchen müssen wie Augsburg.

SZ: Mit Stéphane Julien, Felix Petermann, Bryan Adams und Martin Buchwieser haben Sie immerhin schon vier Spieler über die Saison hinaus weiterverpflichtet.

Winkler: Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich in diesen Fällen nur Optionen ziehen musste. Auch bei Eric Schneider sind wir dran. Der Grundrahmen stimmt. Aber es gibt Grenzen. Wenn es nicht geht, dann geht es halt nicht. Aber der Eric will bleiben, wir wollen ihn behalten, das sind ja schon mal gute Grundvoraussetzungen.

SZ: In Hannover bekommt Klaus Kathan keinen Vertrag mehr. Ein ehemaliger Nationalspieler, in Tölz zu Hause, der noch ein, zwei Jahre DEL spielen will - passt so einer ins Budget?

Winkler: Das ist ein interessanter Spieler. Er kommt aus der Gegend, das ist wichtig für die Identifikation. Er ist ein erfahrener Spieler, der jeder Mannschaft weiterhelfen kann. Aber "erfahren" und "gut" haben ihren Preis.

SZ: Und wenn jetzt der DEB kommt und Pat Cortina als Nationalcoach will?

Winkler: Wenn eine Doppelfunktion Verein/DEB nicht ausgeschlossen ist und der Trainer kein Deutscher mehr sein muss, hätte ich kein Problem damit.

Interview: Johannes Schnitzler

© SZ vom 16.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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