DEL 2:Zaunlatte zwischen den Zähnen

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Kommt da noch was? Abwehrchef Casey Borer blickt sich fragend um: Schlusslicht Deggendorf ist nur noch zwei Zähler entfernt, Platz zehn schon acht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Beim Debüt von Trainer Scott Beattie verlieren die Tölzer Löwen weiter an Boden auf die Playoff-Ränge.

Von Johannes Schnitzler, Crimmitschau/Bad Tölz

Man kann von Scott Beattie nicht erwarten, dass er nach nur einer einzigen gemeinsamen Übungseinheit schon alle Namen seiner Spieler und deren Rückennummern kennt. Also spickte der neue Cheftrainer der Tölzer Löwen am Dienstag beim Auswärtsspiel in Crimmitschau immer wieder mal auf den Aufstellungsbogen, schob die schwarz umrandete Brille, die auf seinem Kopf parkte, hinunter auf die Nase, blinzelte aufs Papier, schob die Brille wieder hoch in die Stirn, blickte aufs Eis. Diese Nummer 22 gefiel ihm.

Seit Montag ist Beattie, 50, Trainer beim Eishockey-Zweitligisten Bad Tölz. Der Kanadier mit italienischem Pass löste Markus Berwanger, 55, Oberbayer mit deutschem Pass, ab, der das Team in dessen Spieltrieb zuletzt zu sehr eingeengt hatte. So hatte es zumindest die Mannschaft empfunden und sich darüber recht bitterlich beklagt. Nach verheißungsvollem Saisonstart haben die Löwen auf dem 13. Rang, dem vorletzten der Tabelle, einen Dauerparkplatz gemietet. Beattie versprach mehr Offensive, mehr Mut, vor allem: mehr Punkte. Er sagte: "Ich habe vor, mit Bad Tölz zu gewinnen."Die Mannschaft habe "riesiges Potenzial", er "denke, dass wir als Gruppe einiges ändern und uns weiterentwickeln können". Bei fünf Punkten Rückstand auf Platz zehn und die Playoffs sei noch alles möglich: "Aber wir werden Drittel für Drittel, Spiel für Spiel absolvieren." Der Dienstag bestätigte Beattie: Die Mannschaft deutete ihr Potenzial an. Andererseits bestätigte der Abend auch den bisherigen Saisonverlauf: Nach gutem Start ging es Drittel für Drittel abwärts.

Die Löwen erwischten einen Auftakt nach Beatties Geschmack. Schon nach 61 Sekunden schickte Lubor Dibelka, gebürtiger Tscheche mit deutschem Pass, einen Schlagschuss trocken ins Netz, Torhüter Andreas Mechel, der den angeschlagenen Ben Meisner vertrat, hielt einen Penalty von Christian Hilbrich, und Tölz ging mit einer Führung in die erste Pause. Im zweiten Drittel war es abermals Dibelka, der Mann mit der Rückennummer 22, der richtig stand und nach einem Schuss von Andreas Pauli den Abpraller zum 2:0 (28.) ins Tor tippte. Beattie sah kurz auf den Spielbericht, und was er sah, war gut. Die Löwen schossen öfter aufs Tor als der Gegner. Nur versäumten sie es, das 3:0 zu machen. Die Chance war da im Powerplay. Doch ausgerechnet Kapitän Philipp Schlager lud Crimmitschau zum Konter ein und zum 1:2 (34.). Eine Minute später fiel der Ausgleich durch den ehemaligen Berliner Eisbär Julian Talbot. "Das ist, als ob dir einer eine Zaunlatte drüber haut", beschrieb Geschäftsführer Christian Donbeck die Tölzer Gefühlslage in diesem Moment.

Zwar brachte Johannes Sedlmayr die Löwen - ebenfalls in Unterzahl - noch einmal nach vorn (39.). Doch im letzten Abschnitt führte das Unheil die Zaunlatte mit voller Wucht. Hilbrich gelang früh das 3:3 (43.). "Und dann verfallen wir in einen Aktionismus, wo jeder meint, er muss das Spiel allein entscheiden", sagte Donbeck: "Sie wollen ja alle und sie sind ehrgeizig. Aber da verbrennst du so viel Holz an der falschen Stelle." Dominic Walsh und abermals Talbot mit dem dritten Unterzahltreffer an diesem Abend schossen Crimmitschau mit einem Doppelschlag (46./47.) erstmals und entscheidend in Führung, Patrick Klöpper schob den Puck zum 6:3 ins leere Tor.

"Wir sind gut gestartet", sagte Scott Beattie. "Danach sind wir von unserem Spielplan abgekommen." Crimmitschaus Coach Kim Collins hielt sein Fazit ähnlich einfach: "Im letzten Drittel haben wir getan, was wir in den ersten beiden Dritteln nicht getan haben: Wir haben das Tor getroffen." Seine dunkel umrandete Brille hatte er dabei in die Stirn geschoben. Beatties Mund mahlte währenddessen, als habe er eine Zaunlatte zwischen den Zähnen.

Das 3:6 war der denkbar schlechteste Auftakt in eine Woche, in der die Löwen am Freitag in Bayreuth und am Sonntag zu Hause gegen Dresden auf weitere direkte Konkurrenten treffen - und diese Konkurrenten gewann am Dienstagabend ausnahmslos. Der Abstand zu Platz zehn ist nun auf acht Punkte angewachsen, zwölf Spiele sind noch zu spielen. "Aber wir werden jetzt keinen zusätzlichen Druck machen", sagte Christian Donbeck. "Etwas mehr Ruhe wäre angebracht." Auch auf dem Eis.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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