DEL 2:Ab in die Berge

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Kniefall vor dem Publikum: Die Tölzer Löwen bedanken sich am Freitagabend bei ihren Fans für die Unterstützung in dieser Saison. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Erleichterung in Tölz ist groß. Die Löwen bleiben in der zweiten Liga - und stehen doch vor einem Umbruch.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz

Sergej Waßmiller war mit der Gesamtsituation unzufrieden. "Habt Ihr kein Bier hier?", fragte der Trainer der Bayreuth Tigers. "Schlechte Gastgeber." Bayreuth hatte 1:4 verloren, sowohl das fünfte Spiel gegen die Tölzer Löwen als auch die Best-of-seven-Serie um den Klassenerhalt, die Tigers standen in diesem Moment als Absteiger aus der DEL 2 fest. Niemand hätte es Waßmiller verdenken wollen, wenn er also noch vor der Pressekonferenz seinen Kummer ertränkt hätte. Doch als sein Tölzer Kollege Rick Boehm ihm ein Bier unter dem Pult hervorzauberte, lächelte Waßmiller: "War bloß Spaß. Die bessere Mannschaft hat heute gewonnen." Um 21.34 Uhr am Freitag verkündete der Stadionssprecher den 3118 Zuschauern in der Tölzer Arena: "Es ist geschafft." Die Löwen bleiben in der DEL 2.

Während der gebürtige Russe Waßmiller sich in trockenen Humor flüchtete, hatten sich in der Zwischenzeit alle übrigen Getränkevorräte in die Tölzer Kabine verfügt. Fein säuberlich standen dort die Flaschen griffbereit in Reih und Glied, ein optischer Kontrapunkt zum Ende einer Saison, die für den Aufsteiger alles andere als geordnet verlaufen war. Nach sieben Niederlagen zum Auftakt zuckelten die Löwen fast pausenlos dem Feld hinterher, monatelang mussten sie auf wichtige Spieler verzichten, und als sie in der ersten Abstiegsrunde schon 2:0 führten, ließen sie Gegner Freiburg noch vom Haken. Johannes Sedlmayr, mit 17 Punkten bester Scorer der Playdowns und am Freitag Schütze des entscheidenden 3:1, sagte: "Wir haben es vom ersten bis zum letzten Spiel spannender gemacht als nötig."

Bis das erste Bier schmeckte, dauerte es. Nach einer Zitterpartie über 64 Spiele überwog allenthalben die Erleichterung. "Ich bin so froh, dass ich im letzten Spiel nicht absteigen muss", verriet Klaus Kathan, "es stand brutal viel auf dem Spiel."

Über die Zukunft von Trainer Rick Boehm wird nicht erst seit Freitag relativ offen diskutiert

Der ehemalige Nationalspieler, der mit 41 Jahren seine Karriere beendet, sieht das Team vor einem Umbruch: "Kämpfen tun alle. Aber du brauchst Spieler mit Qualität. Nächste Saison wird es nicht mehr reichen, nicht abzusteigen, sonst hast du gleich negative Stimmung." Nicht erst seit Freitag wird in Tölz mehr oder weniger offen über die Zukunft von Trainer Rick Boehm diskutiert. Vor der Partie am Freitag sah sich die Vereinsführung gar zu einer Klarstellung genötigt. Weder Franz Steer (der einen laufenden Vertrag beim Ligakonkurrenten Dresden besitzt) noch Axel Kammerer werde in der kommenden Spielzeit Trainer der Löwen werden. Die Geschäftsführung widersprach damit entsprechenden Zeitungsberichten. Ein Bekenntnis zu Boehm vermieden die Verantwortlichen allerdings.

Boehm selbst wollte am Freitagabend von der Zukunft nichts wissen. "Ich brauche jetzt ein paar Tage Ruhe", sagte der 58-Jährige. Er habe "jede Menge gelernt", sagte Boehm, der nach 20 Jahren als verantwortlicher Nachwuchskoordinator seine erste Spielzeit als Chefcoach im Profibereich bewältigt hat. Er sei wohl "manchmal zu nett, zu brav, zu nachsichtig" gewesen mit seinen Spielern. In "95 Prozent aller Fälle" habe das Verhältnis zwischen ihm und der Mannschaft gepasst. "Aber in ein, zwei Situationen hätte ich konsequenter sein müssen", räumte Boehm ein. Nach einem Jahr "mit vielen Problemen und Herausforderungen" sei er aber irgendwann an den Punkt gelangt zu sagen: "Du hast alles so gut wie möglich gemacht. Entweder kommt jetzt das Ergebnis. Oder der Gegner war besser."

"Natürlich haben wir nicht immer so clever gespielt", sagte Philipp Schlager. Der 31-Jährige, aufgewachsen in Reichersbeuern, hat in seiner Premierensaison für den ECT erstmals eine Abstiegsrunde erlebt und festgestellt: "Playdowns sind eine ganz eklige Sache." Der Topscorer des Teams sieht dennoch "Wahnsinnspotenzial" bei den Löwen. Bevor er sich in den Urlaub und in die Berge verabschiedete, um "Eishockey jetzt erst mal aus dem Kopf zu bekommen", betonte Schlager: "Das ist locker ein DEL-2-Standort." Daran glaubt auch Kapitän Florian Strobl, ein Tölzer Eigengewächs und am Freitag mit zwei Treffern Matchwinner: "Der Standort lebt davon, dass hier viele Einheimische spielen, die sich für Tölz den Arsch aufreißen." Zwar sei die Belastung in der DEL 2 deutlich höher als in der Oberliga, gerade für Spieler wie ihn oder Beppo Frank, die einem geregelten Beruf nachgehen. Dennoch sei er "nicht abgeneigt", weiter für die Löwen zu spielen, sagte der 28-Jährige. "Ich hatte auch persönlich einige Tiefs in dieser Saison, als ich nix mehr getroffen habe." Umso größer sei nun seine Freude: "Wir werden schon noch Gas geben", kündigte Strobl an. Oder wie Verteidiger Andreas Schwarz, eine halb leere Flasche in der Hand, sagte: "Heute gehen wir erst am Montag heim." Die Freitagnacht war noch jung.

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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