Boxen:Präziser Korkenzieher

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Gerne große Bühne: Wee-Gründer Cengiz Ehliz (rechts, mit Brille) mit Europameister Robin Krasniqi im Juni 2018 bei der Wee-Boxgala in der Tölzer Wee-Arena. (Foto: Halil Tosun/obs/dpa)

Der EM-Titel im Boxen ist für Robin Krasniqi auch ein Auftrag, sich selbst nicht mehr im Weg zu stehen.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Der Aufwärtshaken ist vielleicht der gefährlichste Schlag überhaupt im Boxen. Die Faust verschwindet kurz aus dem Sichtfeld des Gegners, um dann explosionsartig nach oben zu schießen, versehen mit einer Drehung, wie ein motorisierter Korkenzieher. Der Aufwärtshaken ist anspruchsvoll, und er ist nicht ohne Risiko; wer einen Aufwärtshaken schlägt, muss den Körper geschickt bewegen, um nicht das eigene Kinn als Ziel anzubieten.

Der Kampf am Samstagabend lief seit ein paar Runden, als Robin Krasniqi, 31, einen Aufwärtshaken schlug, es war nicht der einzige an diesem Abend in Bad Tölz, aber dieser hatte eine besonders krachende Botschaft. Der Aufwärtshaken zählt seit Jahren zu Krasniqis besten Schlägen, auch diesem Schlag verdankt er es, dass er zweimal (vergeblich) um die WM boxen durfte, dass er (vergeblich) Arthur Abraham herausfordern durfte, dass er als einer der besten deutschen Profiboxer gelistet wird. Manchmal aber hatte er sich diesen Schlag nicht zugetraut, oder im Eifer eines Duells hatte ihm die Konzentration und dadurch die Technik gefehlt; ein Boxer, der einen schlechten Aufwärtshaken schlägt, ist sich selbst der größte Gegner.

Doch der Korkenzieherschlag am Samstag war einer, der den Kampf schon auserzählte: Krasniqi traf Stanislaw Kaschtanow mit voller Wucht an dessen Kinn, der Kopf des Russen wackelte. Kaschtanow war beeindruckt. Er wusste jetzt, dass Krasniqi an diesem Abend Kraft und Präzision vereinen konnte. Er wusste, dass Krasniqi ganz bei sich selbst war.

"Ich habe so viele Höhen und Tiefen erlebt. Viele dachten schon, bei mir ist Feierabend. Ich kenne meine Grenzen noch nicht und will jetzt Weltmeister werden", sagte Krasniqi nach seinem einstimmigen Punktsieg, der ihm den EBU-Europameistertitel im Supermittelgewicht sicherte. Er hatte ja in den vergangenen Monaten durchaus auch mit sich selbst gehadert, hatte sich gefragt, warum er noch nicht den ganz großen Titel gewonnen hat, obwohl es ja kaum einen Boxer in Deutschland gibt, der so viel in seinen Körper und seinen Sport investiert wie er, Robin Krasniqi, geboren in Junik im Kosovo, aufgewachsen in München. Die Spitze Europas, das hat er nun auch sich selbst bewiesen, muss noch nicht seine Grenze sein.

Bereits vor dem Kampf hatte Promoter Ulf Steinforth einen neuen Vertrag für Krasniqi vorgelegt, es war ein Vertrauensvorschuss, und es war ein Auftrag. Steinforth weiß auch nicht, wo Krasniqis Grenzen liegen. Es ist nun aber an der Zeit, dass der 31-Jährige zumindest sich selbst nicht mehr aufhält.

© SZ vom 05.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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