Beachvolleyball:Wohnen auf der MS Rotterdam

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"Im Moment läuft es zwischen uns ziemlich bilderbuchmäßig", sagt Sandra Ittlinger (li.) über Kim Behrens. (Foto: imago/Beautiful Sports)

Die Münchnerin Sandra Ittlinger kommt mit ihrer Partnerin Kim Behrens bei der EM in den Niederlanden ins Achtelfinale. Das Duo versteht sich nahezu perfekt, doch der Verband bevorzugt seine Trennung.

Von Felix Meininghaus

Es ist ein herrliches Bild, das sich dem Betrachter bietet, wenn er im Hafen von Rotterdam an dem mondänen, gleichnamigen Hotelschiff hinaufschaut. Sandra Ittlinger hat diesen Blick vom Beachvolleyball-Stadion, das anlässlich der Europameisterschaft direkt vor dem Riesen errichtet wurde: "Das ist echt cool, dass wir hier spielen können und auch noch auf diesem Schiff wohnen dürfen." Es ist, als müsse sich die 24-Jährige von Zeit zu Zeit kneifen, um zu verstehen, dass die wundersame Reise an die Strände dieser Welt, die sie mit ihrer Partnerin Kim Behrens angetreten hat, tatsächlich stattfindet.

Das Duo Behrens/Ittlinger war bei der EM richtig gut dabei. Aus der ersten Phase kamen die Blockerin Ittlinger, die aus München stammt und einst mit Yanina Weiland für den SV Lohhof im Sand spielte, und die Abwehrspielerin Behrens, die Bremer Wurzeln hat, als Gruppensiegerinnen heraus. Das bedeutete die direkte Achtelfinal-Qualifikation. Nicht schlecht für ein Team, das eher am Rande wahrgenommen wird, weil das Scheinwerferlicht von den Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst absorbiert wird. Und weil es neben den Golden Girls auch noch drei Weltklasseduos gibt, die Deutschland international vertreten. Dass im Achtelfinale gegen die Spanierinnen Angela Lobato und Amaranta Fernandez Navarro überraschend Schluss war, wurde vom Team als herber Rückschlag gewertet beim Versuch, näher an die nationale Konkurrenz heranzurücken. Behrens/Ittlinger gingen als Favoriten ins Spiel, doch dann lief wenig zusammen und die Begegnung ging klar mit 0:2 (17:21, 17:21) verloren. Entsprechend niedergeschlagen war Ittlinger: "Wir sind im Aufschlag viel Risiko gegangen, haben dabei aber leider viel zu viele Fehler produziert. Wir sind jetzt sehr enttäuscht, weil wir mindestens das Viertelfinale erreichen wollten. Jetzt müssen wir durchatmen und uns sortieren."

Nun dürfte es noch schwerer werden, aus dem Schatten der etablierten Teams zu treten. Genau das haben sich die beiden Athletinnen vorgenommen. Der Weg von Kim Behrens gleicht dabei einer Deutschlandtour: Von Bremen zog es sie nach Münster, wo sie für den Traditionsklub USC ans Netz ging. Von dort ging es weiter gen Süden nach Stuttgart. Dort trainierte die 25-Jährige bei Bundestrainer Jörg Ahmann im Sand und ging zudem ihrem Beruf als Polizistin nach. Behrens ist dort verbeamtet, wird aber als Beachvolleyballerin vom täglichen Job freigestellt. Ein Privileg, das nur so lange aufrechtzuerhalten ist, wie der Kaderstatus beim Deutschen Volleyball-Verband (DVV) gesichert ist. Der stand lange infrage, die Erleichterung war riesig, als der positive Bescheid kam.

Eine Medaille 2020 in Tokio? "Das werden sie aus unserer Sicht nicht schaffen."

Ihren Wohn- und Arbeitsplatz in Stuttgart hat sie zwar behalten, doch inzwischen hat es Behrens nach Berlin verschlagen, wo sie mit Sandra Ittlinger beim früheren Weltklassespieler Kay Matysik trainiert. Ittlinger wiederum war vor ein paar Jahren schon mit Weiland von München an den DVV-Stützpunkt in die Hauptstadt gezogen, 2016 trennte sich das Duo dann auch wegen fehlender internationaler Perspektiven. Die Konstellation ist durchaus pikant, weil der DVV die beiden Spielerinnen am liebsten beim Bundesstützpunkt in Hamburg gesehen hätte. Und zwar mit anderen Partnern, was weder für Behrens noch für Ittlinger infrage kam. Das Team definiert sich als zusammengehörige Einheit und lehnt alle dirigistischen Maßnahmen von Außenstehenden ab.

Die Frauen verstehen sich so gut, dass sie nicht nur zusammen trainieren, spielen und auf Reisen gehen, sondern sich auch noch eine gemeinsame Wohnung teilen. Kann so viel Nähe auf Dauer wohltuend und leistungsfördernd sein? "Die Frage wird uns ständig gestellt", sagt Behrens und lächelt. Sie und Sandra Ittlinger versichern, dass es bestens funktioniert. Es scheint, als haben sich da zwei gesucht und gefunden. So etwas wie ziemlich beste Freundinnen. Behrens formuliert es so: "Im Moment läuft es zwischen uns ziemlich bilderbuchmäßig. Ich kann mir keine bessere Konstellation vorstellen."

Die Frage ist, ob es sportlich und atmosphärisch so bleiben kann. Derzeit profitieren Behrens/Ittlinger von der Babypause der Olympiasiegerinnen Ludwig/Walkenhorst. Doch im Januar wird Laura Ludwig ihre Mutterzeit beenden und in den Turnierzirkus zurückkehren. Da immer nur vier Teams pro Nation bei internationalen Events gemeldet werden können, droht Behrens/Ittlinger das Schicksal, vom Verband nicht berücksichtigt und in die Zuschauerrolle gedrängt zu werden. "Wir sind uns dieser Situation bewusst", sagt Behrens, "und werden alles dafür tun, dass wir beim DVV nicht das fünfte Rad am Wagen werden."

Niclas Hildebrand, seit Februar Sportdirektor Beachvolleyball beim deutschen Verband, plädiert weiterhin dafür, dass sich Kim Behrens und Sandra Ittlinger alternative Partner suchen. "Es ist unser primäres Ziel, in zwei Jahren bei Olympischen Spielen eine Medaille abzusichern. Und das werden Behrens/Ittlinger aus unserer Sicht nicht schaffen. Ich würde die beiden immer noch am liebsten in einer anderen Konstellation für 2024 aufbauen. Aber wenn sie das nicht wollen, werden wir sie nicht zwingen." Auch, um die Bilderbuch-Einheit nicht zu zerstören.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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