Beachvolleyball:Manni & Scrat

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Armin Dollinger, deutscher Meister von 2015, und Simon Kulzer haben in München eine neue Perspektive gefunden - abseits des Verbandes. Nun will sich das ungleiche Duo auf der World Tour etablieren.

Von Sebastian Winter

Eine weiße Sitzbank, mitten im Sand, nahe am Netz: Elena Kiesling wirft Bälle auf die andere Feldseite, Armin Dollinger fängt sie, läuft an, springt, landet wieder. Gegenüber wartet sein Partner Simon Kulzer. Auf dem Programm steht leichtes Angriffstraining, in einer Beachvolleyballhalle am Münchner Ostbahnhof. Nichts, was die beiden jungen Männer und ihre Trainerin ins Schwitzen bringen würde. Dollinger ist ja noch etwas angeschlagen, die Grippewelle hat auch den 2,02-Meter-Mann erfasst. Aber er bleibt trotzdem am Ball, auch, weil er an diesem Donnerstag mit Kulzer in das zweite gemeinsame internationale Turnier startet: In Aalsmeer, Niederlande. Das neu formierte Duo möchte im Hallensand nahe Amsterdam wieder einen Schritt nach vorne machen.

Der Vaterstettener Kulzer, 20, und der Garchinger Dollinger, 27, das ist derzeit eines der wohl spannendsten Beachvolleyball-Projekte des Landes. Es sind zwei Partner, die vorher nie zusammengespielt haben und die sieben Jahre trennen. Es ist außerdem ein Profiteam, das ohne Förderung des Verbandes auskommt und seit diesem Jahr auf selbständiger Basis durch die Welt zieht. Bis nach Australien, wo das neu formierte Duo beim World-Tour-Turnier in Shepparton Anfang Februar überraschend Vierter wurde. Ein guter Start war das, wobei es auch nur ein Wettkampf der Ein-Stern-Kategorie war. Bis sie bei Fünf-Sterne-Turnieren spielen können, der höchsten Kategorie also, wird es noch eine Weile dauern. Zugleich sagt Dollinger, der inzwischen frisch geduscht an einem der Holztische oben in der schicken Bar Platz genommen hat: "Unser übergeordnetes Ziel ist schon Olympia. 2024, und wenn irgendmöglich, dann schon 2020."

Warum auch nicht: Der Blocker Dollinger ist mit dem Tölzer Clemens Wickler 2015 deutscher Meister geworden, er hat seither auch international viel Erfahrung gesammelt. Kulzer, der in Vaterstetten von Trainer Tadeusz Metzger ausgebildet wurde und über das Volleyballinternat Kempfenhausen 2017 an den Beachvolleyball-Stützpunkt in Stuttgart wechselte, ist deutscher U20-Meister. Er gilt hierzulande als eines der größten Abwehrtalente auf dem Sand. Eigentlich sollte Dollinger nach dem Olympiasieg von Julius Brink und Jonas Reckermann 2012 in London und dem anschließenden Rücktritt Reckermanns neuer Partner von Brink werden. Doch weil auch Brink bald verletzungsbedingt zurücktrat, zerschlug sich der Masterplan. Der Weg mit Wickler war dann zu Ende, als der Deutsche Volleyball-Verband ihnen trotz ihres DM-Erfolges beschied, keine große gemeinsame Perspektive zu haben. Wickler ist inzwischen am zentralen Stützpunkt in Hamburg stationiert. Dollinger wurde Anfang 2017 auch dorthin beordert, wie die meisten Nationalkader-Athleten, was viel Kritik am Verband hervorrief. Denn ein halbes Jahr später siebte er gnadenlos aus, auch Dollinger und sein Berliner Partner Jonathan Erdmann waren unter den Leidtragenden. "Das war schon ein bisschen blöd und sehr kurzfristig", sagt Dollinger, zumal das Duo die schlechte Nachricht nur wenige Tage vor der Europameisterschaft erhielt - wo es dann nur 25. wurde. Dollinger verlor seinen A-Kader-Status und flog dadurch auch aus der Bundeswehr. Inzwischen ist er "froh, aus dem System raus zu sein" und wieder bei seiner Frau und der kleinen gemeinsamen Tochter in München zu leben.

Nachdem Dollinger kurz überlegt hatte, ganz mit dem Leistungssport aufzuhören, hat er nun mit Kulzer neue Motivation gefunden - und ein hoch professionelles Umfeld. Neben Trainerin Kiesling (die auch noch das ähnlich ambitionierte Frauenteam Leonie Welsch und Lisa Arnholdt in München betreut) haben sie noch einen Co-Trainer, eine Athletiktrainerin, Physiotherapeutin, Mentaltrainerin und den Münchner Olympiastützpunkt. Ihr Plan ist es nun, als selbständige Profis um die Welt zu reisen und sich und ihr Team mittels Geldgebern und später auch Preisgeldern zu finanzieren. Sie erledigen alles selbst: Sponsorentreffen, Vermarktung, Reiseplanung. Immerhin sind sie zugleich noch im Perspektivkader des Verbandes, von dem sie aber keine finanzielle Unterstützung mehr erhalten. Vier Bälle hat er ihnen geschenkt, was sie darin bestärken dürfte, es auf eigene Faust zu versuchen.

Dabei sind Kulzer und Dollinger unterschiedliche Typen. Allein schon, weil Dollinger eine Familie hat, gehen sie abseits des Sandes eigene Wege. Es ist Kieslings Aufgabe, die Einzelkönner zu einem auch international hochkarätigen Duo zu formen: "Armin soll das Team führen, er ist der Stratege mit dem kühlen Kopf. Und Simon ist der Unerfahrene, Wilde, der neue Impulse gibt", sagt Kiesling, die einen ganz anschaulichen Vergleich aus der Filmwelt für das Duo hat. Kulzer sei wie Scrat, das etwas hektische Eichhörnchen aus der "Ice Age"-Serie, das so ausdauernd wie erfolglos versucht, eine Eichel zu ergattern. Dollinger sei Manni, das fürsorgliche Mammut. Beim ersten Treffen sagte Scrat übrigens zum Mammut: "Ich gebe Vollgas. Einfach nur rumdaddeln möchte ich nicht."

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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