Beachvolleyball:Die Alleinunterhalter

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„Wir befinden uns auf einer Einbahnstraße“: Simon Kulzer (li.) und Armin Dollinger setzen alles daran, dass sie nicht zur Sackgasse wird. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Münchner Duo Armin Dollinger und Simon Kulzer haben sich wegen fehlender Perspektiven vom Verband losgesagt. Beim Masters in Ebersberg zeigt sich, wie steinig ihr Weg werden dürfte.

Von Raphael Späth, Ebersberg

"Ich bin echt froh, dass im Beachvolleyball die mentale Komponente so entscheidend ist", sagt Simon Kulzer. Der 21-Jährige studiert nebenbei Wirtschaftspsychologie - das Taktieren und Analysieren liegt ihm sozusagen im Blut. Die mentale Komponente ist auch am vergangenen Wochenende beim Masters in Ebersberg wieder ausschlaggebend über Sieg und Niederlage - dieses Mal sind es aber Kulzer und sein Partner Armin Dollinger, die sich geschlagen geben müssen.

Das Duo Dollinger/Kulzer spielt am Sonntag gegen das Geschwisterpaar Jonas und Benedikt Sagstetter um den Halbfinaleinzug. Schnell wird klar, dass beide Teams spielerisch gleichauf sind - die Partie wird im Kopf entschieden. Der Vorteil scheint dabei zunächst auf der Seite von Dollinger/Kulzer zu liegen: Im ersten Satz holen sie einen Drei-Punkte-Rückstand auf - auch, weil Simon Kulzer um jeden noch so aussichtslosen Ball kämpft und ihn auch noch übers Netz bugsiert, als die Kontrahenten schon zum Jubeln abdrehen. "Du bist ein geiler Typ, Mann", brüllt Armin Dollinger.

"Emotionalität ist ein wichtiger Aspekt in unserem Spiel. Wir müssen uns gegenseitig pushen."

Es sind solche Bälle, die auch in ihm das Feuer wecken: "Emotionalität ist ein wichtiger Aspekt in unserem Spiel", sagt der 28-Jährige. "Wir müssen uns gegenseitig pushen." Allerdings werden auch die Sagstetter-Brüder angestachelt, Nuancen entscheiden den ersten Satz mit 21:19 zugunsten der Brüder. Danach erarbeiten sich Dollinger/Kulzer zunächst einen komfortablen Vorsprung, bevor sie wieder zu viele Fehler machen. Sie werden lethargisch, hören auf, miteinander zu kommunizieren.

Vor allem Kulzer wirkt angeschlagen, produziert einen leichten Fehler nach dem anderen - nach sechs Punkten in Serie für den Gegner nehmen die beiden eine Medical Time-Out. "Seit zwei Jahren kämpfe ich immer wieder mit einer Trizeps-Verhärtung, wenn ich über längere Phasen im Turnier harte Angriffsschläge mache. In dieser Woche war ich deswegen schon viermal beim Physiotherapeuten", gesteht Kulzer. Während der fünf Minuten langen Auszeit versucht er, die Verhärtung durch das Abbinden des Oberarms in den Griff zu bekommen - ohne Erfolg. "Ich war im Kopf einfach zu sehr mit meinem Trizeps beschäftigt und habe den Fokus zwischendurch immer wieder verloren", sagt der Vaterstettener nach der Partie. "Das war der Grund, weshalb wir heute verloren haben." Sie hatten sogar Satzball, der entscheidende Punkt zum 22:20 im zweiten Satz geht aber an die Gegner aus Landshut - nach einem Aufschlagfehler von Dollinger. "Wenn du ein Spiel gewinnen willst, musst du immer zu 100 Prozent präsent sein. Das war heute nicht der Fall", sagt der Garchinger.

Die Reise in Ebersberg endet für die beiden Lokalmatadoren also im Viertelfinale auf Nebenplatz zwei. Anstatt im Halbfinale auf dem Center Court zu spielen, steht in ihrer Statistik Platz fünf, wie schon beim Masters vergangene Woche in Freising. "Unser Ziel war es, in den beiden Turnieren genug Punkte zu sammeln, um an den bayerischen Meisterschaften teilnehmen zu können. Durch die fünften Plätze wird das aber nicht reichen", sagt Dollinger.

Seit 2017 bildet er mit Kulzer ein Duo, vorher hat er unter anderem mit dem Starnberger WM-Silbergewinner Clemens Wicker gespielt - 2015 waren die beiden deutscher Meister geworden. Eigentlich hätte Dollinger von 2014 an mit Olympiasieger Julius Brink spielen sollen, doch Brink beendete wegen anhaltender Verletzungsprobleme seine Karriere, der Masterplan zerschlug sich. Als dann auch der Weg mit Wickler zu Ende war - der Verband beschied ihnen, trotz ihres DM-Erfolges keine große gemeinsame Perspektive zu haben - und Dollinger mehr oder weniger aus dem Stützpunktsystem in Hamburg hinauskomplimentiert wurde, sagte er sich davon endgültig los - und fand in Kulzer einen Gleichgesinnten. "Das große Ziel in diesem Jahr bleibt weiterhin Timmendorfer Strand", sagt Dollinger. Für Kulzer wäre es die erste DM-Teilnahme seiner Karriere - und ein weiteres Etappenziel zu Olympia 2024 in Paris.

Das Duo hat sich inzwischen sein eigenes Trainerteam aufgebaut und einen Sportpsychologen und Physiotherapeuten an Bord - finanziert durch Sponsoren. "Wir befinden uns momentan auf einer Einbahnstraße. Wenn du dich vom Verband distanzierst, dann bist du nicht mehr im System drin und kommst da auch nicht mehr so schnell rein", weiß Kulzer: "Nur durch Sponsoring können wir unser Team nicht bezahlen, deswegen müssen alle nebenher noch arbeiten. Aber jeder brennt für das Projekt, ist mit Leidenschaft bei der Sache - nur so kann es funktionieren."

Momentan stehen sie auf Platz 15 in Deutschland - in der Weltrangliste sind sie 124.

Auch Trainerin Elena Kiesling, selbst noch Teil des sechstbesten Frauenduos im deutschen Beachvolleyball, ist am Sonntag leidenschaftlich dabei und motiviert ihre Jungs - Unterstützung, die sich die beiden bei internationalen Turnieren aus finanzieller Sicht nicht leisten können. Auf der World Tour reisen sie meist zu tieferklassigen Turnieren auf der ganzen Welt, weil dafür ihre Qualifikationspunkte genügen. Dabei coachen sie sich selbst, nehmen jedes Spiel auf Video auf. Wenn sie zurück sind, wertet Kiesling die Matches auch statistisch aus.

Ihre nächste Etappe ist es nun, sich auch auf den wirklich hochrangigen Turnieren der World Tour zu etablieren, nur so erhalten sie mehr Punkte für die Weltrangliste und auch für die Olympiaqualifikation. Momentan sind die beiden noch ein gutes Stück davon entfernt, auf Weltranglisten-Platz 124. Die volle Aufmerksamkeit gilt daher erst einmal den vier anstehenden Turnieren auf der deutschen Tour. Das Duo steht zurzeit auf Platz 15 der nationalen Rangliste, was für eine Teilnahme an der DM gerade noch reichen würde. "Die ersten drei Paare in Deutschland sind konstant, dahinter kann jeder jeden schlagen", sagt Kulzer selbstbewusst. "Die mentale Komponente macht dann den Unterschied - deswegen wäre für uns bei der DM auch alles möglich." Wenn sie ihre Lethargie und Trizepsprobleme bald überwinden.

© SZ vom 24.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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