American Football:Werfer im Wartestand

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„Es wird alles ein bisschen einrosten“, fürchtet Justin Sottilare. Die lange Corona-Pause könnte aber auch Vorteile haben, hofft der 30-Jährige. Er habe nun Zeit, das Playbook, den Katalog mit den Spielzügen, zu studieren. (Foto: Hafner/imaog)

Der Amerikaner Justin Sottilare bleibt Quarterback der Munich Cowboys. Der 30-Jährige geht in seine zweite Saison als Spielmacher der Münchner. Vielleicht darf er nächstes Jahr sogar tatsächlich mal spielen.

Von Christoph Leischwitz

Eigentlich soll man als Quarterback regelmäßig Bälle werfen, immer und immer wieder, um ein gewisses Maß an Genauigkeit nicht zu verlieren. Aber jetzt hat Justin Sottilare schon ein paar Wochen ohne Würfe zugebracht. "Es wird jetzt alles ein bisschen einrosten", fürchtet der 30-Jährige. Deshalb hofft der US-Amerikaner, so wie jeder andere Sportler auch, dass die Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie im neuen Jahr so bald wie möglich aufgehoben werden.

Eigentlich wäre Sottilare in der Saison 2020 Quarterback der Munich Cowboys gewesen. Als die Bundesliga pausierte und dann endgültig ihre Saison absagte, hätte er nach Finnland gehen können, dort wurde gespielt. Doch Sottilare blieb in München, eben weil er hier trotz allem die Möglichkeit bekommen hatte, nicht einzurosten. Bis Ende Oktober trainierten die Cowboys durch, und, obwohl es keine Aussicht auf Pflichtspiele gab, oft mit einer ungewöhnlich hohen Beteiligung von mehr als 80 Mann. "Die Tatsache, dass wir so leistungsorientiert trainiert haben, hat mich dann auch mit bewogen, hier zu bleiben", sagt er. Vergangene Woche nun gaben die Cowboys bekannt, dass Sottilare sie im kommenden Jahr "wieder aufs Feld führen" werde, wobei das mit dem "wieder" natürlich nicht ganz richtig ist.

Jetzt also bleibt er, obwohl er hätte gehen können. Ausgerechnet in der Coronazeit endet Sottilares Leben als Vagabund, das er zuvor mit Stationen in Finnland und Spanien geführt hatte. Der Fan der Miami Dolphins sieht in einigen Bereichen auch Vorteile in der langen Pause. Nun hat er genug Zeit, das Münchner Playbook, den Katalog der Spielzüge, in- und auswendig zu lernen. Zurzeit trägt er sogar seine eigenen Ideen bei, diesen Katalog zu erweitern. Kombiniert mit dem Umstand, dass er durch das viele Training die Laufwege seiner Passempfänger sehr genau kennt, könnte dies den Cowboys etwas mehr offensive Stabilität bescheren, die in den vergangenen Jahren oft fehlte.

Während der Spielbetrieb ruhte, hat sich überhaupt erstaunlich wenig verändert bei den Cowboys, und wenn, dann fast nur zum Guten. Der Kader ist noch weitgehend derselbe wie zuvor, zu hören ist auch, dass die alten Recken, die schon seit Jahrzehnten ihre Knochen in der German Football League (GFL) hinhalten, es kommende Saison noch einmal versuchen wollen. Den US-Amerikanern AJ Smith, Abwehrspieler, und RJ Long, Passempfänger, die im Frühjahr in München wohnten und später wieder in die USA flogen, wurden erneut Angebote unterbreitet. Von Zweitliga-Absteiger Kirchdorf wechselten ein paar Spieler nach München. Und in Brandon Watkins bekommt das Bundesligateam sogar noch mitten im Winter recht namhafte Verstärkung: Watkins spielte die vergangenen drei Jahre als Quarterback für den Lokalrivalen München Rangers. Er dürfte aber mehr sein als nur ein Back-up für Sottilare. Dank seiner athletischen Fähigkeiten ist er auch als Ballträger und Passempfänger einsetzbar.

Das Wann und Wie der kommenden Saison ist allerdings offen. Angedacht ist momentan eine verkürzte Saison, die erst im Juni statt im April beginnt, mit zehn statt 14 Spielen. Doch während es bei den Cowboys recht ruhig zuging, haben sich in der Corona-Pause bundesweit gleich mehrere Gräben aufgetan bei der Frage, wie American Football in Deutschland organisiert werden soll. Die Cowboys gehören zu einer Gruppe aus mehreren Traditionsteams, die ein neues Ligadirektorium gründen wollen: Wirtschaftlich besser aufgestellt soll die GFL sein, das Fernziel ist, eines Tages einen großen Ligasponsor zu finden. Welche Teams letztlich in der kommenden Saison in der GFL spielen werden, wird auch dadurch beeinflusst werden, wie viele Vereine sich der neu gegründeten European League of Football (ELF) noch anschließen.

Eigentlich hatte Justin Sottilare schon 2019 vorgehabt, für die Cowboys zu spielen, damals kam aber der Transfer nicht zustande. Der Spielmacher aus Maryland führt dann die Straubing Spiders in der zweiten Liga auf einen Spitzenplatz. Jetzt hofft er, dass das Training so bald wie möglich wieder beginnt, um im Winter, quasi als Rostschutzmittel, nicht noch Pässe im Englischen Garten werfen zu müssen. Wenn dann irgendwann im Sommer endlich der erste Kick-off erfolgt, wird der Cowboy Sottilare rund zwei Jahre auf diesen Moment gewartet haben. Ein besonderer Moment also? "Ja, absolut", sagt er. Aber das gelte ja für jeden Footballspieler in Deutschland.

© SZ vom 01.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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