American Football:Vorliebe für Außenseiter

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Warten auf Einsätze: Vor Zuschauern, wie hier zu seiner Zeit bei den Allgäu Comets, wird Justin Sottilare für die Munich Cowboys vorerst nicht spielen. (Foto: Nordphoto/imago)

Justin Sottilare ist der neue Quarterback der Munich Cowboys. Der US-Amerikaner hat viele Stationen in Europa hinter sich. Sein Klub sieht das als Vorteil.

Von Christoph Leischwitz, München

Justin Sottilare erscheint mit einer Pudelmütze der Miami Dolphins auf dem Trainingsplatz an der Görzer Straße, und wer das Winter-Merchandise einer Mannschaft aus Florida trägt, der wird es wohl ernst meinen. "Ich bin Dolphins-Fan, seit ich zwei Jahre alt bin", sagt der 29-Jährige aus der Nähe von Washington D.C. Er hatte sich als Kleinkind schnell festgelegt, weil er das Logo der Dolphins einfach am schönsten fand. Gar nicht festgelegt ist er bislang bezüglich seiner eigenen Karriere als Footballer: Der Quarterback spielt seit 2014 in Europa, in Finnland, auch mal kurz in Spanien, jedes Jahr woanders. Und trotzdem könnte es sein, dass ausgerechnet er beim Football-Bundesligisten Munich Cowboys auf der Position des Spielmachers mal ein wenig Beständigkeit ins Spiel bringt. Zumindest würden sich alle Beteiligten freuen, wenn das Engagement länger dauert als nur eine Saison.

Nun ist er zumindest schon einmal früher angekommen als seine Vorgänger. Das richtige Mannschaftstraining beginnt erst im Februar, die Saison Anfang Mai, Sottilare ist aber schon am vergangenen Wochenende bei seiner deutschen Freundin eingezogen. Schon im vergangenen Jahr wollten die Cowboys ihn verpflichten, zur Not auch als Backup für den meist grandios spielenden Brady Bolles, der für die Saison 2020 abgesagt hat. Doch zweite Wahl ist Sottilare deshalb nicht: "Er ist hochintelligent und ein Football-Nerd", sagt Trainer Garren Holley. Irgendwo ja auch dank seiner Freundin sei ihnen Justin nun "in den Schoß gefallen, und wir wären dumm, wenn wir ihn nicht behalten würden".

Vor drei Jahren versuchte der Nerd am Schreibtisch, sein eigenes Offensivspiel zu entwickeln. "Seitdem weiß ich, dass ich nicht so viel über das Spiel weiß, wie ich dachte", erzählt er lachend. Aber auf einem europäischen Football-Rasen ist es natürlich trotzdem so, als würde da ein Brockhaus neben zehn Mini-Wörterbüchern stehen. Für die Cowboys bringt Sottilare vor allem zwei große Vorteile mit. Erstens: Er hat schon in verschiedenen Spielsystemen agiert und gilt als sehr flexibel. So gehörte er vor zwei Jahren beim Liga-Konkurrenten Allgäu Comets einer Offensive an, die schon bald als "Flying Circus" bezeichnet wurde: Ausschließlich Passspiele durch die Luft, alle vierten Versuche wurden riskanterweise ausgespielt, anstatt den Ball per Punt dem Gegner zu überlassen. Doch Sottilare wirkt schon fast ein wenig altersweise, wenn er nun sagt: "Das Passen ist mir gar nicht so wichtig, die Hauptsache ist immer, erste Versuche zu bekommen." Und wenn das per Laufspiel klappe, sei ihm das auch recht.

Zweitens: Er kennt im Gegensatz zu fast allen seinen Vorgängern die German Football League (GFL) bereits. Er weiß im Wortsinn, was auf ihn zukommt. Weil in den USA der Trainerstab eines Teams viel größer sei, wisse jeder immer ganz genau, was er zu tun habe - in Europa gebe es da noch Lücken. Und auch, wenn er es nicht anspricht, so meint er auch: ein großes Qualitätsgefälle innerhalb einer Mannschaft. Bei den Cowboys bedeutete das zuletzt: Lücken in der Offense Line, die den Quarterback eigentlich beschützen soll. Für US-Zugereiste mündete das oft in einer Mischung aus Frust und Kulturschock. Darüber hinaus kennt Sottilare viele seiner künftigen Gegenspieler persönlich. Vergangenes Jahr spielte er für den Zweitligisten Straubing Spiders. Sie hatten ein Freundschaftsspiel gegen sein altes Team, die Comets. Einmal lief er mit dem Ball auf einen guten Freund zu. Beide wussten, was der jeweils andere vorhat. Gerade, dass sie nicht schon vor Ende des Spielzuges anfingen zu lachen.

Womöglich bringt der Mann von der Ostküste noch eine dritte wichtige Eigenschaft mit, die den Cowboys im Jahr 2020 besonders am Herzen liegt: gute Laune. "Ich habe von keinem seiner ehemaligen Trainer ein negatives Wort gehört", sagt Chefcoach Holley über den stets freundlichen Spielmacher. Im vergangenen Jahr sei die Lage gegen Ende der Saison "katastrophal" gewesen, gibt Holley unumwunden zu. Die Tiefe im Kader habe gefehlt, weil die zweite Mannschaft meistens ihr eigenes Ding gemacht hat. Nun ziehe man wieder an einem Strang, die Cowboys I und die Cowboys II werden jetzt wieder zusammen trainieren, und es gibt ein großes Trainerteam. Hinter den Kulissen hat sich auch einiges geändert. Einige von denen, die als Anpacker gelten, haben jetzt auch mehr zu sagen. Neben dem Präsidenten Werner Maier sind das zum Beispiel die Co-Trainerin Nadine Nurasyid, die jetzt auch als Vizepräsidentin fungiert. Neuer Geschäftsführer ist Christian Schuster, einer der alten Cowboys, die in den frühen 1990er Jahren auf dem Feld standen. Und selbst, wenn es auch 2020 nicht für einen Spitzenplatz reichen sollte, so soll vor allem der Zusammenhalt wieder im Mittelpunkt stehen. Auch dafür ist Sottilare wahrscheinlich gut geeignet: Er ist die Underdog-Rolle gewöhnt. Von seinen ehemaligen Teams genauso wie als Dolphins-Fan.

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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