American Football:Kotzende Pferde

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Irgendwas kommt immer dazwischen: Hier wird der Münchner Luke Klima von einem Gegenspieler zu Fall gebracht. (Foto: Claus Schunk)

Nach zehn Niederlagen in Serie hält nicht mehr viel die Hoffnung des Zweitligisten München Rangers auf den Klassenerhalt am Leben. Eigentlich nur, dass die Saison noch nicht zu Ende ist

Von Christoph Leischwitz, München

Michael Arzberger hat immer noch Hoffnung. Das Restprogramm des Football-Zweitligisten München Rangers sieht tatsächlich machbar aus, jenes der unmittelbaren Gegner deutlich weniger; außerdem hat man in Giorgio Bryant nun kurzfristig einen Quarterback gefunden, mit dem der eine oder andere Touchdown gelingt; vor gut einem Monat wechselte der US-Amerikaner von Warschau nach München. Andererseits: Bei den Rangers hat zuletzt oft das Personal gewechselt, und nichts hat geholfen. In zwei Jahren Zweitliga-Zughörigkeit hat man genau ein Spiel gewonnen und 23 verloren. Und nur mit vier Siegen am Stück, sagt Vorstandsmitglied Arzberger, ist man höchstwahrscheinlich dem Abstieg entronnen.

Sein Antrieb ist einzig und allein die Hoffnung. "Man hat ja schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen", sagt er. Beachtlich ist an dieser Hoffnung allerdings, dass Arzberger sie eigentlich gar nicht mehr bemühen wollte. In der vergangenen Saison waren die Rangers nur deshalb in der Liga verblieben, weil zwei andere Teams zurückgezogen hatten. Kurz vor dem Start in diese Saison hatte Arzberger dann gesagt: "Wenn wir diesmal Siebter oder Achter werden, wird uns so schnell niemand mehr in der zweiten Bundesliga sehen." Jetzt sagt der Vorstand: Wenn die Rangers es sportlich schaffen, bleiben sie wohl auch drin. Sicher sei nur, dass man einen erneuten Klassenerhalt am Grünen Tisch ablehnen werde.

Die Chancen, dass die Rangers ein drittes Jahr in der zweithöchsten deutschen Klasse spielen, sind bei null Siegen und zehn Niederlagen verschwindend gering. Am Wochenende verloren sie 12:42 gegen Nürnberg. Sollten sie es trotzdem noch schaffen, stellt sich die Frage, ob der Kader gut genug ist. Arzberger ist nicht allzu gut auf die Munich Cowboys zu sprechen, weil im vergangenen Jahr eine zweistellige Zahl an Rangers-Spielern zum Stadtrivalen wechselte. Mit diesen, glaubt Arzberger, wäre der Klassenerhalt gelungen. So aber "hat der Münchner Football durch diese Verschiebungen einen Rückschritt" erfahren, wie Arzberger es nennt - denn geholfen haben die Zugänge auch den Cowboys kaum. Auch sie spielen in der ersten Liga gegen den Abstieg, wenngleich sie lange nicht so gefährdet sind wie die Rangers.

Doch die größten Fehler sind hausgemacht. Mit der Verpflichtung von US-Amerikanern, sowohl auf der Trainer- als auch auf Schlüsselspieler-Positionen, hat man viel Pech gehabt. Wie im vorigen Jahr verließ Headcoach Val Gunn das Team vorzeitig - im Guten, heißt es. Der Football-Trainer ist zugleich Autor von Krimi- und Fantasyromanen und habe nun von einem "renommierten Verlag" das Angebot bekommen, seine Schriftsteller-Karriere zu forcieren. Das war offenkundig spannender als die Chance, nach sieben Niederlagen mit den Rangers noch den Klassenerhalt zu schaffen. Abwehr-Spezialist Julien Sasset-Roche ist auch diesmal wieder als Interims-Cheftrainer eingesprungen.

Ein Spieler, den Gunn holte, ist immer noch da: Spielmacher Gabriel Fleming. "Er hat sich quasi aus ganz Amerika einen Quarterback aussuchen dürfen. Und schon im Winter hat er Fleming zum Quarterback gemacht", erzählt Arzberger. Mit anderen Worten: Gunn hatte freie Hand, volles Vertrauen und offensichtlich auch finanziellen Spielraum. Am Anfang bemerkte Arzberger, dass Fleming offensichtlich Startschwierigkeiten hatte. Ein fallen gelassener Ball hier, ein schlechter Pass dort. Oft starteten die Rangers bei einem zweiten Versuch weiter hinten als beim ersten. Irgendwann dämmerte es Arzberger, dass Fleming keine Startschwierigkeiten hat, sondern ein anderes Problem. "Er ist gar kein Quarterback", sagt er heute, noch immer mit Erstaunen in der Stimme. Auf einschlägigen Webseiten ist nachzulesen, dass der 29-Jährige tatsächlich kein Spielmacher ist - er hat in seiner Schulzeit nur kurz auf der Position gespielt. Hat Gunn also etwas in Fleming gesehen, das dieser nicht hatte? "Wir haben nachgefragt, aber da kommt keine Antwort mehr", sagt Arzberger. In den ersten Wochen habe Fleming nie gelächelt, er habe ihm gesagt, der Trainer habe ihn eben so aufgestellt. "Jetzt lächelt er wieder", sagt Arzberger. Fleming spielt auf seiner gelernten Position in der Abwehr und hilft als Runningback aus.

Die Aufbruchstimmung aus dem Frühjahr ist dahin, als man glaubte, ein schlagkräftiges Team beisammen und aus den Fehlern gelernt zu haben. Jetzt sagt Arzberger: "Wir haben schon wieder zu spät reagiert." Wobei ja mit vier Siegen noch alles möglich sei. Am kommenden Samstag treten die Rangers beim Vorletzten Franken Knights an. Das macht Hoffnung. Wobei: Am letzten Spieltag heißt der Gegner Kirchdorf. Jene Mannschaft also, gegen die die Rangers zum Zweitliga-Auftakt sang- und klanglos 0:43 verloren haben.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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