American Football:Frisch renoviert

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"Mein verlängerter Arm auf dem Feld", sagt Trainer Garren Holley über Verteidiger Ryan Newell - der Cowboy mit den langen Haaren wird in Bayern allmählich sesshaft. (Foto: imago)

Ende 2016 standen die Munich Cowboys vor dem Kollaps. Nun gehen sie mit neuem Cheftrainer, Kader und Trainingsgelände in eine Saison, die alles möglich erscheinen lässt - von den Playoffs bis zum letzten Platz.

Von Christoph Leischwitz, München

Beinahe wäre es Ende 2016 zum Zusammenbruch gekommen. Viele wichtige Spieler hatten die Munich Cowboys verlassen, der Cheftrainer des Football-Bundesligisten, Kevin Herron, war nach nur einem Jahr zurückgetreten. Präsident Werner Maier spricht von einem "moralischen Tiefpunkt", an dem der Traditionsverein damals angelangt sei. Nach einigen zwischenmenschlichen Schwelbränden hat auch er lange überlegt, ob er überhaupt weitermachen soll. Dann haute Maier auf den Tisch, machte weiter. Und aus dem befürchteten Kollaps wurde ein Umbruch, der Möglichkeiten eröffnet.

Schon das Vorspiel hat es in sich: Nach 25 Jahren treffen Cowboys und Rangers erstmals aufeinander

Am kommenden Samstag wühlen die runderneuerten Cowboys zum ersten Mal wieder den Rasen des Dantestadions auf. Anlass ist zwar nur ein Testspiel, aber immerhin ist es auch ein Derby: Zum ersten Mal seit 25 Jahren treten die Cowboys gegen ihren Stadtrivalen München Rangers an (Beginn 16 Uhr). Bei aller Freundschaft: "Ich will da so dominieren, dass es keine Diskussionen gibt", sagte Cowboys-Spieler Markus Gärtner am Montag bei München.tv. Für Rivalität ist gesorgt, obwohl die Rangers nach ihrem Abstieg nur noch Drittligist sind. Gärtner etwa hatte 2015 kurzzeitig die Seiten gewechselt, der aktuelle Rangers-Headcoach Dan Billadeau ist ehemaliger Cowboys-Trainer. Die Münchner Football-Szene ist ein überschaubares Biotop. Doch letztlich geht es darum, möglichst viele Zuschauer anzulocken, egal, ob mit orangefarbenem oder gelbem Trikot. Und darum, noch ein paar Dinge auf dem Rasen auszuprobieren, bevor die Saison startet.

Die Cowboys empfangen am 22. April die Saarland Hurricanes, die Rangers müssen am 29. April zuerst auswärts in Landsberg ran. Neben vielen neuen Spielern gibt es bei den Cowboys aber auch zahlreiche Rückkehrer. Cheftrainer Garren Holley war von 2013 bis 2014 verantwortlich für die damals recht erfolgreiche Cowboys-Abwehr. Er versichert, lange in München bleiben zu wollen. In den vergangenen Jahren wurden sportliche Entwicklungen des Teams durch Weggänge und Rücktritte immer wieder im Keim erstickt. Verteidiger Ryan Newell - "mein verlängerter Arm auf dem Feld", sagt Holley - wird als Cowboy allmählich sesshaft, er hat seinen Lebensmittelpunkt endgültig nach Bayern verlegt. Und Fabien Gärtner, der Bruder von Markus Gärtner, ist nach einem Jahr mit dem österreichischen Meister Innsbruck nicht nur wieder Münchner Stamm-Runningback, sondern mittlerweile auch Vorstandsmitglied im Bereich Marketing.

Auf den Schlüsselpositionen finden sich mehr US-Amerikaner. Der Sponsor macht's möglich

Jahrelang hatten sich die Verantwortlichen der Cowboys immer wieder aufs Neue entscheiden müssen, in welche Baustellen sie mehr Energie stecken: die logistischen oder die finanziellen. Doch im vergangenen Winter haben sich plötzlich mehrere Probleme in Luft aufgelöst: Die Stadt hat den Cowboys einen neuen Trainingsplatz bewilligt. An der Görzerstraße gibt es nun einen Kunstrasenplatz mit Football-Markierungen, schon bald sollen dort alle Mannschaften des Vereins trainieren können. Das ist wichtig, um Spieler halten und neue hinzugewinnen zu können. Es wird außerdem dem aktuellen Trend gerecht: Unter Jugendlichen boomt Football, bundesweit. Es gibt wenige Sportarten, die prozentual gerade mehr Zulauf haben - eine davon ist übrigens Rugby.

Im Januar haben die Cowboys zudem einen neuen Hauptsponsor gefunden, das Münchner Werksviertel, das den Verein sogar in größerem Umfang unterstützt, als der Vorgänger auf demselben Areal es getan hat, die Kultfabrik.

Somit kann der Verein erstmals seit Langem sein Fundament erweitern, die Förderung junger deutscher Spieler intensivieren, ohne an der ersten Mannschaft sparen zu müssen. So wurden heuer wieder mehr US-Amerikaner für Schlüsselpositionen verpflichtet als zuletzt. Dazu gehören Quarterback Benjamin Wilkerson und neben Ryan Newell zwei weitere Abwehrspieler, Lineman Randall Jackson-Clemons und Rückraumspieler Jeremiah Maluia aus Kalifornien.

Was noch vor einem halben Jahr niemand gedacht hätte: Der Kader der Cowboys ist auf dem Papier stärker als noch vor einem Jahr. Trotzdem könnte die kuriose Situation entstehen, dass sich das Team schwerer tun wird als in der Vorsaison. "Fast alle Mannschaften haben zugelegt", sagt Maier, es gibt keinen echten Außenseiter mehr, so dass alles von der Playoff-Teilnahme bis zum letzten Platz in der Südstaffel möglich erscheint. Die Liga könnte spannend werden wie lange nicht mehr. Aber auch insofern kam der Umbruch bei den Cowboys zur rechten Zeit: Dank des Hauptsponsors und einiger weiterer neuer Partner würden es sich die Cowboys diesmal vielleicht sogar leisten, personell nachzulegen, wenn es nicht nach Wunsch läuft.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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