American Football:An der Schmerzgrenze

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Er verbreitete nur einen Sommer lang Aufbruchstimmung: Kevin Herron erklärte am Samstag seinen Rücktritt als Cowboys-Chefcoach - und versetzte den Klub damit in Unruhe. (Foto: Claus Schunk)

Munich Cowboys leiden an Nachwehen des frühen Saisonendes

Von Christoph Leischwitz, München

Eigentlich wollte sich Werner Maier verstärkt um ein paar andere Dinge kümmern, Privatleben und Beruf zum Beispiel, und jetzt wäre die beste Zeit des Jahres dafür: Die Saison der Munich Cowboys ist beendet, der Football-Bundesligist hat die Spielzeit auf Platz sechs beendet. Das bedeutet: weder Playoffs noch Relegation. Trotzdem hat der Präsident wieder viel zu tun, viel mehr als erwartet. Denn am Samstag, unmittelbar nach dem letzten Ligaspiel bei den Marburg Mercenaries (43:26 für die Cowboys), gab Chefcoach Kevin Herron dem Team seinen Rücktritt bekannt. Für Maier bedeutet das nicht nur, dass er für die Saison 2017 einen Nachfolger für Herron finden muss, die Konsequenzen sind sehr viel weitreichender.

Herron war vor knapp einem Jahr zu den Cowboys gekommen. Der 36-jährige Münchner wurde damals gefeiert wie ein verlorener Sohn, der heimkehrt - und obendrein auch noch viele seiner Freunde mitbringt. Dieses große, neue Team hatte sich das Ziel gesetzt, die Cowboys innerhalb von drei Jahren wieder zu einem deutschen Spitzenteam zu machen. Jetzt ist nicht nur Herron nach nur einem Jahr wieder weg, sondern mit ihm der gesamte Trainerstab. Darunter auch Frank Roser, verantwortlich für die Offensive, der kurz darüber nachgedacht hatte, Herrons Nachfolger zu werden.

"Ich bin natürlich enttäuscht", sagt Maier, man habe ja viel langfristiger geplant. Zur Begründung hatte Herron, der am Montag nicht zu erreichen war, familiäre Gründe angegeben. Er arbeitet in München, er lebt mit seiner Familie in Innsbruck, und wegen der Cowboys kam Herron eben nicht mit dem Feierabend-Zug nach Hause, sondern erst tief in der Nacht. Und an den Wochenenden war er auch nie da.

Andererseits: Hatten Herron und sein Trainerstab nicht gewusst, was auf sie zukommt? Offensiv-Coach Roser gibt zu, einiges unterschätzt zu haben. Zum Beispiel die Tatsache, wie sehr in einem noch so großen Pool an Talenten die Leistungsträger fehlen. "Du brauchst eben auch die Spieler, die den Unterschied machen", sagt er, und meint damit vor allem US-Amerikaner, die Geld kosten. Der 32-Jährige schwankt zwischen "Schade, dass es so gekommen ist" und: "Andere Vereine bekommen mehr in Bewegung." So ist die Trainingssituation seit Jahren unbefriedigend, die Cowboys leben ein wenig wie Sport-Nomaden. Jetzt hat die Stadt München ihnen einen Kunstrasen-Trainingsplatz in Aussicht gestellt. Doch Roser sagt, er wolle nicht mehr warten. Er könnte in der kommenden Saison Cheftrainer im spanischen Valencia werden. Es kursiert aber auch das Gerücht, dass er nur darauf wartet, ob Zweitligist Ingolstadt Dukes in die erste Liga aufsteigt; das Playoff-Hinspiel steht am Wochenende an. Roser dementiert das Gerücht nicht. Die Dukes haben in den vergangenen Jahren mehrere gute Spieler der Cowboys abgeworben, jetzt folgen womöglich auch noch Trainer. Dann besteht immer die Gefahr, dass diese wiederum weitere Spieler mitnehmen.

Ein Jahr nach der Aufbruchsstimmung droht bei den Cowboys der große Abschiedsschmerz. Womöglich wird Maier auch deshalb grundsätzlicher als sonst. Über möglicherweise scheidende Spieler sagt er etwas sarkastisch, es sei für viele "eine Ehre", abgeworben zu werden, "das steigert das Selbstwertgefühl". Und dann sagt er auch noch, dass er nun seit zehn Jahren Präsident sei und womöglich "eine Schmerzgrenze" erreicht sei: "Ich überdenke meine Position." Statt der von ihm erhofften Beständigkeit sei nun "sehr viel Unruhe" im Verein, nicht nur im sportlichen Bereich. "Wenn es Leute gibt, die sagen, sie können es besser, dann stehe ich nicht im Weg", sagt Maier. Im Herbst will er sich entscheiden, ob er zurücktritt. Bis dahin wird er versuchen das zu tun, was die Mannschaft am besten zusammenhält: so schnell wie möglich einen neuen Cheftrainer finden.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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