3. Liga:Null Anpassungsprobleme

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Gleiche Höhe: Sercan Sararer, links im Laufduell gegen Chris Richards vom FC Bayern II, erzielte das erste Tor in der 3. Liga für Türkgücü München. Am Ende reichte es für den Aufsteiger zum ersten Punkt im Profifußball. (Foto: Eibner/imago)

Achtungserfolg für Türkgücü: Der Aufsteiger trotzt Meister Bayern II beim Debüt im Profifußball ein 2:2 ab. Zum Sieg fehlt nicht viel.

Von Christoph Leischwitz

Erst eine Stunde nach dem Schlusspfiff verließ der schwarze Mannschaftsbus von Türkgücü München den Parkplatz unter der Haupttribüne. Die Gastgeber vom FC Bayern warteten da schon ein wenig ungeduldig, sie hätten gerne Feierabend gemacht. Doch wer so ganz neu ist im Profifußball, der muss sich erst noch an einige Abläufe gewöhnen. Selbst das Grünwalder Stadion ist dem neuen Drittligisten noch weitgehend fremd, obwohl es ja nun seine Zwei-Drittel-Heimat ist, zwölf Heimspiele darf der Verein aus dem Münchner Osten dort austragen. Es ist auch egal, wie lange die Spieler nun geduscht haben; egal, wie bedeutungsvoll aufgeladen dieser Moment nun war, in dem der erste von Migranten gegründete Fußballverein Einzug hielt ins Profigeschäft; egal, wie viele Schlagzeilen der Klub abseits des Platzes schon produziert hat in diesem Jahr: Auf dem Platz war die Mannschaft sehr schnell in der dritten Liga angekommen. "Ich glaube, das war hochverdient für uns", sagte Trainer Alexander Schmidt über das 2:2 im Debüt-Derby gegen den FC Bayern München II. Das klang schon fast bescheiden. Die jungen Bayern, immerhin Meister der vergangenen Saison, hätten sich über eine Niederlage nicht beschweren können.

Von zahlreichen Akteuren durfte man aber auch erwarten, dass sie einen schnellen Zugang finden würden, immerhin hat Türkgücü schon wieder 20 neue Spieler verpflichtet, darunter einige namhafte. Die Ausrufezeichen setzten zunächst aber die wenigen Akteure, die schon vor dem Lockdown dem Kader angehörten und mitspielen durften. Benedikt Kirsch zum Beispiel, der den ersten Torschuss Türkgücüs im Profifußball abgab (1.), und dem beinahe auch der Führungstreffer gelungen wäre, als er Nicolas Feldhahn den Ball abnahm, aber aus spitzem Winkel nur den Innenpfosten traf (10.). Feldhahn übrigens, der Bayern-Kapitän, hatte vor dem Spiel gesagt, man wolle Türkgücü zeigen, "wie man in der dritten Liga Fußball spielt".

Allen voran aber war es aber der ehemalige Bundesligaprofi Sercan Sararer. Der erzielte unmittelbar nach Kirschs Innenpfostenschuss nicht nur das erste Tor für Türkgücü im Profifußball, er war auch sonst der mit Abstand auffälligste Spieler auf dem Platz, der eigentlich voll war mit Erfahrung aus höheren Ligen.

Sararer genoss im Offensivspiel viele Freiheiten und fand schon bald die Schwäche im Spiel der Bayern: Bright Arrey-Mbi ist eigentlich gelernter Innenverteidiger, spielte diesmal aber links hinten. Vor allem aber ist er erst 17 Jahre alt - und geriet im Kampf mit Sararer regelmäßig in brenzlige Situationen. "Ich glaube, das Problem, das er hatte, und er war nicht der Einzige - das hatte nichts mit der Position zu tun", analysierte Trainer Holger Seitz. Sondern mit mangelnder Erfahrung. "Die ersten Momente in dieser Liga - das ist was anderes. Diese Liga tut den jungen Spielern gut, da können sie sich weiterentwickeln." Deshalb spielten auch Jamal Musiala und Joshua Zirkzee von Anfang an, obwohl sie am Freitag gegen Schalke eingewechselt worden waren. Die jungen Bayern sind Türkgücüs Vorgänger als Aufsteiger. Doch noch extremer als im ersten Jahr wollen sie am Campus jetzt ihre jungen Spieler ins kalte Wasser werfen. Mbi, der trotz latenter Überforderung am Samstag zu Ende spielen durfte, muss aber wohl nicht mehr oft auf der Seite aushelfen: Am Montag, so war zu hören, werde wohl noch ein zusätzlicher Außenverteidiger verpflichtet.

Bei den Bayern gelang einem Rückkehrer der etwas überraschende Ausgleich: Adrian Fein kam in der 23. Minute frei zum Schuss und düpierte Türkgücüs neuen Torwart René Vollath mit einem Schuss durch die Beine. Seitz fand dann aber die Führung durch Timo Kern in der 72. Minute selbst auch "ein wenig glücklich" (die Vorlage Zirkzees war übrigens dessen einziger Lichtblick in diesem Spiel), doch der Bayern-Coach konnte sich zumindest darüber freuen, Kern genau rechtzeitig eingewechselt zu haben. Auch der verdiente 2:2-Ausgleich fiel durch einen dienstälteren Spieler: Marco Holz traf nach Zuspiel von Sararer, nach ein paar Sekunden auf dem Platz - und blickte beim Jubel sofort leicht provokant in Richtung Bank oder Haupttribüne (81.). Etwas überraschend hatte der Routinier nicht in der Startelf gestanden. "Er hat die richtige Reaktion gezeigt", befand Trainer Schmidt trocken.

Als Sararer, 30, in der Schlussphase abbaute, wurde deutlich, dass ihm die Kraft fehlt - und zugleich, wie sehr die Mannschaft zumindest am ersten Spieltag von ihm abhängig war. Bayern-Trainer Seitz nahm den Start gelassen: "Wir haben viel Bewegung im Kader, aber wir nehmen das in Kauf." Seine Spieler haben zum Auftakt viel gelernt. Und nicht einmal verloren.

© SZ vom 21.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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