3. Liga:Leid und Leidenschaft

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Unaufhaltsam: Hachings Jannis Turtschan versucht hier Aygün Yildirim, Verls Torschützen zum 2:1, mit einer Grätsche zu bremsen. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Die SpVgg Unterhaching zeigt gegen den SC Verl durchaus ihren Siegeswillen - begeht aber auch viele kleine Fehler. Am Ende wirkt der Aufsteiger einmal mehr cleverer.

Von Christoph Leischwitz, Verl/Unterhaching

Die Pressekonferenz hatte noch nicht offiziell begonnen, doch die Mikrofone waren schon offen. So war zu hören, wie Verls Trainer Guerino Capretti und Arie van Lent Smalltalk betrieben. "Da mache ich drei Kreuze, wenn das vorbei ist", sagte Capretti. "Ja, das ist gut, das ist immer unnötig Stress", antwortete der Niederländer in Diensten der SpVgg Unterhaching, während er gerade am Ärmel seiner Trainingsjacke zupfte. Vermutlich ging es in der Konversation um die Ausbildung zum Fußballlehrer, die Capretti gerade parallel absolviert, zusätzlich zu einer überaus erfolgreichen Saison des Aufsteigers, der soeben 2:1 gewonnen hatte. Wäre es um den Tabellenstand der beiden Teams gegangen, so hätten sie in dieser Konversation die Rollen tauschen müssen.

Schon wieder hatte der SC Verl das Spiel gedreht. Wie schon beim Hinspiel in Unterhaching. Wie auch am vergangenen Mittwoch beim FC Bayern München II. Die Ostwestfalen, das lässt sich nun, durch viele Argumente gestützt, konstatieren, sind einfach cleverer als Unterhaching. Und es ist diese fehlende Cleverness, deretwegen die Vorstädter im Abstiegskampf wieder auf der Stelle treten. Nach dem ersten Sieg des Kalenderjahres gegen den Halleschen FC (3:0) war zwar auch diesmal wieder einmal viel Bemühen zu erkennen, gewachsenes Selbstvertrauen allerdings nicht, geschweige denn eine weitere Leistungssteigerung.

Verl spürte, dass sich Haching ungerecht behandelt fühlte: "Diese Phase haben wir genutzt."

Die offiziellen Aussagen der Trainer belegten dann, wie die beiden Mannschaften mit vergleichbaren Situationen umgehen. Die Verler nahmen es durchaus gelassen hin, dass früh ein zweifelhafter Elfmeter gegen sie gepfiffen wurde - Hachings Luca Marseiler hatte wohl einen Kontakt gespürt und kam authentisch zu Fall - Dominik Stroh-Engel verwandelte sicher (12.). In der 38. Spielminute bekam dann wiederum Verl einen Foulelfmeter zugesprochen. Ebenso fragwürdig, denn Christoph Greger hatte den Ball gespielt, ehe er den Fuß von Philipp Sander traf. Zlatko Janjic glich mit einem platzierten Schuss zum 1:1 aus, Hachings Torwart Jo Coppens hatte die Ecke geahnt (38.). "Ich habe danach zum Schiedsrichter gesagt: Herzlichen Glückwunsch, Sie haben meiner Mannschaft die Energie geraubt", so ärgerte sich van Lent später über diese Szene. Sein Kollege Capretti merkte dann wie beiläufig an: Dass sich die Hachinger ungerecht behandelt fühlten, das habe man gespürt, und: "Wir haben die Phase ausgenutzt." Zwei Minuten nach dem Ausgleich war das Spiel gedreht: Marseiler verlor den Ball bei einem Dribbling in Richtung des eigenen Tores. Dank schnellem Umschaltspiel landete der Ball bei Aygün Yildirim, einem der gefährlichsten Angreifer der Liga. Er schob den Ball dem herausstürzenden Coppens durch die Beine ins Tor (40.). Marseiler haderte sogar noch mit dem Schicksal, als er in der 66. Minute ausgewechselt wurde. Da trat er mit dem Fuß gegen die Bande und blieb dort auch noch eine Weile stehen, ehe er auf der anderen Seite zur Bank trottete.

Zum Herz- und Hosezerreißen: Hachings Alexander Fuchs ist von der Niederlage gegen Verl offensichtlich schwer getroffen. (Foto: Nico Paetzel/Imago)

"Pure Leidenschaft" habe van Lent in der zweiten Halbzeit von seiner Mannschaft gesehen. Allerdings bekommen die Hachinger im Abstiegskampf viel zu oft ihre Angriffe nicht zu Ende gespielt. Selbst im Spielaufbau kommt es immer wieder zu vermeidbaren Schlampigkeiten. So hätte Greger beispielsweise den Elfmeter alleine dadurch verhindern können, dass er sich den Ball selbst nicht zu weit vorlegt. Eine ähnliche Szene erlebte in der zweiten Halbzeit Keeper Coppens, als er in Rücklage einen Ball wegschlagen musste und Justin Eilers am Fuß traf - auch wenn Eilers in diesem Fall für seine Schmerzensschreie keinen Elfmeter erhielt.

Im Spiel nach vorne ein ähnliches Bild: Pässe in den Rücken des Mitspielers, Flanken, die im gegenüberliegenden Seitenaus landen, bei Flanken wie auch im Torabschluss fehlt regelmäßig die Präzision. Auch Routinier Stephan Hain, ein potenzieller Hoffnungsträger im Angriff, konnte nach seiner Einwechslung nichts am Gesamteindruck ändern. Gegen Ende wäre den Hachingern beinahe trotzdem noch der Ausgleich gelungen. Ein verdeckter Schuss von Markus Schwabl wurde gerade noch zur Ecke gerettet (89.). Hain rutschte knapp an einer flachen Hereingabe von Moritz Heinrich vorbei (90.+2). Van Lent vermisste in diesen Aktionen zwar auch die Genauigkeit. Doch er fand: "Wir hätten als Sieger vom Platz gehen sollen."

Am kommenden Samstag geht es im heimischen Sportpark noch einmal gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf, den KFC Uerdingen. Danach warten Spitzenteams wie Dynamo Dresden und Wehen Wiesbaden. Fraglich, ob gegen die Teams von der Tabellenspitze die Leidenschaft ausreicht, um zu gewinnen.

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