3. Liga:Abschiedsschmerzen

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Torschuss gegen seinen Ausbildungsverein: Hachings Lucas Hufnagel nimmt Maß gegen Ron-Thorben Hoffmann vom FC Bayern München. (Foto: Germann/Imago/Eibner)

Lucas Hufnagel beendet mit 27 eine Karriere, die ihn als Spielgestalter aus der Jugend des FC Bayern an den Rand der ersten Liga und zuletzt zum Abstieg mit Unterhaching führte. Seine Hüfte lässt keinen Profisport mehr zu.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Die Saison ist noch nicht zu Ende, doch eigentlich wäre das Spiel am Sonntag passend gewesen für einen würdigen letzten Auftritt. Der Fußballer Lucas Hufnagel kam im Drittliga-Derby gegen den FC Bayern München II für gut fünf Minuten in die Partie, die SpVgg Unterhaching gewann 2:1, Hufnagel gab einen der letzten Torschüsse ab. Die Partie dürfte für Absteiger Haching etwas Versöhnliches gehabt haben, mal wieder das Gefühl eines Sieges.

In den vergangenen Wochen war es still um Hufnagel, wegen einer Schulterverletzung spielte er nicht mehr. Jetzt ist er rechtzeitig fit für seinen Abschied, der in jeder Beziehung still verlaufen wird: Am 22. Mai ist Schluss, dann beendet der 27-jährige Mittelfeldspieler seine Profikarriere. Das hat nichts mit dem Abstieg in die Regionalliga zu tun, wobei es natürlich "sehr wehtut, mit einem Abstieg aufzuhören", sagt der Spielmacher. Und viel zu früh, das findet Hufnagel selbst. Viel erlebt hat er trotzdem, seine Karriere hatte ungewöhnlich viele Höhen und Tiefen.

Der Grund für seinen Abschied ist seine Hüfte. Deren Schiefstellung begleitet ihn von Geburt an. Vor sieben Jahren begannen die Beschwerden, das Meckern des Knorpels ist nun nicht mehr zu überhören. "Natürlich könnte ich noch ein, zwei Jahre Gas geben. Aber ich weiß, dass ich es damit schlimmer mache", sagt er. Die Schmerzen kamen zuletzt fast nach jedem Training. Je weniger er belastet, umso besser. Der Vertrag in Unterhaching läuft aus, und so hatte er sich gar nicht mehr darum bemüht, etwas Neues zu finden. Wobei, noch ein wenig im Amateurbereich zu kicken, kann er sich vorstellen. Zweimal die Woche Training wird auszuhalten sein, hofft er.

Zu den Höhen und Tiefen seiner Karriere zählen zwei Kurzeinsätze für die A-Nationalelf Georgiens

Es passt zu seiner Laufbahn, dass sie so bitter endet. Denn Hufnagel spielt zwar im Mittelfeld, doch seine eigene Leistung bewegte sich nie dort. Meistens auch nicht die seiner Mannschaften. In der U17 wurde er beim FC Bayern nach erfolgreichen Jahren "aussortiert", wie er selbst sagt; zu diesem Zeitpunkt hatte er die Option Profifußball gar nicht mehr im Kopf. Dabei hatte gerade eine vielversprechende, kleine Parallelkarriere begonnen: Ein georgischer Journalist hatte damals recherchiert, wo sich überall junge Fußballer mit georgischen Wurzeln tummelten. Hufnagels Mutter stammt aus Georgien, und ihr Sohn spielte immerhin bei den großen Bayern! Seine Einsätze für die Junioren-Nationalmannschaft mündeten in zwei Kurzeinsätzen für die A-Nationalelf. Ein absolutes Highlight, wie er sagt.

Von den Bayern wechselte er nach Unterhaching, wo er bei den Junioren drei Abstiege zu verhindern half - im zweiten Jahr mit den Profis ging es dann aber doch eine Etage nach unten. Hufnagel ist einer von ganz wenigen im Verein, die jetzt dieses Déjà-vu haben. 2015 aber fielen sein Spielwitz und seine Übersicht anderen Klubs auf. "Ich glaube, für Freiburg war ich ein Experiment, für das sie nicht viel zahlen mussten", erinnert er lachend an den Wechsel ins Breisgau. Trainer Christian Streich lobte und förderte ihn, und so erlebte Hufnagel prompt auch mal einen Aufstieg mit. Zweitliga-Meister 2016 - sein einziger Titel.

Nach dem Aufstieg in Freiburg erwischte ihn das Pfeiffersche Drüsenfieber - er verlor den Anschluss

Hufnagel will Verletzungen und Krankheiten nicht als Ausrede dafür nutzen, dass es letztlich nicht zur großen Karriere reichte. Fakt ist aber, dass er nach dem Aufstieg an Pfeifferschem Drüsenfieber litt und dann im härter werdenden Konkurrenzkampf den Anschluss verlor. "Ich hätte großes Potenzial gehabt, aber ich habe es nie so wirklich konstant zeigen können", sagt er. Als der Trainer in schwierigen Phasen auch mal mehr Kritik äußerte - mag sein, so Hufnagel, dass das für sein Selbstvertrauen auch nicht ideal war.

Im Winter wechselte er zum 1. FC Nürnberg, wo er den nächsten Aufstieg miterlebte. Als ihn der heutige 1860-Trainer Michael Köllner nicht mehr berücksichtigte, ging es zurück in die Heimat. Hachings Präsident Manfred Schwabl ist bekannt dafür, dass Rückkehrern die Tür offensteht. Haching mit seinem ungewöhnlichen Weg und Hufnagel mit seinen ungewöhnlichen Laufwegen, Dribblings und genialen Pässen, das passte. Sein langjähriger Trainer Claus Schromm fand Hufnagels Spielweise immer besonders. "Er ist für Gegenspieler schwer berechenbar - und wohl manchmal auch für sich selbst", sagt er. Auch unter Druck habe er immer gute Lösungen gefunden. Der letzte Kontakt sei vielleicht jene kleine Schwäche gewesen, die den Weg nach ganz oben verhinderte, aber Hufnagel könne stolz sein auf das Erreichte.

Hufnagel will noch ein Studium beginnen, am liebsten in Regensburg. Gerne noch eine Weile kicken, aber keine zweite Karriere mehr im Fußball. Viel ist in den vergangenen Monaten darüber geredet worden, wie das eine oder andere Hachinger Spiel wohl mit Zuschauern gelaufen wäre. Wie sich ein Abschied ganz ohne Publikum anfühlt. Hufnagel wird einer der Ersten sein, die bald einer leeren Tribüne zuwinken werden.

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