Computerkurse:Wo Senioren Hilfe mit den "Höllenmaschinen" bekommen

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E-Mails verschicken - das steht an diesem Tag auf dem Kursprogramm des Moosacher Senioren Computerclubs. Man hilft sich gegenseitig. (Foto: Florian Peljak)

Viele ältere Menschen scheuen sich vor Smartphone, Computer und Internet. Diese Initiativen sollen entgegenwirken.

Von Robert Meyer

Gerda Dillmeier sitzt an diesem Morgen zusammen mit knapp einem Dutzend anderer Senioren in einem kleinen Raum im Keller der Arbeiterwohlfahrt in Moosach. Vorne am großen Bildschirm erklärt der Tutor, was Betreff, CC und BCC bedeuten. E-Mails verschicken - das steht heute auf dem Stundenplan des Computerkurses. Auf den Bildschirmen der Teilnehmer ploppen unten rechts ständig neue Mails von den anderen auf. Das Zeichen des Erfolgs.

Gerda Dillmeier hat ein Smartphone, aber bis heute bezeichnet sie es als "Höllenmaschine", mit der sie lange nichts anfangen konnte. Nach und nach hat sie sich selbst erarbeitet, wie ihr Smartphone funktioniert, so erzählt sie. Vor Kurzem entschied sie sich dann zusätzlich für einen Computer- und Internetkurs, um noch mehr zu lernen. "Wenn ich noch ein paar Jahre älter werde, kapiere ich gar nichts mehr", sagt die 75-Jährige. Viele Senioren könnten in der digitalisierten Welt immer noch nicht mit PC, Smartphone und Internet umgehen - anders als jene Generationen, die mit der Technik aufgewachsen sind.

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So würden Ältere immer stärker von der Gesellschaft abgeschnitten, sagt auch Anne Hübner. Die SPD-Stadträtin hat gemeinsam mit ihrer Fraktion ein ganzes Paket von Anträgen zur digitalen Teilhabe von Senioren eingereicht. "Das wird sich in den nächsten Jahren einfach noch zuspitzen", sagt Hübner. So läuft die Vergabe von Sozialwohnungen heute bereits ganz über die Internetplattform Sowon, Termine im Bürgerbüro lassen sich bequem online vereinbaren. "Die, die keinen Online-Zugriff haben", prophezeit Hübner, werden "einfach Nachteile haben".

Im Moosacher Senioren Computerclub sind es Ehrenamtliche, die den Senioren helfen wollen, sich am Computer und im Internet zurechtzufinden. Vor allem Onlinebanking, nach Reisen suchen, einkaufen oder E-Mails schreiben seien für die Teilnehmer besonders wichtig, berichtet Ursula Roseeu, 77. Sie leitet den Computerclub und bietet gemeinsam mit ihrem Team aus Tutoren zahlreiche Kurse zum Thema PC, Smartphone und Internet an. Doch viele Senioren hätten Angst, etwas falsch zu machen oder sich im Internet einen Virus einzufangen, sagt Roseeu. Eine "ganz große Hürde" seien diese Bedenken.

Die Tutoren sind im selben Alter wie ihre Schüler. So könnten sie sich besser in diese hineinversetzen, sagt eine der Teilnehmerinnen des Kurses. Einige der heutigen Tutoren haben einst sogar selbst einen solchen absolviert und wollen ihr Wissen nun weitergeben. Ursula Roseeu will die Senioren im Kurs individuell betreuen: Auf einen Tutor sollen maximal zwei Senioren kommen.

Der Anreiz fehlt, sich zu engagieren

Das erfordert viele Ehrenamtler, die sich in ihrer Freizeit engagieren. Ein Problem, das auch die Stadträtin Hübner umtreibt. So fordern sie und die SPD in einem ihrer Anträge, dass sich die Stadt stärker um Ehrenamtliche bemühen solle, die Senioren das Internet näherbringen. Auch der Moosacher Senioren Computerclub ist stets auf der Suche nach neuen Helfern. Andernfalls könne man die Einzelbetreuung nicht garantieren. Doch vielen fehle der Anreiz, sich mehr zu engagieren. So wünschen sich die Moosacher, von der Stadt stärker wertgeschätzt zu werden. Zum Beispiel durch günstigere MVV-Tickets - der Club könne es sich nicht leisten, die Anfahrt der Tutoren zu bezahlen. So etwas in der Art könnte sich auch Hübner vorstellen; nun sei die Stadtverwaltung gefragt, solche Modelle zu erarbeiten, sagt sie.

Eine weitere Hürde ist oft das Geld. Vor allem Senioren, die Grundsicherung beziehen, können sich teure Laptops oder Tablets nicht leisten. Niemand dürfe aus finanziellen Gründen abgehängt werden, fordert die SPD-Fraktion. Ihr schwebt ein städtischer Zuschuss vor, wenn sich Senioren ein internetfähiges Gerät anschaffen wollen. Wie hoch er ausfallen könnte, bleibt offen. Senioren, die den Bedarf anmelden, sollten jedenfalls "substantiell unterstützt werden", fordert Hübner.

Für die Kurse beim Moosacher Computerclub muss man normalerweise zehn Euro pro Tag zahlen - davon finanziert der Verein Technik und Organisation. Miete muss er nicht zahlen, da kam ihnen die Arbeiterwohlfahrt entgegen. Oft scheitere es aber nicht nur am Geld, dass Senioren nicht zu den Kursen kommen. Die Gebühren könne man notfalls auch erlassen, sagt Roseeu. Die ärmeren Senioren müssten überhaupt erst einmal von den Kursen erfahren. "Die finanziell Schwachen finden nicht zu uns", berichtet Roseeu. Die Clubleiterin empfiehlt völligen Neueinsteigern jedoch, nicht mit Computerkursen anzufangen. "Es wird sich auf mobile Geräte wie Tablet und Smartphone verlagern", sagt die 77-Jährige. Die entsprechenden Kurse beim Moosacher Computerclub sind gefragt.

Um erste Schritte im Internet zu gehen, eignen sich Kurse mithilfe geübter Tutoren offenbar gut. Viele der Senioren seien überfordert von der Technik, sagt Wolfgang Ebert, einer der Tutoren. Doch es lohne sich, sich damit auseinanderzusetzen. "Im Internet erschließt sich eine vollkommen neue Welt", was Senioren nicht verpassen sollten. Und es sei nie zu spät damit anzufangen, sich mit Computer und Internet zu beschäftigen. "Niemand ist zu alt."

Auch Gerda Dillmeier hatte damit ihr ganzes Leben lang nichts zu tun. Seit einiger Zeit besitzt sie ein Smartphone und einen Laptop - und schaut sich heute besonders gerne Videos auf YouTube an. Sie habe sich durchgequält, sagt die 75-Jährige, und es hat sich anscheinend gelohnt. Ihre "Höllenmaschine" habe sie heute jedenfalls ganz gut im Griff.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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