Schwabing:"Verfehlungen der besonderen Art"

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Zunächst verschont: An der Sailerstraße ist der Abriss gestoppt. (Foto: Stephan Rumpf)

An der Sailerstraße ist der Abriss vorerst gestoppt. Nun hat der Landtag die Stadt und das Landesamt für Denkmalpflege aufgefordert, die drei Häuser auch im Inneren zu besichtigen und neu zu entscheiden

Von Ellen Draxel, Schwabing

Der Abbruch des Häuschens an der Sailerstraße 6 ist vorerst gestoppt. Laut Cornelius Mager, Chef der Lokalbaukommission (LBK), hätte die Baufirma mit dem Abriss gar nicht beginnen dürfen - denn die Abbruchanzeige ist erst am 20. März bei der Stadt eingegangen. "Um der Behörde Gelegenheit zur Prüfung zu bieten, darf danach einen Monat lang nichts passieren", erläutert Mager. Frühester Abrisstermin wäre also der 19. April. Dass an der Sailerstraße "tatsächlich jemand zugange war", hatte die LBK am Freitag an Ort und Stelle überprüft. Bauherr und Architekt allerdings wussten Mager zufolge nichts von den Abbrucharbeiten - sie seien "selbst überrascht" gewesen.

Um den Erhalt der Häuserzeile an der Sailerstraße 2, 4 und 6 wird seit Monaten gerungen. Die Gebäude aus dem Jahr 1898 mit ihrer hübschen Fassade stehen nicht unter Denkmalschutz, sie sollen abgerissen werden und Neubauten weichen; die Genehmigungen dafür liegen seit Längerem vor. Der Verein der Altstadtfreunde will den Abbruch verhindern und hat eine Petition an den Landtag formuliert. Der Beschluss des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst hat nun am Mittwoch die Stadt München und das Landesamt für Denkmalpflege aufgefordert, gemeinsam die drei Häuser an der Sailerstraße auch im Inneren zu besichtigen. Sollten Stadt und Landesamt zu dem Ergebnis gelangen, dass die Gebäude schutzwürdig sind, fordert der Ausschuss, die Abbruchgenehmigungen rückgängig zu machen.

"Was an der Sailerstraße passiert ist, ist ein Multi-Organversagen der zuständigen Behörden", kritisiert der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper (CSU). Weder die Stadt noch das Landesamt für Denkmalpflege hätten im Fall der Schwabinger Häuschen sauber gearbeitet. Und jetzt werde der Schwarze Peter hin- und hergeschoben. Deshalb müsse der Landtag nun "sozusagen notoperieren".

Mit Bauabsichten herangetreten an die Stadt ist als erster der Eigentümer der Hausnummer 2. Das war vor fünf Jahren. Als 2012 der Vorbescheid erging, habe es noch "keine Anzeichen gegeben, dass es sich bei den Häusern an der Sailerstraße um Denkmäler handeln könnte", betont Mager. Auch der Bezirksausschuss Schwabing-West, dem die Behörde damals den Antrag vorlegte, äußerte sich anfangs nicht kritisch, sondern stimmte dem Vorhaben einstimmig zu. Erst 2014, als dann der Bauantrag kam, lehnten die lokalen Bürgervertreter die Planung ab - mit der Begründung, es müsse zunächst die Denkmaleigenschaft geprüft werden. Sie wollten "verhindern, dass die östlich gelegenen Altgebäude ebenfalls abgebrochen werden". Zu diesem Zeitpunkt aber war es nach Ansicht der LBK bereits zu spät - der Vorbescheid war rechtlich bindend. Auch bei den Anträgen für die Häuser Sailerstraße 4 und 6 befürwortete die Behörde den Abbruch - ebenfalls mit Verweis auf fehlende Denkmaleigenschaften.

Was Brannekämper nicht versteht, ist, dass die LBK angesichts des Bau-Datums der Häuser nicht stutzig wurde: "Wenn auf den Plänen das Jahr 1898 draufsteht, hätte man doch wenigstens nachhaken und das Landesamt für Denkmalpflege involvieren können." Gebracht hätte dieses Nachbohren nach Magers Überzeugung allerdings nichts - das Landesamt habe schließlich auch nicht reagiert, als sich der Heimatpfleger 2016 wegen der Sailerstraße an das Denkmalamt gewandt habe: "Es hieß immer, die Häuser wurden so oft modernisiert, da ist kein Denkmalschutz mehr vorhanden." Von einem Ensemble mit einst fünf Gebäuden stünden nur noch drei. Im Übrigen sei die Gebäudezeile weder 1973 bei der Ersterfassung der Denkmäler noch rund 40 Jahre später bei der Nachqualifizierung vom Landesamt berücksichtigt worden. "Deswegen gehen wir nach wie vor davon aus, dass es sich bei den drei Häusern nicht um Denkmäler handelt."

Die Befürworter einer Erhaltung setzen nun alles auf eine Besichtigung durch Denkmalexperten. Dass diese an der Sailerstraße 2 bis 6 bislang unterblieb, demonstriert aus Brannekämpers Sicht "städtische und staatliche Verfehlungen der besonderen Art".

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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