Schwabing:Unbehagen in einem besonderen Haus

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Einst ließ die jüdische Kaufmannsfamilie Uhlfelder das Gebäude an der Schwabinger Bauerstraße errichten, seit Jahrzehnten leben die Bewohner zufrieden in den Wohnungen - nun weckt ein Bauantrag Befürchtungen vor einer Luxussanierung. Doch der neue Vermieter dementiert

Von Ellen Draxel

Familiengerechte, bezahlbare Wohnungen sind in München Mangelware, besonders in so hippen Vierteln wie Schwabing. Bauanträge, die Wohnraum schaffen, werden von den Lokalpolitikern daher meist begrüßt - sofern sie die Wohnungsnot zu lindern vermögen und nicht noch vergrößern. Letzteres befürchtet der Bezirksausschuss Schwabing-West nun aber bei einem Haus an der Bauerstraße.

Im Dachgeschoss des Gebäudes mit der Hausnummer 9 befinden sich drei Wohnungen. Sie sind 99, 108 und 123 Quadratmeter groß und haben damit eine ideale Größe für Familien mit Kindern. Die Mieter sind zufrieden mit ihren vier Wänden: Sie seien "schön" und funktionierten gut, ist von den Bewohnern zu hören; es gebe "keinen Grund, sie zu verändern".

Genau das aber sieht der Bauantrag vor, der Westschwabings Stadtteilvertretern jetzt zur Anhörung vorgelegt wurde. Entstehen sollen laut den Plänen durch den Ausbau des Speichers Maisonette-Wohnungen, die derzeitige Wohnfläche würde sich je Einheit um bis zu 60 Quadratmeter vergrößern. "Das Vorhaben vernichtet familienfreundliche, preiswerte Wohnungen und ermöglicht Luxuswohnungen im Dach, die sich kein Normalverdiener leisten kann", kritisieren Bewohner wie Bürgervertreter. Statt neuen Wohnraum zu schaffen, würden alteingesessene Mieter vertrieben, weil sie die Kosten für die zusätzliche Wohnfläche nicht mehr bezahlen könnten. Der Bezirksausschuss hat den Bauantrag deshalb abgelehnt.

Eine Mieterin, die Architektin und Stadtplanerin ist, moniert zudem die ihrer Ansicht nach "rudimentäre Planung". Der Entwurf sehe vor, eine tragende Wand herauszunehmen; im Übrigen fehle bei zweien dieser drei Dachgeschosswohnungen der erforderliche zweite Fluchtweg in der obersten Ebene.

Dem widerspricht der Investor. Das Dachgeschoss solle zwar in der Tat ausgebaut werden. Die baulichen Rahmenbedingungen, sowohl die Tragfähigkeit der Wände als auch die vorhandenen Flächen, gäben das her, sagt Christoph Gröner, einer der größten und erfolgreichsten Immobilienunternehmer Deutschlands und Vorstandsvorsitzender der von ihm gegründeten CG-Gruppe. "Aber hier entstehen weder Luxuswohnungen noch ist geplant, eine außerordentliche Baumaßnahme zu entwickeln." Stattdessen "sollen schlicht und ergreifend die leeren Dachgeschossräume der Wohnnutzung überführt werden". Gröner betont, die bestehenden Wohnungen der Mieter würden nicht angetastet, er habe kein Interesse daran, die Bewohner zu vergraulen. Es gebe zwar durchaus eine Variante, im Speicher auch Maisonette-Wohnungen zu bauen. Aber nur in dem Teil, der noch leer stehe.

Gröner hat das Gebäude im Januar mit der Gröner GbR erworben. Den Mietern teilte er im April mit, sein Familienbetrieb habe "kein Interesse" daran, das "Objekt ganz oder teilweise zu veräußern", im Gegenteil: Der Kauf habe "mit der Absicht stattgefunden, das Haus langfristig im Bestand zu halten". Auch Mieterhöhungen sind nach Gröners Worten "nur in Abstimmung mit den Mietern" vorgesehen, "sofern irgendwelche Modernisierungsmaßnahmen von Seiten der Mieterschaft gewünscht werden".

Gröner ist bereits der dritte Eigentümer der Bauerstraße 9 in sieben Jahren. Das Haus im Herzen Westschwabings ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. 1928/29 nach den Plänen von Julius Metzger errichtet, galt das Gebäude damals architektonisch als sehr modern. Inzwischen steht es mit seinem turmartigen Eckvorsprung, dem Dreieckserker und dem Mansardwalmdach unter Denkmalschutz. Im Inneren beherbergt das Haus einen alten Lift, der laut den Mietern schon des Öfteren als Filmkulisse diente.

Eine Art Denkmalstatus kann man dem viergeschossigen Wohnhaus aber auch seiner Geschichte wegen zugestehen. Denn erbauen ließ es die seinerzeit in München sehr erfolgreiche Kaufmannsfamilie Uhlfelder. Die Uhlfelders waren Juden, ihr in der Münchner Altstadt gegründetes Warenhaus entwickelte sich Anfang der 1930er-Jahre zum zweitgrößten Kaufhaus der Stadt. Doch mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten kam die Familie in Bedrängnis. Ihr Warenhaus, das erste in München mit Rolltreppen, wurde in der Reichspogromnacht im November 1938 gebrandschatzt, den Inhaber Max Uhlfelder und seinen Sohn verschleppten die Nazis ins Konzentrationslager Dachau. 1939 kam die Familie frei und emigrierte mit einem Visum nach Indien. Ihr gesamtes Vermögen wurde eingezogen.

Das Haus an der Bauerstraße ging schließlich in das Eigentum der Hessischen Hausstiftung über. Alt-Oberbürgermeister Christian Ude ist in dem Haus aufgewachsen, seine Eltern bewohnten das Mansardengeschoss, das nun erweitert werden soll. Die meisten Mieter leben seit Jahrzehnten im Gebäude. Vor sieben Jahren verkaufte die Stiftung das Haus an eine kleine Immobiliengesellschaft. Seitdem hat sich der Status verändert, die neue Eigentümerin teilte das Haus in Eigentumswohnungen auf. "Plötzlich", kritisieren die Mieter, "befand sich ein ehemals jüdisches Haus auf dem Weg zum Spekulationsobjekt". Das Gebäude wurde danach noch zweimal veräußert, zuerst an die Carat Immo Project GmbH und im Januar an Gröner. In diesen Phasen gab es mehrfach Anträge zur Aufstockung und zum Ausbau des Daches, die aber entweder von der Lokalbaukommission abgelehnt oder vom Investor zurückgezogen wurden.

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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