Schwabing:Streichel-Therapie

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Im Schwabinger Krankenhaus bekommen Kinder regelmäßig Besuch von Hühnern, Kaninchen und Schafen. Der Kontakt mit den Tieren soll sich positiv auf Gesundheit und Psyche der kleinen Patienten auswirken

Von Christina Koormann, Schwabing

"Der Andi glänzt so schön, weil er immer so viel gestreichelt wird", sagt Monika Posmik zu Sebastian. Mit großen Augen streckt der Fünfjährige die Hand aus und berührt das Gefieder des braunen Hahns, den Posmik auf dem Arm trägt. Der lässt alles ganz entspannt mit sich geschehen. "Der Andi weiß gar nicht, dass er ein Gockel ist", sagt Posmik, "der ist ein ganz lieber, braver Ausnahmegockel, der sich bei Kindern sehr wohl fühlt. Vielleicht kräht er gleich auch wieder mit, wenn wir singen".

Diese Szene spielt sich im Garten der Kinderklinik Schwabing ab; Monika Posmik ist mit ihrer "kleinen Farm" zu Gast. Der schattige Garten verwandelt sich dabei in einen Streichelzoo, der den kleinen Patienten, ihren Geschwistern und Eltern eine schöne Ablenkung vom Klinikalltag verschafft. Auf Strohballen sitzend, in einem kleinen Gehege und im Gras rund um das Geschehen können die Kinder zwei Stunden lang die tierischen Gäste ausgiebig streicheln, füttern, mit ihnen schmusen und sie spazieren führen. "Jeder Wunsch soll hier erfüllt werden, jedes Kind darf mit seinem Lieblingstier spielen", sagte Posmik und hat dafür viele "Mitarbeiter" dabei: Neben Hahn Andi und den zwei Hühnern Anni-Frid und Agnetha sind Meerschweinchen, Kaninchen, die Schafe Lotte und Molly und Alpaka Natcho zu Besuch.

Füttern, Kosen und Kämmen nach Herzenslust dürfen die Kinder. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Freude darüber steht den Kindern ins Gesicht geschrieben. "Hier ist für jeden ein passendes Tier dabei", sagt Monika Posmik. Wie Menschen hätten Tiere ihren ganz eigenen Charakter; Alpakas seien zurückhaltend und sensibel, Schafe robust. So könne jedes Kind, egal ob lebhaft oder schüchtern, gleichermaßen mit ihnen in Kontakt kommen. "Das Zusammensein mit Tieren ist etwas Heiteres, es lenkt ab von Schmerzen und Sorgen, und man versteht sich ohne Worte." Außerdem könnten sich die erkrankten Kinder, die auf die Versorgung anderer angewiesen seien, auch um jemanden kümmern. "Ein Versorgersyndrom steckt in jedem. Am Ende werden alle Kinder dafür gelobt, wie toll sie die Tiere heute versorgt haben."

Der kleine Bauernhof begeisterte nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern. "Wo hat man diesen direkten Kontakt zu Tieren sonst?", sagt Anja Zappe, Mutter der fünfjährigen Sally. Ihre Tochter, die seit vier Wochen in der Klinik ist, beschäftigt sich gerade fasziniert mit einem Meerschweinchen. Die zweijährige Liya füttert ganz ohne Berührungsängste eines der Hühner, und Hannah, fünf Jahre alt, sammelt für die Kaninchen Löwenzahn. Seit Tagen hatten sich die kleinen Patienten auf die Tiere gefreut, erzählt Michaela Baumgärtner, Kinderpflegerin auf der Onkologiestation. "Es ist schön zu sehen, dass Angebote wie dieses ihnen so viel Spaß machen und sie mal etwas anderes erleben können."

Die Tiere kommen regelmäßig zu Besuch in die Kinderklinik Schwabing. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Ärztin Cornelia Schäfer, die gerade zur Weiterbildung mit Monika Posmik zusammenarbeitet, ist davon überzeugt, dass sich der Kontakt mit Tieren positiv auf Gesundheit und Psyche auswirkt. "Die Beziehung des Menschen zur Natur ist sehr wichtig, und sie geht immer mehr verloren. Im Zusammenleben mit Tieren lernen Kinder, Nähe zuzulassen, zärtlich und behutsam mit ihnen umzugehen und Berührungsängste abzubauen. Außerdem werden durch das Streicheln Glückshormone ausgeschüttet und die Stresshormone gesenkt."

Nach einer Weiterbildung vor fünf Jahren rief die Erzieherin Monika Posmik mit "Monis kleiner Farm" ein Zentrum für tiergestützte Pädagogik ins Leben. Sie bietet therapeutische Fördermaßnahmen in Verbindung mit Tier- und Erlebnisprojekten an. Mit ihren Tieren ist sie unter anderem in Kinderkrippen, Schulen, Behinderteneinrichtungen, Kliniken und Seniorenheimen unterwegs, arbeitet mit Burnout-Patienten, kooperiert mit Therapeuten und empfängt Besucher auf ihrer so genannten Erlebnisfarm. Vor einem Jahr entstand in Zusammenarbeit mit dem Oberschleißheimer Verein Luzia Sonnenkinder die Idee, "Monis kleine Farm" monatlich in die Kinderklinik Schwabing einzuladen. Der Verein, der mit Spenden das Projekt unterstützt, ermöglicht Kindern mit Behinderung Reittherapien und hat schon mit Posmik zusammengearbeitet.

Vom Umgang mit Schafen oder Hühnern erhoffen sich Ärzte am Schwabinger Krankenhaus einen heilsamen Effekt für die kranken Kinder. (Foto: Stephan Rumpf)

Gemeinsam mit der leitenden Erzieherin der Kinderonkologie, Lisa Stritzl-Goreczko, und Rebecca Riedelbauch, Leiterin des psychosozialen Teams der Kinderklinik, organisierten Brigitte Scholle von Luzia Sonnenkinder und Monika Posmik regelmäßige Klinikbesuche. "Wir sind dankbar für sehr viel ehrenamtliches Engagement, das damit in Verbindung steht", sagt Raphael Diecke, Sprecher des Städtischen Klinikums München. Wenn das Wetter so gut mitspielt wie an diesem Tag, wird Hahn Andi auch im nächsten Monat wieder in der Kinderklinik krähen und seine tierischen Kollegen mitbringen.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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