Schwabing:Sommerstraßenkampf

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Eine Initiative will die Occamstraße in der warmen Jahreszeit zur Bummel- und Feierzone machen und Autos draußen halten. Lokalpolitiker befürchten massive Anwohner-Beschwerden

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Der öffentliche Raum ist auch in München in weiten Teilen für Autos reserviert. Die Straßen drängen die Fußgänger buchstäblich an den Rand, wo sie sich mit Gehsteigen begnügen müssen, während die Autofahrer mächtig Platz für ihre Karossen haben. Der Lebensqualität ist das nicht zuträglich, wie die Rathauskoalition zuletzt im Frühjahr angemahnt hat.

Auf Antrag von SPD und CSU prüft die Verwaltung derzeit die Einrichtung so genannter Sommerstraßen. Das heißt: In der warmen Jahreszeit sollen Straßenzüge temporär abgesperrt und zu Fußgängerzonen gemacht werden. Es zeigt sich allerdings: In den Stadtvierteln könnte dies auf Widerstand stoßen. Zumindest im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann ist eine lokale Initiative jetzt abgeblitzt, unweit der Münchner Freiheit einen Abschnitt der Occamstraße im Sommer 2019 probehalber zur Flaniermeile zu machen - quasi als Modellprojekt für den Stadtratsantrag.

Den Vorstoß hatte Lars Mentrup für die SPD-Fraktion eingebracht. Er stellte sich vor, die Occamstraße zwischen Feilitzsch- und Haimhauserstraße zu sperren, gegebenenfalls auch den Wedekindplatz zwischen Markt- und Werneckstraße. "Die Idee ist, die Straße so zu nutzen, dass sie den Bürgern zugute kommt", warb der SPD-Politiker in der Sitzung für seinen Antrag und verwies auf das Konzept "Living Stockholm", welches auch das Rathausbündnis in ihrem Antrag an den Oberbürgermeister angeführt hatte.

Nightlife auf der Occamstraße: Die Initiative stellte sich eine Sperrung zwischen Feilitzsch- und Haimhauserstraße vor. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die schwedische Kapitale lässt zwischen 15. Mai und 15. September in bestimmten Straßenzügen die Autos aussperren; Bars und Cafés dürfen ihre Tische und Stühle dann nicht nur auf dem Trottoir, sondern auch auf der Fahrbahn aufstellen. Nach diesem Vorbild solle "die Lebensqualität der Münchnerinnen und Münchner in den Sommermonaten bereichert werden", schreiben die Koalitionäre in dem Papier.

Allein, die Occamstraße als Bummel- und abendliche Feierzone - das wollte die Mehrheit im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann nicht als Bereicherung erkennen. Die Rede war von womöglich massiven Anwohnerbeschwerden, ähnlich wie am Gärtnerplatz. "Da können wir uns dann für die Septembersitzung gleich einen größeren Saal suchen", merkte Petra Piloty (SPD) an und spielte damit auf viele Bürgereingaben aus den vergangenen Jahren an, die sich über das Amüsiergetümmel in der mit Kneipen, Bars und Bühnen üppig bestückten Straße beklagten.

Die Lokalpolitiker glauben zudem, dass sich die Altschwabinger wegen des zeitweisen Verlusts der Parkplätze beschweren werden - denn die würden ja von Gastronomen und ihren Gästen belegt. Inge Lindner (CSU) sagte: "Es gibt auch Menschen, die brauchen ein Auto." Sie selbst wohne seit den Siebzigerjahren in Altschwabing und kurve regelmäßig durchs Viertel, um einen Parkplatz zu finden. "Man würde das Problem verschärfen." Ähnlich äußerte sich Dagmar Föst-Reich (FDP). Sie könne da nicht zustimmen, denn sie kenne Schwabinger, "die würden mich dafür steinigen". Nur Ekkehard Pascoe (Grüne) verteidigte das Sommerstraßen-Exempel für die Occamstraße: "Es ist eine charmante Idee, warum probieren wir es nicht einfach aus?" Doch die meisten im Gremium wollten das nicht - der Antrag fiel durch.

Zusätzlich soll die Sperrung vielleicht auch auf dem Wedekindplatz zwischen Markt- und Werneckstraße stattfinden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Unterdessen könnten das Votum und die Debatte als exemplarisch für wohl noch anstehende Auseinandersetzungen in anderen Stadtbezirken über Sommerstraßen stehen. Explizit konstatiert der Stadtratsantrag von SPD und CSU, mögliche Straßenabschnitte sollen mit den Bezirksausschüssen abgestimmt werden. Doch auch wenn der politische Wille da ist, es bleiben wohl rechtliche Hürden.

Denn brandneu ist die Idee nicht, Fahrbahnen zu Flaniermeilen zu machen. Zuletzt gab das Planungsreferat 2012 dazu eine Einschätzung ab, nachdem die Grünen im Stadtrat einen ähnlichen Flanierzonen-Antrag gestellt hatten. Das sinngemäße Ergebnis: Es gibt keine gesetzliche Grundlage, Straßen einfach nur so zum Spaß, wegen des Lebensgefühls also, abzuriegeln - es braucht einen guten Grund dafür: Straßenbauarbeiten, Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung, Absicherung einer Unfallstelle oder auch: Demonstrationen oder Veranstaltungen wie Street-Life-Festival und Corso Leopold. In der Stadtratsvorlage wies die Behörde darauf hin, dass immer straßen- und verkehrsrechtliche Einzelfallprüfungen nötig seien und "sowohl bei der Aufhebung als auch bei der Wiedereinrichtung von temporären Verkehrsberuhigungsmaßnahmen stets ein erheblicher personeller und materieller Aufwand erforderlich" sei.

Aktuell teilt die Planungsbehörde mit, dass bezüglich der neuesten Sommerstraßen-Initiative dem Stadtrat frühestens Ende 2018 Ergebnisse und Verfahrensvorschläge präsentiert werden sollen.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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