Schwabing:Senfgrün im Salat

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An der Straßenbahn-Haltestelle Schwabinger Tor gibt es jetzt einen Wochenmarkt. Auch die Nachbarn aus den umliegenden Vierteln freuen sich über regionales Obst und Gemüse, Blumen und Fisch

Von Nicole Graner

Die einen haben Strom, die anderen noch nicht. Die einen bauen noch auf, die anderen platzieren schon Preisschilder mitten in die Tomaten. Denis Mehmedagić sortiert sie alle liebevoll: die runden Kirschtomaten, die Fleischtomaten und jene geriffelten sardischen, die besonders gut schmecken sollen. Trotz härterer Schale. "Möchten Sie mal probieren", fragt er die erste Kundin an seinem Stand. Der Mann, der seit zwölf Jahren einen Obst- und Gemüse-Stand betreibt, der nur Frisches aus Italien anbietet, hat nicht zu viel versprochen. Diese Tomate hat ein Aroma, das sofort Urlaubsgefühle weckt. Einen Stand weiter sortiert Maximiliano Gianotti die vielen Varianten seiner frischen Nudeln aus Turin. Es ist Wochenmarkt. Auf dem Platz der Tram-Haltestelle Schwabinger Tor. Zum ersten Mal.

Noch ein bisschen ordnen und alles schön herrichten: Denis Mehmedagić und seine Mutter sortieren ihre Orangen, die man auch probieren kann. Wie die sardischen Tomaten, die aromatisch schmecken. Zum ersten Mal haben sie nun einen Stand im Münchner Zentrum. (Foto: Catherina Hess)

Weiß-grün gestreifte, große Schirme - so sahen die Marktstände auf den Zeichnungen der Architekten aus. Zeichnen kann man viel, ob es aber jemals einen Markt am Platz der Tram-Haltestelle Schwabinger Tor geben würde? Weiß-grün sind die Schirme nicht, die die neun Standbetreiber in aller Frühe aufgespannt haben. Der Wunsch der Planer - und vor allem der Anwohner des Berliner- und Wagnerviertels - ist aber in Erfüllung gegangen. Jeden Freitag von 10 bis 18 Uhr. "Seit den frühesten Planungsphasen ist ein Wochenmarkt Teil des Konzepts", sagt Wolfgang Müller, Geschäftsführer der Jost-Hurler-Gruppe. Jetzt hat es geklappt, weil mehrere Händler am Platz Interesse gezeigt hätten, ergänzt Sprecher Steffen Warlich.

Kücükakyüz Tuncay (links) und Semihbieten mediterrane Aufstriche an. (Foto: Catherina Hess)

Blumen, frisches Fleisch, Bio-Gemüse, Nudeln, Fisch, Brotaufstriche, selbst gemachtes Pesto, frisch geschnittene Ananas und gutes Brot - der Markt ist klein, das Angebot aus dem Umland Münchens vielfältig. Alles steht übersichtlich beieinander, ist liebevoll aufgebaut. Da kann man Navel-Orangen probieren, dort Rettich-Ingwer-Schnitten auf Biobrot. Und obwohl das Wetter am Eröffnungstag nicht gerade einladend ist - die Kunden sind glücklich. Ann-Kathrin Blarr, die im Quartier Schwabinger Tor wohnt und mit ihrer 16 Monate alten Tochter im Kinderwagen unterwegs ist, freut sich sehr, dass der Markt Wirklichkeit geworden ist. "Ich kaufe generell nur im Bio-Supermarkt ein und regionales Obst und Gemüse - hier ist alles geboten", sagt sie. Vor allem ist sie glücklich, dass sie jetzt eine Alternative zum Bauernmarkt am Fritz-Hommel-Weg hat, der am Freitag nur bis 13 Uhr geöffnet ist. Ein anderer Kunde freut sich, dass er nun frische Nudeln bekommt. "Sehr gut, dass es Euch jetzt hier gibt", sagt er zu Maximiliano.

Florian verkauft bei Blumen Prock die Frühlingssträuße. (Foto: Catherina Hess)

Denis Mehmedagić hatte vorher einen Stand am Starnberger See. "Jetzt", sagt er, "probieren wir das Münchner Zentrum aus." Und er hat ein gutes Gefühl. "Das wird hier", glaubt er. Wie auch Kücükakyüz Tuncay. Seit 1984 ist er dabei und beliefert eigentlich die Gastronomie, seit 22 Jahren geht er auf Wochenmärkte in Freising, Erding oder Moosburg. Auch er ist das erste Mal mit seinem Stand, an dem es mediterrane Aufstriche gibt, in München. "Vier Wochen, dann hat es sich herumgesprochen, dass es uns gibt", prophezeit er. Den Platz findet er gut. Aber er will doch wissen, welche Leute denn so in der Umgebung wohnen, woher sie kommen. Sorge, dass in Zukunft weniger Kunden kommen könnten als am Eröffnungstag, muss er sich nicht machen. Frisches hat man sich schon lange in den angrenzenden Vierteln gewünscht. Denn wo soll man sonst einmal "Mizuna", ein japanisches Senfgrün, herbekommen, das jeden Salat geschmacklich bereichert? Max Grasser vom Michaelshof: "Bei uns", sagt er und lacht. Eine der Spezialitäten seines Standes sind nämlich Wildkräuter, eine andere die frischen Pestos oder jene Rettich-Ingwer-Mischung aus dem Glas, die so belebend schmeckt, dass man weiternaschen möchte.

Dass Max schon um halb fünf aufgestanden ist, um vom Allgäu nach Schwabing zu fahren, sieht man ihm nicht an. Er freut sich, dass zu den mittlerweile acht Märkten in München nun noch ein neuer hinzugekommen ist. "Mit einem Tisch, mit einem Schirm hat mal alles angefangen", erinnert er sich.

Mit Zeichnungen von Schirmen hat der Wochenmarkt am Schwabinger Tor begonnen. Und dass es ihn nun gibt, wird den Platz und das neue Quartier beleben - nicht nur mit Hotelgästen und Spaziergängern, sondern auch mit den Quartiers-Nachbarn. Ein Markt also, der verbindet.

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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