Schwabing:Schutzschirm mit neuen Qualitäten

Lesezeit: 2 min

Die Stadtverwaltung will im westlichen Schwabing erstmals eine ergänzte Form der Erhaltungssatzung anwenden, die auch Haushalte mit mittleren Einkommen vor Verdrängung durch Luxussanierung bewahren soll

Von Ellen Draxel, Schwabing

Die Stadt München will ihre Mieter künftig noch besser vor Luxussanierungen schützen. Dafür wurden vergangenen Sommer die Indikatoren zum Erlass von Erhaltungssatzungen ergänzt. Im Fokus stehen nun neben gründerzeitlichen Altbauten auch Gebäude aus den Fünfziger- bis Achtzigerjahren. Als verdrängungsgefährdet gelten nicht mehr nur Haushalte mit geringen, sondern auch mit mittleren Einkommen. Eine Rolle bei der Beurteilung spielen außerdem erstmals sogenannte Attraktivitätsfaktoren: urbane Qualitäten wie etwa eine besonders hohe Laden- und Gastronomiedichte, eine sehr gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr oder "Naturqualitäten" in Form von benachbarten Parks oder der Isar.

Das erste Gebiet, das von diesen Neuerungen profitieren soll, ist das Umfeld der Birnauer Straße im westlichen Schwabing. Der Bezirksausschuss hat vor wenigen Tagen einem entsprechenden Entwurf des Planungsreferats "erfreut" zugestimmt. "So langsam", kommentierte Gremiumschef Walter Klein (SPD) die Entwicklung in der Sitzung, "kriegen wir das ganze Stadtviertel gebacken". Weil sich speziell in dieser Ecke von Westschwabing die Verkäufe von Mietshäusern seit 2012 häufen - die meisten Gebäude dort stammen aus der Nachkriegszeit - und aus Angst vor unbezahlbaren Mieterhöhungen infolge von Modernisierungen immer mehr Mietergemeinschaften gegründet wurden, beantragte das Gremium bereits vor eineinhalb Jahren, eine Erhaltungssatzung für den Bereich zwischen Birnauer, Lerchenauer, Bamberger, Gernot- und Giselherstraße zu erlassen.

Besonders die Mieter des Karrees Schleißheimer/Bamberger/Gernotstraße hatten sich zuletzt Sorgen um ihre Zukunft gemacht, nachdem der nur wenige Meter vom idyllischen Luitpoldpark gelegene Komplex 2018 an einen luxemburgischen Investor verkauft worden war. In den 90 Wohnungen dieser Häuser leben viele Senioren, manche seit 40 Jahren - die meisten sind auf eine günstige Miete angewiesen.

Das Erhaltungssatzungsgebiet "Birnauer Straße" soll nun den größten Teil des vom Bezirksausschuss vorgeschlagenen Bereichs umfassen, aber nicht nur: Das Planungsreferat hat die Schutzzone gen Norden und Westen erweitert. Sie endet jetzt am Petuelring und am Luitpoldpark. "Eine hohe Gentrifizierungsdynamik ist im gesamten Stadtbezirk Schwabing-West bereits seit Langem zu beobachten", begründet die Behörde ihre Vorlage. Auch im betreffenden Satzungsgebiet fänden Veränderungsprozesse statt, messbar auch am hohen Anteil der Abgeschlossenheitsbescheinigungen in den vergangenen fünf Jahren: Diese lagen mit 3,7 Prozent deutlich über dem gesamtstädtischen Schnitt von 0,8 Prozent. Erfahrungsgemäß würden Wohnungen, für die eine Abgeschlossenheitsbescheinigung beantragt wurde, in den Folgejahren in Eigentumswohnungen umgewandelt, "wobei dem Wohnungsmarkt erschwingliche Mietwohnungen verloren gehen", so die Behörde.

Einen "weiteren Hinweis auf fortschreitende Gentrifizierung im Gebiet" findet sich aus Sicht der Verwaltung in der "Mietendynamik": In den vergangenen drei Jahren sind die durchschnittlichen Mieten bei Bestandswohnungen im Bereich Birnauer Straße um mehr als 25 Prozent gestiegen. Damit werde der "ohnehin schon sehr hohe Wert für die Gesamtstadt von rund 19 Prozent noch überschritten". Dass sehr viele Bewohner seit mehr als 40 Jahren in der Gegend leben, ist ebenfalls ein Argument für den Erlass einer Erhaltungssatzung, die ja dem Milieuschutz dienen soll. Dazu kommt die Nähe zum Luitpold- und zum Olympiapark sowie eine sehr gute verkehrliche Anbindung über U- und Trambahnlinien.

"Eine Verdrängung der im Gebiet ansässigen Bevölkerung durch Luxusmodernisierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen hätte zur Folge, dass die verdrängten Mieterinnen und Mieter anderswo finanzielle und infrastrukturelle Bedarfe auslösen", schlussfolgert man im städtischen Planungsreferat. Dabei könne es sich um die Finanzierung neuer geförderter Wohnungen, aber auch um die Schaffung von Altenheim- und Studentenwohnheimplätzen handeln. Dies aber, so heißt es in der Vorlage, seien "aus Sicht der Landeshauptstadt München unerwünschte städtebauliche Entwicklungen, die es zu vermeiden" gelte.

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: