Schwabing:Nicht ohne die Mieter

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Vom Abriss bedroht: das Hinterhaus an der Stauffenbergstraße 32-36. (Foto: Simon)

Die Baugenossenschaft Hartmannshofen plant den Neubau eines Mehrfamilienhauses an der Stauffenbergstraße. Dafür müsste ein Wohngebäude mit zwölf Parteien weichen - aber die Bewohner hatten keine Ahnung

Von Ellen Draxel, Schwabing

Was Wohnungen anbelangt, kann Schwabing ein luxuriöses Pflaster sein. Bei Immobilien-Spekulanten ist das charmante Viertel beliebt, entsprechend sensibel reagieren Lokalpolitiker auf Vorbescheids- und Bauanträge. Besteht auch nur der leiseste Verdacht, eine Bauplanung könnte Mietern zum Nachteil gereichen oder gar eine Mietervertreibung auslösen, schrillen bei den Bürgervertretern die Alarmglocken.

Wie jetzt im westlichen Schwabing. Für den Neubau eines Mehrfamilienhauses plus Tiefgarage an der Stauffenbergstraße 32-36 bekommt der Bezirksausschuss Schwabing-West eine Bauvoranfrage der Baugenossenschaft Hartmannshofen auf den Tisch. Die Pläne zeigen ein Gebäude mit 24 Wohnungen auf fünf Stockwerken als Nachverdichtung im Innenhof. Um das Vorhaben zu realisieren, müsste aber ein bereits vorhandenes Wohnhaus weichen, in dem zwölf Parteien leben.

Diese Mieter jedoch, erfahren die Stadtteilpolitiker, wissen von etwaigen Planungen zu diesem Zeitpunkt nichts. Im Gegenteil: "Sie warten sogar auf eine versprochene Sanierung ihrer derzeitigen Wohnungen", schreibt der Vorsitzende des Unterausschusses Planen und Wohnen, Oskar Haider (CSU), ins Unterausschuss-Protokoll. Die Lokalpolitiker gehen deshalb auf die Mieter zu, informieren sie, dass das jetzige Haus einem möglichen Neubau im Weg stehen würde.

Die Folge ist ein anwaltliches Schreiben im Auftrag der Genossenschaft. Darin wird gefordert, die Bauvoranfrage solle in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden. Gremiums-Chef Walter Klein (SPD) verwunderte das, er fragt in der Stadtverwaltung um Rat. Vorbescheide öffentlich zu thematisieren, erhält er als Antwort, sei Usus. In der Sitzung am Mittwochabend dann ist der Geschäftsführer der Baugenossenschaft da - und ist verstimmt. Der Vorbescheid, erklärt Klaus Berghofer, sei aus seiner Sicht so "eine Art Machbarkeitsstudie": Fünf Standorte in München mit 850 Wohnungen habe die Genossenschaft, "und wir wollen erst einmal verschiedene prüfen lassen". In diesem frühen Stadium auf die Mieter zuzugehen und damit eventuelle Ängste auszulösen, hält Berghofer für völlig falsch. "Es kann nicht sein, dass Bezirksausschuss-Mitglieder bei Bewohnern klingeln und gleich mit der Tür ins Haus fallen." Durch dieses Vorgehen sei das Vertrauen der Mieter, die teils älter als 90 Jahre alt seien und die Veränderungen vielleicht gar nicht mehr erlebten, in die Baugenossenschaft jetzt "massiv gestört".

Die Lokalpolitiker halten dagegen. "Die Mieter frühzeitig zu informieren, gerade als Genossenschaft, wäre eigentlich Ihre Pflicht gewesen", betont Filiz von Thermann (Grüne), eine Architektin. Um Ängste gar nicht erst aufkeimen zu lassen. "Glauben Sie denn, die Menschen bekommen nicht mit, dass da etwas im Gange ist?" fragt Klein. Man könne ja auch positiv informieren. Indem die Genossenschaft den Mietern beispielsweise erläutere, dass mögliche Veränderungen "mit sehr großer sozialer Verträglichkeit" umgesetzt würden: "Das sollte Gesprächskultur sein." Die Bewohner, hatte Berghofer zuvor erklärt, könnten bei einem tatsächlich realisierten Neubau in andere Wohnungen der Baugenossenschaft in der Nähe umziehen.

Das Schlusswort hat Albrecht Schmidt (SPD). "Wir sind hier in Schwabing", resümiert der Mieterbeirat, "seit mehr als 20 Jahren werden wir von Gentrifizierung heimgesucht". Im Fall der Baugenossenschaft Hartmannshofen könne das zwar anders sein. "Aber bei so etwas wie nicht erfolgter Mieterinfo gehen bei uns grundsätzlich alle Lichter an." Den Vorbescheidsantrag zu dem Neubau lehnen die Stadtteilvertreter einstimmig ab - da nämlich die Situation der Mieter "nicht geklärt ist".

© SZ vom 30.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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