Schwabing:Montierte Wirklichkeit

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Mal im Nebel, mal im Sturm: Ohne Stativ hat Claus Potthoff den Olympiaturm aufgenommen. (Foto: Potthoff)

Zum ersten Mal zeigt Fotograf Claus Potthoff in einer Ausstellung seine Bildersequenzen

Von Ellen Draxel, Schwabing

"Menschenvonobenbilder". Ein Titel ohne verbale Schnörkel, die Worte reduziert aneinandergereiht wie die Anordnung der Fotos in den großformatigen Kunstwerken, die sie beschreiben. Vier Bilder, arrangiert zu einem Potpourri aus jeweils 16 Einzelaufnahmen, zeigen Museumsbesucher in der Pinakothek der Moderne. Claus Potthoff hat die Kulturliebhaber von oben im zentralen Bereich der Rotunde fotografiert, um die Szenerien anschließend wie ein Puzzle zusammenzufügen. Da ist ein Kind, das sich permanent zu drehen scheint. Ein größeres Mädchen schwingt ein Bein in die Höhe. Andere Besucher sind ins Gespräch vertieft, studieren Kataloge oder suchen einfach nur den Weg. Die Fotomontagen sind Charakterstudien in Form von Momentaufnahmen, beobachtet aus einem skurrilen Blickwinkel. In der Ausstellung, die an diesem Freitag, 7. Oktober, im Schauraum an der Therese-Studer-Straße 9 eröffnet, liegen die "Menschenvonobenbilder", angelehnt an die Perspektive des Fotografen, auf dem Fußboden.

Claus Potthoff, das demonstrieren all seine Fotoserien, mag es strukturiert. Der 53-Jährige leitet die Designstrategie-Abteilung bei Audi, seit eineinhalb Jahren wohnt er am Ackermannbogen. Die Ausstellung im Schauraum ist seine erste überhaupt - obwohl er schon als Jugendlicher gerne und viel fotografiert hat. Aber wie die Ideen zu seinen Bildern musste auch die Realisierung dieses lang gehegten Traumes einer eigenen Ausstellung erst einmal reifen. "Das ist ein Prozess, der Muße braucht." "Bildschau" nennt sich die Ausstellung - weil es Potthoff nicht um die Fotos an sich geht, sondern darum, was man alles aus ihnen machen kann. "Die Fotos sind nur Ausgangsmaterial. Sie liegen oft ewig, bis ich sie so zusammen komponiere, wie es mir gefällt." Einzelaufnahmen sind des Designers Sache nicht, "auch bei mir zu Hause hängen immer mindestens Bilderpaare". Der Harmonie wegen. Ein Paradebeispiel seiner zusammengesetzten Wirklichkeiten sind Fotoserien über den Olympiaturm. 33 Einzelsequenzen der Nadel, die durch verschiedenste Licht- und Wettersituationen stößt, ergeben ein Bild. Mal ist der Turm im Nebel, mal strahlt er vor blauem Himmel, im Sonnenuntergang oder verschwindet fast im nächtlichen Grau. Potthoff hat den Münchner Fernsehturm von seiner früheren Dachwohnung in Neuhausen aus fotografiert, immer von derselben Stelle aus. Ohne Stativ und ohne Blitz, auf das "Geraffel" verzichtet er lieber. Nahezu 1400 Fotos sind so in den Jahren 2009 und 2010 entstanden. Zu Gesamtkompositionen kreiert hat er sie aber erst 2014, als Hommage an Claude Monets 33 Gemälde umfassende Bilderserie der Kathedrale von Rouen. Potthoff will seine Werke aber nicht nur zeigen, er regt Gäste auch an, selbst aktiv zu werden. Dafür hat der Designer eigens Tische gebaut und sie mit Fliesenkreuzen bestückt. Wer mag, kann im Schauraum die Wettervarianten rund um den Olympiaturm neu anordnen. Oder grafisch reduzierte Aufnahmen historischer und zeitgenössischer Architektur, entstanden 2015 in Paris, je nach Geschmack mit Alufenstern unterschiedlich einrahmen.

Ideen hat Claus Potthoff noch viele, auf seiner Festplatte sind griechische Stromzähler ebenso gespeichert wie Fotos vom neuen Pariser Triumphbogen. Aber daraus Kunst zu entwickeln, braucht Zeit und Muße - in seinem Job Mangelware.

Potthoffs Bildschau: Vernissage, Freitag, 7. Oktober, Therese-Studer-Straße 9, 19 bis 21 Uhr, sowie an den Wochenenden, 8./9. und 15./16. Oktober, jeweils von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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