Schwabing:Mit dem Rollstuhl bis zur Havel

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Seit 45 Jahren setzt sich der "Club Behinderter und ihrer Freunde" (CBF) für die Belange von Menschen mit Handicap ein. Es geht darum, das Leben im Alltag zu erleichtern - und ihnen den barrierefreien Urlaub zu sichern, den sie sich sonst nicht leisten könnten

Von Yannick Seiler, Schwabing

Menschen mit Behinderung haben im Alltag mit vielen Hindernissen zu kämpfen, und auch im Urlaub ist das nicht anders. Und gerade auch deshalb ist er für sie meist unbezahlbar. "Was für viele selbstverständlich ist, können sich Behinderte oft nicht leisten", sagt Peter Pabst, Leiter des Clubs Behinderter und Ihrer Freunde München und Region (CBF). Reisen sei für Menschen mit Behinderung sehr teuer, sie müssen oft bis zu 70 Prozent mehr zahlen als Menschen ohne Behinderung. Ein Bus mit einer Rampe für Rollstuhlfahrer etwa ist laut Pabst um einiges teurer als ein solches Reisegefährt ohne. Er und der CBF möchten Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen dennoch die Fahrt in den Urlaub ermöglichen.

Seit zwei Jahren bietet der CBF die Reisen wieder an und möchte das Angebot künftig ausbauen. Dieses richtet sich an Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Der Verein wurde 1974 gegründet. "Wir haben viel Erfahrung mit Fahrten für Behinderte", sagt Pabst. Einige der Mitglieder seien seit 20 Jahren nicht mehr verreist, da sie von einer geringen Erwerbsminderungsrente lebten. Sie könnten sich gerade ihr Leben leisten und das sei "in einer Stadt wie München sehr teuer".

Ein Aufwand, der sich lohnt: Bei jeder Reise, die der CBF anbietet - so wie hier ein Ausflug nach Garmisch - muss alles gut organisiert sein. Barrierefreiheit ist unumgänglich, Helfer werden gebraucht. (Foto: Privat)

Im vergangenen Jahr ist der CBF mit seinen Mitgliedern nach Zypern und in den Schwarzwald gereist. Höchstens 15 Rollstuhlfahrer mitsamt Assistenten sind bei den Ausflügen dabei. "Wir möchten es möglichst familiär halten", erklärt Pabst, der seit mehr als drei Jahrzehnten in der offenen Behindertenarbeit tätig ist und sich selbst als "Dinosaurier" in diesem Bereich bezeichnet. Wegen der geringen Teilnehmerzahl sei ein Platz bei einer Reise sehr begehrt.

Wo es hingeht, bestimmen die Klubmitglieder. Um den Ausflug angenehm zu gestalten, sucht Pabst barrierefreie Unterkünfte aus. "Bei vielen Hotels ist aber nicht drin, was drauf steht." So gelten einige Häuser bereits barrierefrei, wenn sie einen Aufzug hätten. In den Wellnessbereich kämen Rollstuhlfahrer meist trotzdem nicht. Komplett barrierefreie Hotels seien hochpreisig und "für unsere Mitglieder unbezahlbar". Deswegen übernimmt der Verein die Reisekosten fast komplett.

Geld für die offene Behindertenarbeit stellt der Bezirk Oberbayern und das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) zur Verfügung. Laut Pabst könne der Verein auch auf Sponsoren wie die "Aktion Mensch" und Fördermitglieder zählen. Mit diesen Einnahmen schafft es der CBF auch, weitere Projekte in Angriff zu nehmen - etwa öffentliche Gebäude in München auf Barrierefreiheit überprüfen. "Kürzlich haben wir Kinos in unseren Onlineführer aufgenommen." Nun habe der CBF den Auftrag der Stadtverwaltung erhalten, alle Kultureinrichtungen auf Barrierefreiheit zu überprüfen. Die Zuschüsse ermöglichen es dem Verein auch, eine barrierefreie Ferienwohnung in Schwabing für Kurzaufenthalte zur Verfügung zu stellen. "Die ist sehr gut ausgelastet."

Über ihre Erfolge und das, was noch erreicht werden muss, berichten Pabst und sein Team in der Vereinszeitschrift für Rollstuhlfahrer, die sie auch als politisches Druckmittel einsetzen. Sie dient auch als Sprachrohr, wird zum Beispiel an Behörden verschickt, um dort ein Bewusstsein für die Probleme von Menschen mit Behinderungen zu schaffen. "Das ist ein Teil unserer politischen Arbeit." Zudem sei der CBF in verschiedenen Gremien in Stadt und Landkreis vertreten, leite zum Beispiel den Arbeitskreis Wohnen im Landkreis. Beim Neu- oder Umbau von S-Bahnhöfen nimmt Pabst "begleitend Einfluss" und verweist darauf, wie Barrierefreiheit erreicht werden kann. Dennoch fordert er mehr Verständnis von Politikern: "Die Alltagsprobleme von Menschen mit Behinderung müssen in den Köpfen verankert sein." Seit Anfang 2018 ist der CBF auch Mitglied der ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (siehe Kasten).

Doch zurück zur diesjährigen Reise: Wo es Ende Mai hingeht, steht schon fest. "Unsere Mitglieder haben sich für eine Havelrundfahrt mit einem Hausboot entschieden", sagt Pabst. Barrierefrei, versteht sich - damit jeder mal ans Ruder kann.

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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