Schwabing:Gewusst, wie

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Willkommen: Integrationskurse machen das neue Leben leichter. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Ein Stadtviertel-Vorstoß macht Schule in ganz Bayern: Die Landeszentrale für politische Bildung hat auf Initiative des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann ein neues pädagogisches Konzept für Flüchtlinge entwickelt

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Oft wird der Einfluss der Bezirksausschüsse klein geredet, ihre Wirkung und ihre Bemühungen reichen - wenn überhaupt - nicht über ihren Stadtbezirk hinaus, heißt es immer wieder. Davon abgesehen, dass die Gremien in ihren Grenzen durchaus einiges bewegen, haben die Stadtviertelpolitiker in Schwabing-Freimann jetzt sogar landespolitisch etwas bewirkt: Sie sind die Impulsgeber dafür, dass nun in Bayern vornehmlich in Schulen und Asyl-Unterkünften ein neuer pädagogischer Ansatz zur besseren Integration von Migranten und Geflüchteten angewendet wird. "Gemeinsam Fairhandeln", lautet der Titel des Projektes. "Aus dem Bezirksausschuss heraus ist etwas angestoßen worden, das wir nun bayernweit zum Einsatz bringen", bestätigte Ludwig Spaenle (CSU) in der Sitzung des Gremiums.

Für die Schwabinger Politiker ist es indes ein leichtes, von der untersten zur obersten politischen Ebene in Bayern durchzudringen: Ludwig Spaenle ist nicht nur Mitglied des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann, sondern auch Staatsminister. Und hat so schon öfter Anregungen aus dem Lokalgremium in der Staatskanzlei abgeliefert. In diesem Fall hatte er die Initiative im Oktober 2015 an die Landeszentrale für politische Bildung weitergereicht. Auf Antrag von Ekkehard Pascoe (Grüne) wurde folgendes gefordert: Flüchtlinge sollen nach der Erstaufnahme über die rechtlichen Grundlagen in Deutschland informiert werden. Das Gremium stellte sich eine Broschüre mit Basisinformationen über die Grundrechte vor, übersetzt in mehrere Sprachen. Eine Art Normenkatalog für Zuwanderer, damit diese erfahren, welche kodifizierten Rechte und Pflichten sie haben sowie eine Handreichung, mit welchen Konventionen und gesellschaftlichen Gewohnheiten sie es im fremden Deutschland zu tun bekommen.

Doch daraus wurde nichts - es wurde viel mehr daraus, wie der stellvertretende Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, Werner Karg, in der Bezirksausschuss-Sitzung darlegte: ein detaillierter Projektleitfaden primär für Schulen, mit dessen Hilfe Zuwanderer an Regeln des Zusammenlebens in der deutschen Gesellschaft herangeführt werden sollen. "Wir haben festgestellt, dass es keinen Sinn hat, normative Regeln mit einer Broschüre vorzugeben", sagte der Vizechef der staatlichen Institution. Die Menschen stammten aus derart vielen unterschiedlichen Nationen, Kulturen, Ethnien und Unterethnien. "Mit einem reinen Informationstext über Normenregeln erzielen sie keinen Effekt. Die Regeln müssen in einer Gruppe gemeinsam entwickelt werden", schildert er das Ergebnis und den Kernansatz des nun anlaufenden Projektes "Gemeinsam Fairhandeln".

Nach Kargs Worten wurde das Projekt in einer Berufsschule an der Luisenstraße, einer Flüchtlingsunterkunft in Oberschleißheim und der Paul-Gerhardt-Mittelschule in Freising ausprobiert. Im Kern folgt es der Einsicht: Mit Lesen allein kann man bei Zuwanderern, denen der deutsche Kultur- und Rechtsraum völlig fremd ist, kaum etwas erreichen. Sie müssen sich aktiv damit auseinandersetzen, gemeinsam in kleinen Gruppen erfahren, was sie falsch machen können - und wie sie sich richtig verhalten. Karg: "Sie können zum Beispiel lernen, vor anderen den Mut zu fassen, einer Frau die Hand zu geben."

Die Migranten und Flüchtlinge sollen das gedeihliche Miteinander also in einem modularen Workshop lernen, eine ausführliche Gebrauchsanweisung ist auf der Seite www.gemeinsam-fairhandeln.de veröffentlicht. Demnach werden für Übergangsklassen sechs Unterrichtsstunden empfohlen, für Regelklassen vier. Die Kinder und Jugendlichen bearbeiten verschiedene Themen auf unterschiedliche Art und Weise: Mal werden Comics gezeichnet, sich gegenseitig interviewt oder Plakate gestaltet. Dadurch entstünden "gemeinsame Kommunikationsräume", führte Karg in der BA-Sitzung aus, "und damit haben wir die besten Erfahrungen gemacht".

Die Mitglieder des Bezirksausschusses nahmen zufrieden zur Kenntnis, das aus ihrem Vorstoß nun ein didaktisches Integrations-Konzept entstanden ist. An seine Kollegen gerichtet, sagte Antrags-Initiator Ekkehard Pascoe (Grüne): "Ich freue mich, dass wir alle zusammen die Willkommenskultur nach ganz Bayern versetzt haben."

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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