Schwabing:Gemeinsame Adresse

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Mit der "Funkstation" im Neubaugebiet Domagkpark geht die Stadt neue Wege bei der Betreuung und Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Familien. Knapp fünf Millionen Euro hat das Projekt gekostet.

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Noch ist es sehr still in diesem Haus, in dem bald schon gehörig die Post abgehen soll. Aus dem Keller könnte dann lautes Kreischen zum Rhythmus der Bässe zu hören sein, während im ersten Stock Bohrmaschinen heulen und Hämmer auf Holz gedroschen werden. Der Grundsound dazu: munteres Geplapper, Gepolter, Gewusel auf den Treppen und Fluren. So könnte es zugehen, wenn die Einrichtung mit dem Namen "Funkstation" für Kinder, Jugendliche und Familien im Neubaugebiet Domagkpark im Herbst den vollen Betrieb aufnimmt. Es wird die erste ihrer Art in München sein. "Wir sind schon sehr gespannt, wie alles laufen wird. Es ist durchaus eine Herausforderung", sagt Katrin Pischetsrieder.

Sie schlendert mit zwei Kolleginnen durch die menschenleeren Flure und Zimmer. Das Trio unter Pischetsrieders Leitung ist das Kernteam vom Verein Feierwerk, dem Träger dieser "integrierten Quartierseinrichtung", wie das städtische Sozialreferat die Einrichtung bezeichnet - einem Novum in der Münchner sozialen Betreuungslandschaft, das bald mit Leben gefüllt wird. Knapp fünf Millionen Euro hat die Stadt in das Projekt gesteckt; im Sommer soll es mit einer Teileröffnung losgehen. Dann wird sich zeigen, ob das Alles-unter-einem-Dach-Konzept bei den Bürgern ankommt.

Mit Weitblick: Bis hoch zur Dachterrasse, auf der ein Fernrohr wartet, hält die "Funkstation" für ihren Besucher viele Angebote bereit. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die neue Einrichtung steht in einem Stadtquartier, das seit Jahren auf dem Gelände der ehemaligen Funkkaserne neu empor wächst. Auf 24 Hektar sollen hier einmal 4000 Menschen leben; etliche Familien haben ihre Wohnungen bereits bezogen. Das Projekt wird unter der Ägide eines vielgliedrigen Konsortiums aus Genossenschaften, freien Bauträgern und städtischen Wohnungsbaugesellschaften durchgezogen; die Organisationsform gilt jetzt schon als vorbildhaft für große Entwicklungsprojekte. Da liegt es nahe, dass die Stadt dort auch in der sozialen Infrastruktur eine Art Pilotprojekt startet.

Denn die "Funkstation" soll Kindern, Jugendlichen und deren Eltern eine Anlaufstelle sein: nicht einzelne Treffs für Mädchen und Buben, Teenager und junge Erwachsene, Mütter und Väter - sondern ein Zentrum für alle, unter einem Dach, auf 735 Quadratmetern.

"Wir sind schon sehr gespannt, ob es uns gelingt, die Menschen zu erreichen", sagt Katrin Pischetsrieder. Sie und ihre Kolleginnen lassen aber keinen Zweifel daran, dass sie viel vorhaben. Doch was die kleinen und die großen Besucher wirklich wollen, muss sich erst noch zeigen. "Aber wir sind jetzt schon angetan von den vielen Möglichkeiten", freut sich die "Funkstation"-Chefin.

Sie freuen sich auf den Start: Sybille Schlamp, Katrin Pischetsrieder und Amelie Gurster. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Beim Rundgang durch den hochmodernen Neubau wird klar, dass hier das Herz eines Profi-Betreuers höherschlagen muss: Im ersten Stock stehen nagelneue Werkbänke bereit, um - unter Aufsicht versteht sich - von Kindern verschrammt zu werden. "Wir wollen auch Bildhauer und Maler einladen, die bei uns Kurse abhalten", erklärt Pischetsrieder. Nebenan dürfen sich die etwas Kleineren austoben: Brettspiele, Rasseln, Hula-Hoop-Reifen liegen bereit. Ein Zimmer weiter kann sich die Meute vor einer Leinwand Filme ansehen. Im Erdgeschoss, gleich beim Eingang, wird ein Café eingerichtet, wobei Mama und Papa es sich an Tischen bequem machen können, während ihre Sprösslinge im Spielraum für Kleinkinder herumsausen. Wie Sybille Schlamp, zuständig für diesen Familienbereich, deutlich macht, kann dieser weite Vorraum durch eine bewegliche Wand zu einem Veranstaltungssaal für 350 Personen aufgeweitet werden. Hochzeiten, Theateraufführungen, Konzerte - "alles ist vorstellbar".

Im Familienbereich ist die Lautsprecher- und Scheinwerferanlage ebenso schon installiert wie im Keller; dort ist ein Partyraum für gut 90 Jugendliche vorgesehen. Für die Eltern soll es "Beratungen in allen Lebenslagen geben", wie Pischetsrieder sagt: Sprach- und Weiterbildungsangebote, Schwangerschaftsberatung und Sprachkurse zum Beispiel. Die Durchlässigkeit der Altersgruppen spiegelt sich in der Architektur: Das federführende Münchner Büro Kumpermond-Mateschke hat den hellen Bau geschaffen, mit einem nach oben offenen Atrium im Zentrum und einer großen Dachterrasse, die durch Glasfenster von den Gängen einsehbar ist.

Foto: Alessandra Schellnegger (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Sozialreferat zeigt sich überzeugt von dem Konzept. "Wir glauben an das Projekt", sagt Sprecherin Edith Petry. Für die Behörde ist es "eine frühzeitige und vorausschauende Planung zur Sicherung einer gesunden Quartiersentwicklung". Mit dem breiten Spektrum an Angeboten könne man den Bedürfnissen aller Beteiligten einer Familie gerecht werden: "Das ist bisher einzigartig in München." Und wenn es gut läuft, so sagt Petry, dann könne man, die Zustimmung des Stadtrates vorausgesetzt, solche Einrichtungen womöglich bald flächendeckend anbieten.

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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