Schwabing:Erinnerungen, die Angst machen

Lesezeit: 3 min

Sorgenvoller Blick: Oskar Costa, der Vorsitzende der Mietergemeinschaft. (Foto: Johannes Simon)

Als der Eigentümer der Wohnungen an der Schleißheimer Straße "Deutsche Annington" hieß, machten die Mieter schlechte Erfahrungen. Jetzt nennt sich das Unternehmen "Vonovia" und versetzt die Bewohner erneut in Schrecken

Von Ellen Draxel, Schwabing

Offiziell wissen die Mieter von nichts, aber: Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen Vonovia will die Wohnanlagen an der Schleißheimer Straße 252-285 und Giselherstraße 1-7 vergrößern. Laut Vorbescheidsanträgen sollen bei beiden fünfstöckigen Bestandsgebäuden die Dächer ausgebaut und Aufzüge zur Straße hin angebaut werden. Außerdem ist geplant, die oberirdischen Garagen abzureißen und durch einen Neubau mit vier Stockwerken plus Dachgeschoss zu ersetzen; mehr als 30 neue Wohnungen sollen so entstehen. Informiert hat das Unternehmen die Mieter über das Vorhaben bisher nicht, lediglich die Garagenplätze wurden gekündigt.

Oscar Costa, den Vorsitzenden der Mietergemeinschaft, erreichte Ende August eine überraschende E-Mail. Darin erklärt der damalige Regionalleiter Torsten Bergner, dass die Vonovia überlege, im Zuge des Neubaus und der Dachgeschoss-Ausbauten statt der Gastherme in der gesamten Anlage ein zentrales Heizungs- und Warmwassersystem zu installieren. Dies würde auch Eingriffe in die Wohnungen bedeuten. Es sei aber nicht beabsichtigt, überall neue Rohre zu verlegen, sondern Wärmetauscher einzubauen und an bestehende Leitungen anzudocken.

Was positiv klingt, bereitet Mietern und Lokalpolitikern Kopfzerbrechen. "Das kann ein Trick für Entmietung sein", befürchtet der Vorsitzende des Westschwabinger Bezirksausschusses (BA), Walter Klein (SPD). "Wir machen uns Sorgen, dass diese Änderung, so sie denn kommt, als Modernisierung gilt und sich dadurch die Mietkosten immens erhöhen", ergänzt Mietergemeinschafts-Sprecher Costa. Denn die Gastherme ist mehr als 20 Jahre alt. Mieter und Bürgervertreter befürchten zudem, dass man um das Einziehen neuer Leitungen nicht herumkommt. In der Wohnung habe er, sagt Costa, "nur einen sehr geringen Wasserdruck". Und jedes Mal, wenn das Wasser abgestellt wird, komme danach korrodierte Brühe aus dem Rohr.

80 Parteien leben in der Schwabinger Wohnanlage, darunter viele Witwen, Rentner, Alleinerziehende. Von den 74 Mitgliedern der Mietergemeinschaft sind 72 Prozent im Rentenalter, 34 Prozent älter als 70 Jahre und zwölf Personen sogar schon um die 90 Jahre alt. "Hier leben keine Leute, die hohe Modernisierungskosten ohne Schmerzen tragen könnten", weiß Costa.

Ganz grundlos sind die Sorgen der Mieter nicht. Die Vonovia hatte sich bis 2012, damals noch unter dem Namen "Deutsche Annington", jahrelang nicht besonders um die Anlage in Schwabing gekümmert. E-Mails, Telefonate und Briefe schickten die Bewohner an das Unternehmen, in denen sie undichte Fenster und Türen, schimmelige Wände, die immer wieder defekte Heizung und nicht funktionierende Müllcontainer beklagten - lange ohne Resonanz. Als die Firma dann 2012 begann, die Defizite zu beheben, legte sie laut Costa im großen Stil Kosten auf die Mieter um. "Wir hatten im Durchschnitt rund 30 Prozent Mieterhöhung", sagt er. Die Fenster beispielsweise waren extrem marode, sie ließen sich teils schon nicht mehr schließen: "Die Reparaturen hätten eigentlich komplett von unserer Vermieterin übernommen werden müssen. Trotzdem haben wir 80 Prozent davon selbst bezahlt." Die Mieter befürchten jetzt, dass die Vonovia die Instandhaltungsanteile wieder so knapp kalkuliert. "Modernisierung", kommentiert Costa, "ist ein gutes Geschäft - vor allem, wenn man die Kosten umlegen kann."

Bei der Vonovia will man die Vorwürfe so nicht stehen lassen. Die Mieter habe man bisher nicht informiert, sagt Pressesprecher Max Niklas Gille, weil bislang nichts in trockenen Tüchern sei: "Wir wollen sie nicht unnötig beunruhigen und deshalb erst an sie herantreten, wenn es Fakten gibt." Sobald konkrete Planungen vorlägen, würden die Bewohner in Kenntnis gesetzt - voraussichtlich noch dieses Jahr. "Das ist uns ganz wichtig", betont Gille. Zur Höhe einer möglichen Mieterhöhung könnten mangels Abschluss des Projektes derzeit noch keine Zahlen genannt werden, "das wäre unseriös". Das Verhältnis von Instandhaltungskosten, die der Vermieter tragen muss, und Modernisierungskosten, die er teilweise umlegen kann, sei auch bei einem eventuellen Einbau einer neuen Heizung sehr streng geregelt, "und natürlich halten wir uns an diese Regeln". Dass die Fensterreparaturen in den vergangenen Jahren für die Mieter zur finanziellen Belastung wurden, könne nur am hohen Modernisierungsanteil liegen. Die Bewohner, verspricht Gille, brauchten keine Angst zu haben, ihre Einwände nicht mehr rechtzeitig artikulieren zu können: "Es ist nicht so, dass wir nur auf das Okay der Stadt warten, und dann rollen die Bagger los. Das wird nicht passieren." Mit dem Beginn der Bauarbeiten rechnet die Vonovia im kommenden Frühjahr.

Costa aber bleibt skeptisch. Wie die Wohnimmobilien-Gesellschaft kalkuliere, zeige ein Angebot des Unternehmens an seine Schwabinger Mieter von 2015. Die Vonovia macht darin den Bewohnern den Vorschlag, die Bäder zu sanieren - gegen eine Mieterhöhung zwischen 540 und 900 Euro im Jahr, je nach Ausstattung der sanitären Einrichtungen. "Die Bäder", erklärt Oscar Costa, hätten aber so "uralte Klo- und Waschschüsseln", dass eine Sanierung eigentlich Pflicht der Eigentümerin sei: "Das auf uns Mieter umlegen zu wollen, ist aus meiner Sicht eine Frechheit."

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: