Schwabing:Eltern unter sich

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Kennenlernen: Im Kinderkunsthaus finden auch Eltern Platz für Gespräche. (Foto: Yves Krier)

Das Kinderkunsthaus an der Siegesstraße bietet nun auch Veranstaltungen für Erwachsene an. Es geht darum, Neugierde zu wecken und eine Basis für gemeinsame Diskussionen über gute Erziehung zu schaffen

Von Melanie Staudinger, Schwabing

Die Kinder kommen schon seit sechs Jahren in die Siegesstraße. Sie malen, sie zeichnen mit Kohle und Kreide, sie modellieren kleine Skulpturen, drehen Trickfilme oder beschäftigen sich mit Bildbearbeitungsprogrammen am Computer. Entgegen dem allgemeinen Trend muss niemand sich im Schwabinger Kinderkunsthaus vorher anmelden und auf einen freien Platz warten. Im offenen Programm kann sich jeder einbringen, wie er es gerne möchte. Vormittags finden sich Schulklassen ein, nachmittags einzelne Kinder mit ihrer Begleitung.

Es gibt nur eine einzige Bedingung: Die Kinder einfach an der Tür abgeben, das ist verboten. Vielmehr sollen Eltern, Omas und Opas, Tanten und Onkel oder auch Lehrer gemeinsam mit den Mädchen und Jungen eine schöne Zeit verbringen. Deshalb ist es nur konsequent, dass das Kinderkunsthaus nun auch Veranstaltungen ausschließlich für Erwachsene anbietet, sagt Geschäftsführer und Ideengeber Sebastian Zembol, im Hauptberuf Chef des von ihm gegründeten Verlages Mixtvision. Die Eltern seien im Konzept von Anfang an verankert gewesen.

Werkstattgespräche heißt die neue Reihe, die die Verantwortlichen im ersten Jahr unter das Motto "Fürs Leben lernen" gestellt haben. Erwachsene sollen angesprochen, ihre Neugierde soll geweckt werden. Zum ersten Vortrag von Bildungswissenschaftlerin Michaela Brohm-Badry kamen 90 Zuhörer, damit war der Vortrag ausverkauft. Interessenten habe es weit mehr gegeben, sagt Zembol. Das verwundert ihn wenig, schließlich habe Brohm-Badry mitten in der Zeit des Übertrittswahnsinns an Grundschulen und der anstehenden Abschlussprüfungen an Gymnasien über Leistung gesprochen. Ihre Leitfrage - "Wie können wir Menschen unterstützen, sich selbst zu motivieren, integer und glücklich zu sein?" - dürfte ein Thema sein, das viele Münchner Familien beschäftigt; vor allem in Schwabing, wo die Akademikerquote hoch und der Leistungsdruck an Schüler wohl ein wenig spürbarer ist als anderswo.

Es geht bei den Gesprächen ums Aufwachsen, um Werte und Beziehung. Am 10. Juli spricht der Kulturwissenschaftler Jan-Uwe Rogge, einer der erfolgreichsten Autoren von Erziehungsratgebern. Seine These: "Kinder brauchen Werte". Am 8. November dann geht es im Vortrag von Joachim Bauer darum, was Eltern und Lehrkräfte von der Hirnforschung lernen können. "Uns ist wichtig, dass die Themen unterhaltsam und gerne etwas provokativ dargestellt werden", sagt Zembol, der das Kinderkunsthaus zusammen mit seiner Frau, der Autorin und Schauspielerin Alexandra Helmig, leitet.

Die Referenten sollten ihren Zuhörern einen Spiegel vor Augen halten. "Fangt bei euch selbst an", so Zembol. Denn nur was Eltern ihren Kindern vorleben, könnten diese auch umsetzen; wer selbst ständig am Handy hängt, braucht sich nicht zu wundern, wenn der Sohn oder die Tochter das auch macht, sagt Sebastian Zembol. Wichtig ist also, in den Dialog zu treten - mit sich und den Kindern. Wichtig ist Zembol aber auch, dass er mit seinen Werkstattgesprächen eine Lücke im riesigen Münchner Veranstaltungsangebot schließt. Sachvorträge gebe es genug, aber wann hätten Eltern schon einmal die Möglichkeit, sich abseits von Elternabenden in Krippe, Kindergarten oder Schule auch mal zu unterhalten und darüber zu diskutieren, was gute Erziehung und ein glückliches Familienleben ausmacht.

"Die Veranstaltungen für Eltern haben wir seit den Anfängen des Kinderkunsthauses mitgedacht", sagt Zembol. Doch vorher fehlte einfach die Zeit. Die Werkstattgespräche sieht er als Fortbildungsangebot an Münchner Eltern. Welchen Erfolg er sich wünscht? "Ich hoffe, dass wir vermitteln können, dass eine gewisse Gelassenheit, eine gewisse Souveränität viel weiterhelfen können." Vor allem in einer reichen Stadt wie München, in der viele Eltern unter enormem Druck stehen, müssten Erwachsene sich immer mal wieder hinterfragen und sich weiterentwickeln.

© SZ vom 09.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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