Schwabing:Ein paar Zentimeter zu viel

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Margarete und Frank Becker-Nickels freuen sich zwar über den neuen Überweg an der Belgradstraße, doch optimal sei er nicht. (Foto: Robert Haas)

Für Rollstuhlfahrer sind zu hohe Bordsteinkanten fatal, weil sie die kleinen Vorderräder beschädigen

Von Ellen Draxel, Schwabing

Für Margarete und Frank Becker-Nickels ist es ein Genuss, Karlsruhe zu erkunden. Das liegt am Charme der badischen Stadt - aber auch an den idealen Straßenübergängen dort. Margarete Becker-Nickels sitzt im Rollstuhl, und in Karlsruhe sind die Absenkungen des Gehwegs vergleichsweise flach. Nun lebt das Ehepaar aber in München, und hier gelten andere Normen. Dass das städtische Baureferat auf Wunsch des Bezirksausschusses Schwabing-West jetzt eine Fußgängerquerung über die Belgradstraße auf Höhe der Bummstraße errichtet hat, freut das Paar und mit ihm zahlreiche Schwabinger. Bislang mussten Rollstuhlfahrer und Menschen, die auf den Rollator angewiesen sind - und an dieser Ecke, nahe dem "Forum am Luitpold" der Stiftung Pfennigparade und zahlreichen Senioreneinrichtungen, sind das viele - den Umweg über die Ampeln am südlichen Knoten Parzivalstraße suchen, um sicher über die vielbefahrene Belgradstraße zu gelangen.

Die konkrete Ausführung der Fußgängerfurt allerdings empfindet das Ehepaar als "Missstand". Zwar wurde der Bordstein zur Straße hin abgesenkt und abgerundet. Geblieben aber ist eine drei Zentimeter hohe Kante. Bewusst, wie Dagmar Rümenapf vom Baureferat erklärt: "Die Bordsteinkante bleibt vor dem Richtungsfeld für Blinde und Sehbehinderte bruchrau und kantig, um die Ertastbarkeit für Blinde zu optimieren." Der Münchner Standard für gesicherte Querungsstellen mit Ampel oder Zebrastreifen sei in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes, des Behindertenbeirates, des Facharbeitskreises Mobilität, des Städtischen Beraterkreises Barrierefreies Planen und Bauen sowie des Baureferats erarbeitet worden. Der Städtische Beraterkreis habe der Planung für die Furt an der Belgradstraße zugestimmt.

Das Ehepaar Becker-Nickels weiß um die taktilen Notwendigkeiten. Es argumentiert aber, es müsse doch möglich sein, zumindest ein kurzes Stück Bordstein auf einer für den Rollstuhl ausreichenden Länge auf null bis einen Zentimeter abzusenken. Dabei geht es den beiden weniger um die Bequemlichkeit. Relevant sind ihrer Ansicht nach die Erschütterungen für Rollstuhlfahrer und die Tatsache, dass "die kleinen Vorderräder der Rollstühle durch den Stoß an der Kante geschädigt werden - irreparabel". "Es ist, mit Verlaub, eine fahrlässig-gefährliche Basta-Mentalität der Verwaltung gegenüber den Rollstuhlfahrern beim Beharren auf diesen drei Zentimetern Bordabsenkung", ärgert sich Frank Becker-Nickels.

Oswald Utz, Behindertenbeauftragter der Stadt und selbst auf den Rollstuhl angewiesen, glaubt, prinzipiell bestehe durchaus die Möglichkeit, eine Art doppelten Übergang zu schaffen - einen Teil flach ausgebildet und einen weiteren mit einem kleinen Absatz für Blinde. "Ich fürchte nur, dass uns in München dafür der Platz fehlt." Utz will das Thema aber auf jeden Fall im neuen Jahr in den Facharbeitskreis Mobilität mitnehmen. "Früher sind Rollifahrer immer in Begleitung unterwegs gewesen, aber in den letzten Jahren bewegen sie sich zunehmend selbständig fort. Das ist toll. Aber es stellt uns auch vor neue Herausforderungen, ganz klar."

Möglich, dass das Karlsruher Modell den Münchnern dann als Vorbild dient. Dort werden neu herzustellende Fußgängerquerungen, wie Helga Riede vom Presse- und Informationsamt mitteilt, mit einer Bordsteinhöhe von zwei Zentimetern geplant - nur einen Zentimeter niedriger als in München.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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