Grundstückseigentümer und umbauwillige Besitzer von Immobilien werden nicht erfreut sein, dafür dürften Mieter die Nachricht mit Genugtuung aufnehmen: Das Landesamt für Denkmalpflege will das geschützte "Ensemble Altschwabing" um einige Straßenzüge erweitern. Das hat Bayerns Generalkonservator Mathias Pfeil auf Anfrage bestätigt. Nach seinen Angaben hat eine Arbeitsgruppe des Landesdenkmalrates - das in Ensemble-Fragen oberste bayerische Fachgremium - die Entscheidung bereits gebilligt. Man habe erkannt, "dass eine Ergänzung um einige Straßenzüge sinnvoll ist", teilt der Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege mit.
Die Mieter im Haus Wagnerstraße 1 sowie der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann werden dies ohne Zweifel als Erfolg feiern - denn auch dieser Straßenzug zählt nun zum "Ensemble Altschwabing". Die Bewohner hatten im Schulterschluss mit den Stadtviertelpolitikern genau dies gefordert. Das Haus, 1895 erbaut, will der neue Eigentümer, BMW-Finanzvorstand Friedrich Eichiner, abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Damit würde die Musikkneipe "Schwabinger Podium" verschwinden, die es dort seit 1972 gibt. Bürger und Bürgervertreter setzen sich vehement für einen Erhalt des Hauses ein. Allein, der Ensembleschutz schützt das Gebäude nicht kategorisch vor dem Abriss - doch er errichtet höhere Hürden für das Anrücken der Abrissbirne.
Die Schwabinger Politiker konnten zuletzt einen einflussreichen Fürsprecher gewinnen: Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), zugleich einfaches Mitglied des Bezirksausschusses. Pfeils Behörde hatte das Gebäude an der Wagnerstraße 1 bereits 2014 unter die Lupe genommen und ein negatives Urteil gesprochen: "Es erfüllt nicht die Voraussetzung (. . .) des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes und ist aus diesem Grund nicht in die Denkmalliste eingetragen", hieß es damals. Doch Spaenle wies die Behörde an, noch einmal zu prüfen.
Das Ergebnis ist nun die Ausweitung des Denkmalschutzcharakters für das historische Ortsbild des ehemaligen Dorfes Schwabing. Derzeit reicht der Schutzstatus zwei Kilometer von der südlichen Häuserzeile an der Maria-Josepha-Straße im Süden bis zur Dietlindenstraße im Norden; im Osten bildet der Englische Garten die Grenze, im Westen mäandert die Trennlinie vom Nikolaiplatz über die Werneckstraße zur Feilitzschstraße. Dort verengt sich die Schutzzone und weitet sich dann wieder ab der Gohrenstraße.
Das Segment zeigt im Bayerischen Denkmal-Atlas einige Dellen - und die sollen nun offenbar aufgefüllt werden. Den genauen Umgriff will Pfeils Behörde noch nicht bekanntgeben, doch die Konturen durchaus: Die Wagnerstraße soll ebenso vollständig wie die Ursula- und Haimhauserstraße sowie der Wedekindplatz integriert werden; östlich der Münchner Freiheit werden Teile von Feilitzsch-, Occam- und Marktstraße unter den Schutzschirm genommen. Im nördlichen Abschnitt wird das Ensemble um die Grünfläche gegenüber dem Gebäuderiegel an der Biedersteiner Straße 9 bis 29 erweitert. Eine Ergänzung der Straßenzüge sei sinnvoll, argumentiert Generalkonservator Pfeil, "weil sie ebenfalls Denkmaleigenschaft als Ensemblebestandteil (. . .) aufweisen".
Der Status als geschütztes Ensemble ist ein baurechtliches Instrument, mit dem die Denkmalbehörden von Stadt und Staat Wildwuchs in den alten historisch gewachsenen Bereichen verhindern können. Im Bayerischen Denkmalschutzgesetz wird ein Ensemble als eine "Mehrheit von baulichen Anlagen" definiert, wobei nicht jede einzelne Anlage ein Einzeldenkmal sein muss, wie eine Sprecherin des Landesamtes für Denkmalpflege betont. Es gehe darum, dass das "Orts-, Platz- und Straßenbild insgesamt erhaltenswürdig" sei. Es geht also ums Gesamterscheinungsbild - das Ensemble insgesamt ist das Denkmal.
In München sind nach Behördenangaben derzeit 76 Ensembles in die Denkmalliste eingetragen, darunter viele historische Dorfkerne wie auch Altschwabing. Der Abriss von Gebäuden kommt in diesen Gebieten immer wieder vor, prominentes Beispiel ist etwa das "Sport Schuster"-Gebäude an der Rosenstraße innerhalb des geschützten Altstadt-Ensembles.
Federführende Fachstelle in der Beurteilung ist die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt. "Liegt ein Antrag auf Abbruch vor, gilt es zu entscheiden, ob das Gebäude wichtig für das Ensemble ist", sagt Thorsten Vogel, Sprecher beim städtischen Planungsreferat. Die städtische Behörde bittet in jedem Fall dazu das staatliche Landesamt für Denkmalpflege und den Stadtheimatpfleger um eine Antwort. Lautet diese "Nein, das Haus kann weg", dann muss der Bauherr dennoch Sorge dafür tragen, dass sich der Neubau "architektonisch in das Ensemble einfügt", wie Vogel betont. Im Fall des Hauses Wagnerstraße 1 liegt seit dem Frühjahr dieses Jahres bisher nur eine so genannte Bauvoranfrage bei der Lokalbaukommission. Diese muss jeder Bauwillige einreichen, um sich - noch vor dem detaillierten Bauantrag - grundsätzliche planungsrechtliche Rahmenbedingungen gestatten zu lassen; die Genehmigung ist bisher nicht erteilt. Der Eigentümer wird wohl damit rechnen müssen, dass er mit seinen Neubauplänen erst einmal abblitzt.