Schwabing:Aus der Not geboren

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Die Schwabinger Kreuzkirche feiert in diesem Jahr ein Doppeljubiläum

Von Ellen Draxel, Schwabing

Der isoliert stehende Glockenturm der Schwabinger Kreuzkirche ist als christliches Zeichen weithin sichtbar. Die Kirche selbst aber, ein weiß verputzter Betonbau mit Ziegelwänden auf sechseckigem Grundriss, ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Architekt Theodor Steinhauser hat den Gottesdienstraum bewusst gegen die dichte Nachbarschaft abgeschottet. Zugleich holte er die Außenwelt mit gestalterischen Mitteln wie Lampen, die Straßenlaternen ähneln, ins Innere. Die Kirche, so sein Ziel, sollte sich harmonisch in die Umgebung einfügen.

50 Jahre ist das nun her. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde feiert heuer ein doppeltes Jubiläum, ein halbes Jahrhundert Kirchenbau und 85 Jahre Kreuzkirchengemeinde - mit einem Festkonzert am Samstag, 24. November, um 18 Uhr in der Kirche, Hiltenspergerstraße 55. "Die Verankerung im Stadtviertel ist uns besonders wichtig", sagt Pfarrer Jochen Wilde. Die Westschwabinger Bürgerversammlung etwa findet alljährlich in der Kreuzkirche oder dem dazugehörigen Gemeindesaal statt. Das freiheitlich-demokratische, gesellschaftliche Miteinander zu fördern war stets Credo der Gemeinde - und das durchaus mit politischem Impetus.

Das Statement begann schon bei der Gründung. Als die Gemeinde am 1. April 1933 aus der als zu groß empfundenen Gemeinde von St. Markus ausgegliedert wurde, waren auf Geheiß der Nationalsozialisten bereits Geschäfte, Kanzleien oder Praxen im Eigentum jüdischer Bürger boykottiert worden. Kurz darauf suspendierte das NS-Regime jüdische Beamte vom Dienst. Dass sich die neue Gemeinde München-Nordwest damals den Namen Kreuzkirche gab, betonte, wem sie sich in dieser Zeit verpflichtet fühlte. Die evangelische Kirche in Deutschland erlebte in jenen Tagen vielerorts eine Spaltung zwischen den regimetreuen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche, die auf ihre Unabhängigkeit vom Staat pochte.

Albert Lempp, Kirchenvorsteher der Gründungszeit und Mitverfasser einer mutigen Denkschrift gegen den Terror der NS-Herrschaft, war einer der Anhänger der Bekennenden Kirche. Nach ihm ist heute der Gemeindesaal benannt. Die ersten Gemeindemitglieder trafen sich allerdings noch in einer behelfsmäßigen Holzkirche, die zuvor im Krankenhaus rechts der Isar als Spitalkapelle gedient hatte. Sie wurde 1944 von Brandbomben getroffen. Die zweite Kreuzkirche kam aus der Schweiz, eine 1946 geweihte, ausgediente Militärbaracke. 1950 schließlich entstand auf den Grundmauern einer im Zweiten Weltkrieg ausgebrannten Schulturnhalle der jetzige Albert-Lempp-Saal als dritte, bis 1968 genutzte Notkirche.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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