Schwabing:Aus dem Automeer wächst eine Insel

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Der Artur-Kutscher-Platz im Herzen Schwabings wird 2019 von seinem städtebaulichen Verhau befreit. Durch reduzierten Straßenraum und gestrichene Parkplätze kann er um 270 Quadratmeter wachsen - und verwandelt sich in ein menschenfreundliches Gefüge

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Artur Kutscher war ein äußerst beliebter Hochschullehrer. Stets waren die Hörsäle an der Universität München überfüllt bei den Vorlesungen des Theater- und Literaturwissenschaftlers. Es lag wohl auch am Humor des Professors, dem man nie einen ordentlichen Lehrstuhl gegönnt hatte. "Ich war nicht vernünftig. Ich hatte Wichtigeres zu tun", erklärte er einmal. Ein Diktum, das - ganz und gar humorlos - auch zur lange gepflegten Einstellung der Stadtverwaltung zu jenem Platz in Schwabing passen würde, der Artur Kutschers Namen trägt.

Denn die Stadt gönnte ihm zwar diese Ehre nach seinem Tod im Jahr 1960. Doch der Platz verkam zum seltsam öden Gefüge nördlich der Münchner Freiheit. Eine gut 50 Meter breite Verkehrsinsel zwischen Occam-, Gohren-, Marschall- und Kunigundenstraße, auf der vier große Bäume stehen, ringsum zugeparkt mit Autos, Motorrädern, Rollern. Am Westende steht ein Brunnen aus Bronze und Muschelkalk zu Kutschers Ehren, mit wasserspeienden Masken. Die Aufschrift "Humor ist eine Weltanschauung" mag für Bürger und die Politiker im Bezirksausschuss seit gut 30 Jahren eine Hilfestellung gewesen sein, sich von all den ignorierten Anträgen für eine angemessene Korrektur des städtebaulichen Verhaus am Artur-Kutscher-Platz nicht entmutigen zu lassen.

Aus der Parkplatzödnis wird ein ansprechendes Gefüge: Die Simulation zeigt, wie der Platz zukünftig ausschauen soll. Visualisierung: Baureferat München (Foto: Baureferat München)

Kein Witz: Nächstes Jahr ist es soweit. "Nach den jahrzehntelangen Bestrebungen können wir den Artur-Kutscher-Platz jetzt neu gestalten", sagte Heinz Grünberger vom Baureferat am Dienstag in der Sitzung des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann. Die Bauarbeiten werden von Frühjahr bis zum Herbst 2020 dauern - in dieser Zeit soll sich das hässliche Entlein in einen neuen schönen Schwan unter den Schwabinger Plätzen verwandeln.

Das Projekt hatte 2017 plötzlich wegen einer Satzungsänderung einen Schub erhalten: Die Bezirksausschüsse dürfen nun bis zu einer Summe von einer Million Euro über derartige Vorhaben entscheiden (davor waren es 500 000 Euro) - und direkt den Auftrag ans Baureferat erteilen. Der Stadtrat wird damit nicht befasst. Eine stadtweite Premiere: Der Artur-Kutscher-Platz ist das erste BA-Projekt dieser Größenordnung. Allein, die Millionengrenze ist bei solchen Umbauten schnell gerissen, vor allem wenn ins Straßensystem eingegriffen werden muss. Doch eben dies ist in diesem Fall nicht nötig. Der präsentierte Plan orientiert sich nun weitgehend am ursprünglichen Grobkonzept.

Prinzipiell soll sich am Platzgefüge nichts ändern, es bedürfe nur einer "grundsätzlichen Überarbeitung", wie es im Beschlusspapier heißt. Es bleibt also bei der Insellage, doch die Insel dehnt sich nach allen Seiten aus: 20 Stellplätze fallen ersatzlos weg, dazu knapst die Behörde ein wenig von der Fahrbahn der Kunigundenstraße im Westen ab, fügt an den Ecken sogenannte Gehwegnasen an - so kann der Artur-Kutscher-Platz um 580 Quadratmeter auf insgesamt 850 Quadratmeter Fläche wachsen, 250 Quadratmeter davon sollen zu Grünflächen werden, situiert als Streifen im Nordosten und Südwesten des Platzes, bepflanzt mit ganzjährig blühenden Stauden, wie es heißt.

Derzeit ist der Artur-Kutscher-Platz von Autos umstellt. (Foto: Matthias Döring)

Dazwischen entsteht eine Aufenthaltsfläche mit jenem cremefarbenen Plattenbelag, der auch am nicht weit entfernten, runderneuerten Wedekindplatz verlegt ist. Ohnehin gilt der allseits als gelungen empfundene Wedekindplatz offenbar als Referenz - auch dort wurde die Platzanatomie neu geordnet und erweitert. Die begehbaren Flächen auf dem Artur-Kutscher-Platz entsprechen den häufig genutzten Querungsrouten zwischen der Einmündung zur Occamstraße und der Kreuzung Gohren-/Kunigundenstraße. Zudem erhält der Artur-Kutscher-Brunnen ein "neues großzügiges Umfeld" mit Sitzelementen und Stühlen, wie die Behörde im Beschlusspapier schreibt, wie überhaupt auf dem ganzen Platz Bänke und Stühle verteilt werden sollen. Als Sahnehäubchen bekommt das Ensemble in Gedenken an den verehrten Professor Kutscher eine erlesene Rahmung aus umlaufenden Granitbordstein.

Die Schwabinger und Freimanner Politiker zeigten sich recht angetan von den Plänen. "Das ist die Eins-zu-eins-Umsetzung von dem, was wir gewünscht und beschlossen haben", sagte Petra Piloty (SPD). Nur eine Ermahnung nahm der Baureferatsmitarbeiter von der Sitzung mit: Die Behörde solle für eine ähnlich "bienenfreundliche Bepflanzung" Sorge tragen, wie sie derzeit auf der von Autos umstellten Verkehrsinsel sprießt.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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