Schulen:Wenn Kinder in die Schule kommen, wird Betreuung zum Problem

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Für Erstklässler gibt es im Hort der Feldbergschule im kommenden Schuljahr keinen einzigen Platz. Die Eltern, die sich zur Kindergartenzeit an vernünftige Betreuung gewöhnt haben, sind ratlos. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Mehr als 60 Familien mit Kindern an der Feldbergschule in Trudering haben für ihre Erstklässler keinen Nachmittagsbetreuungsplatz.
  • Problem ist vor allem der Personalmangel, durch den Plätze nicht vergeben werden können.
  • Die Feldbergschule ist eine von vielen Schulen in München, an der Eltern mit ihrer Sorge und Wut an die Öffentlichkeit gehen.

Von Melanie Staudinger

Im Notfall müsste eben einer seinen Job kündigen, schreiben die Truderinger Eltern. Denn ein sechsjähriges Kind könne doch nicht bis in den Nachmittag hinein alleine zu Hause bleiben. Wenn sich aber nicht bald etwas tut, droht mehr als 60 Familien genau das. Sie haben ihre Kinder für die erste Klasse in der Feldbergschule angemeldet, Ganztagsklassen gibt es dort nicht. Die Plätze in der Mittagsbetreuung und der Einrichtung im nahegelegenen Jugendtreff reichen nicht aus.

Und auch der städtische Hort ist voll. Dort nämlich fehlen Erzieher. Deshalb können nur 210 Kinder betreut werden, obwohl die Einrichtung für 233 ausgelegt wäre. Für Erstklässler gibt es im September daher keinen einzigen Platz. In einem offenen Brief an die Stadtspitze fordern die Eltern nun eine schnelle Lösung.

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Es ist nicht das erste Mal, dass Mütter und Väter sich wegen fehlender Betreuungsplätze an die Öffentlichkeit wenden - oftmals aus Verzweiflung und mit Wut im Bauch. In der Krippe nämlich würden ja Betreuungsmöglichkeiten geschaffen, um Eltern einen frühen Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. "Der daraus folgende größere Bedarf an Kindergarten- und Hortplätzen oder Ganztagsgrundschulen wurde offenbar übersehen", klagen die Familien aus Trudering. In Freimann fordern die Eltern der Burmesterschule seit Jahren mehr Betreuungsplätze - bisher vergeblich. Und auch an der Plinganserstraße in Sendling formiert sich Widerstand: Dort stehen momentan bis zu 150 Kinder ohne Nachmittagsbetreuung da.

Diese drei Beispiele zeigen, mit welch großen Problemen sich Familien in Großstädten konfrontiert sehen. München ist teuer. Mit nur einem Gehalt lassen sich Miete, Kredite und andere Ausgaben kaum bestreiten. Wer Vollzeit arbeitet, kann aber nicht gleichzeitig auf die Kinder aufpassen. Großeltern, Tanten oder andere Verwandte wohnen oft weit entfernt und können nicht als Babysitter herhalten. Eltern sind Jonglieren gewohnt - in den Ferien oder am späten Nachmittag. Meist stecken die Mütter beruflich zurück. Wenn der Unterricht aber wie in der ersten Klasse üblich um kurz nach elf Uhr endet, hilft alles Improvisieren nicht mehr. Zumindest bis 14.30 Uhr, besser aber noch länger, sollten die Kinder schon betreut sein, fordern die Truderinger Eltern.

Obwohl die Stadt das Betreuungsangebot kontinuierlich ausbaut und freien Trägern sogar bezugsfertige Gebäude hinstellt, zittern Familien im Frühling jedes Jahr von Neuem, egal ob bei der Krippen-, Kindergarten- oder Hortanmeldung. Das Vergabesystem erscheint undurchsichtig, die Plätze sind begrenzt und das Warten auf eine Zusage zieht sich ins Unendliche. Die Träger hingegen kämpfen mit dem Fachkräftemangel: Qualifizierte Erziehungskräfte zu finden, ist Glückssache.

Da macht das Haus für Kinder an der Feldbergstraße mit Krippe, Kindergarten und Hort keine Ausnahme. Dort gibt es nach Angaben des Bildungsreferats 30 Stellen. Momentan fehlen eine Vollzeit-Erzieherin und eine Teilzeit-Kinderpflegerin. Zum Sommer werden zwei weitere Mitarbeiter die Einrichtung verlassen. Das Problem: Etwa ein Drittel des Personals arbeite nur in Teilzeit, erklärt ein Sprecher des Bildungsreferats. Dadurch sei es schwieriger, die gesamte Öffnungszeit abzudecken. Zudem werde der Personalmangel durch Krankheit, Schwangerschaft und Mitarbeiterwechsel verschärft.

Das Problem ist den Eltern durchaus bewusst, gelten lassen wollen sie diese Argumentation allerdings nicht. Ihrer Ansicht nach könnte das Bildungsreferat Personal aus anderen, besser ausgestatteten Einrichtungen an die Feldbergstraße versetzen. "Vor diesem Hintergrund ist es absolut inakzeptabel, dass vorhandene Hortplätze in unserer Einrichtung nicht vergeben werden können", kritisieren die Familien. Sie fühlen sich im Stich gelassen und sind vom bisherigen Handeln der Stadt enttäuscht. Schließlich habe die Mittagsbetreuung des Fördervereins vor zwei Jahren schon vergeblich versucht, mehr Plätze anzubieten. Dafür habe es keine Räume gegeben. Und auch die Erweiterung der Tagesstätte an der Evereststraße sei abgelehnt worden. Ganztagsklassen gibt es nicht.

Vom Bildungsreferat erwarten die Betroffenen eine Planungssicherheit. Unterstützung erhalten sie von der Stadtratsfraktion der Bayernpartei und von den örtlichen Stadtteilpolitikern, die sich mit dem Thema in ihrer Bezirksausschuss-Sitzung an diesem Donnerstag beschäftigen werden. Die vom Bildungsreferat favorisierte Lösung jedenfalls findet wenig Zustimmung. Das knapp vier Kilometer entfernte Regionalhaus in Neuperlach habe noch Plätze frei, die Kinder würden mit dem Bus von der Schule abgeholt und abends wieder zurückgebracht. Bisher aber gebe es dafür nur wenige Vormerkungen.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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