Riem:"Die anderen Stadtteile stehlen sich aus der Verantwortung"

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Eine spontane Aussprache in Riem zur Flüchtlingsproblematik offenbart, wie aufgebracht viele Bürger inzwischen sind

Von Hubert Grundner, Riem

Fehlende Informationen, falsche Informationen, aber echte Ängste. All das konnte heraushören, wer am Dienstagabend Teil zwei des Bürgerdialogs in Riem miterlebte, als es um die Unterbringung von Flüchtlingen im Stadtviertel ging. Diese "außerplanmäßige" Aussprache - ursprünglich sollte nur über den Ausbau des S-Bahnhofs Riem informiert werden - hatte Markus Blume als Veranstalter auf die nachdrückliche Bitte der Bürgerinitiative (BI) Alt-Riem hin ermöglicht. Und der Redebedarf war gewaltig.

"So weit unser Herz auch ist, so begrenzt sind doch unsere Mittel." Mit diesen Worten leitete Blume vom Verkehrs- zum Flüchtlingsthema über. Bayern könne nicht weiterhin ungebremst Asylsuchende aufnehmen. Wenn man also im Stadtviertel über eine neue Unterkunft für diese Menschen diskutiere, dann spreche man im Grunde über die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, so Blume. Der Widerstand von Ministerpräsident Horst Seehofer in der Sache ist für ihn jedenfalls gerechtfertigt.

Dieser Ansicht waren vermutlich die meisten Zuhörer. Noch einmal bestätigt dürften sie sich gefühlt haben, nachdem Otto Steinberger (CSU), der Vorsitzende des Bezirksausschusses Trudering-Riem, die Liste mit Standorten von Flüchtlingsunterkünften aufgezählt hatte: Fauststraße, Stolzhofstraße, Willy-Brandt-Allee, Joseph-Wild-Straße, Graf-Lehndorff-Straße, Riemer Straße und - jüngst bekannt geworden - Leibengerstraße. Der Münchner Osten leiste, so Steinbergers und Blumes Resümee, bei der Unterbringung mehr als das Soll. Auch hier ging das Publikum noch konform. Davon aber, dass etwa geeignete Standorte begrenzt sind, dass niemand weiß, wann und wo der nächste Krieg ausbricht oder dass die Regierung von Oberbayern die Unterbringung von Flüchtlingen auch anordnen kann - das interessierte kaum. Stattdessen urteilte Franz Schlegel von der BI, "die anderen Stadtteile stehlen sich aus der Verantwortung". Sein Mitstreiter Gustav Knepper sah generell eine unfähige Verwaltung am Werk, andere Standorte seien zu finden - "wo auch immer".

Schließlich kommt die Rede immer öfter auf die Flüchtlinge selbst: Ein Mann macht sie für den Anstieg von Hauseinbrüchen verantwortlich, was die Polizei verneint. Eine junge Frau erzählt, sie sei bereits bedroht worden und trage jetzt immer Pfefferspray bei sich. Eine zweite berichtet, sie werde ständig angesprochen und belästigt, eine Mutter sagt, sie traue sich kaum mehr, ihre Kinder auf die Straße zu lassen. Und die nächste Rednerin fordert unter Beifall, damit müsse Schluss sein, das gelte es zu verhindern. Am Tag danach sagt Markus Blume: "Ich war doch schockiert, wie sehr das Empfinden der Menschen in punkto Sicherheit gestört ist."

© SZ vom 28.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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