Reservierungen in Wiesnzelten:Reiter macht Platz

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Dieter Reiter will, dass 25 bis 50 Prozent aller Plätze in jedem Festzelt reservierungsfrei bleiben - abhängig von Tag und Uhrzeit. (Foto: dapd)

Ehrgeizige Pläne: Wirtschaftsreferent Reiter will die Zahl der Reservierungen in den Wiesnzelten stark einschränken, damit mehr Münchner spontan aufs Oktoberfest gehen können. Die Wirte befürchten jedoch, dass damit das Gegenteil erreicht wird.

Von Astrid Becker

Normalerweise verstehen sich Münchens Wirtschaftsreferent Dieter Reiter und Wiesnwirte-Sprecher Toni Roiderer prächtig. Doch in einem Punkt haben die beiden Herren immer wieder Meinungsverschiedenheiten - wenn es um die Frage geht, inwieweit es sinnvoll ist, die gängige Reservierungspraxis in den Bierzelten des Oktoberfestes zu ändern. Reiter will als OB-Kandidat der SPD schon angesichts der anstehenden Wahlen mehr reservierungsfreie Plätze durchsetzen, doch genau dieses bereitet Roiderer massives Bauchgrimmen.

"Eines ist klar", sagt Roiderer: "Als Beschicker werden wir die Vorgaben der Stadt umsetzen, aber Bedenken darf man ja wohl noch äußern." Reiter hat ehrgeizige Pläne, die aus Sicht der Wirte die Situation auf der Wiesn verschlechtern. Seine Idee lautet, von montags bis freitags insgesamt 25 Prozent aller Plätze reservierungsfrei zu halten, an den Wochenenden und Feiertagen bis 15 Uhr sogar 50 Prozent und danach noch 35 Prozent. Damit stünden den Münchnern pro Wiesn 100 000 freie Plätze mehr zur Verfügung.

Bisher musste montags bis freitags ein Drittel des Mittelschiffs reservierungsfrei bleiben. Am Wochenende durften im Mittelschiff gar keine Plätze reserviert werden. Diese Regelung hatte laut Wirtschaftsreferat aber dazu geführt, dass Wirte und Brauereien ihre Mittelschiffe verkleinerten und dafür mehr Plätze in Boxen und Galerien zur Reservierung anboten. Ein naheliegender Trick, den Reiter nun aushebeln will. Der Prozentsatz bemisst sich künftig nicht mehr allein am Mittelschiff, sondern an der Zahl aller Plätze, die in einem Zelt zur Verfügung stehen.

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Grundsätzlich haben die Wirte nichts gegen diesen Plan, wohl aber gegen die ihrer Meinung nach zu hohe Zahl der Plätze, die Reiter künftig frei halten will. "Dass wir deshalb in Konkurs gehen", glaubt Wirtesprecher Roiderer zwar nicht. Seine Kollegen und ihn plagen aber andere Bedenken: Denn ob das Mehr an reservierungsfreien Plätzen den Münchnern wirklich die Chance für einen spontanen Wiesnbesuch gibt, wie Reiter es darstellt, ist aus Sicht der Wirte fraglich.

Schon jetzt stehen vor allem junge Gäste in den frühen Morgenstunden vor den Zelteingängen Schlange, um einen der begehrten freien Tische zu ergattern. Lieferanten und Einsatzkräften kennen das Problem. "Da muss man ja schon jetzt Angst haben", sagt einer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Wiesnwirte-Sprecher warnt vor steigender Konfliktbereitschaft

Roiderer warnt vor massiven Sicherheitsproblemen, sollte sich Reiter durchsetzen. Er sagt, mithilfe der Reservierungen sei es gelungen, eine positive Stimmung in den Zelten zu schaffen. Konflikte würden vermieden, weil von Anfang an homogene Gruppen an den Tischen säßen, die gemeinsam auf die Wiesn gekommen seien, wie Familien, Stammtische, kleinere Gruppen oder auch Münchner Firmen. "Die kennen sich", sagt Roiderer. "Reißt man sie auseinander, weil sie keinen freien Tisch mehr finden, kommt es schnell zu Reibereien." Würden noch mehr Menschen von morgens bis 23 Uhr an ihren Tischen bleiben und dadurch auch mehr Alkohol konsumieren, "steigt auch die Konfliktbereitschaft".

Für Roiderer nicht das einzige Problem: "Gäste mit Reservierung kommen auch bei Regen, was die Besucherströme entzerrt hat", sagt der Sprecher der Wiesnwirte. "Ohne Reservierung jedoch strömen alle nur bei Sonnenschein auf die Wiesn, das könnte den Druck erheblich erhöhen und noch ein echtes Problem werden." Wenn schon etwas an dem System geändert werden solle, das sich bewährt habe, solle sich die Stadt auf 20 Prozent verständigen. Das sei für die Wirte verkraftbar - auch wenn sie viele Reservierungswünsche ablehnen müssten: 35 000 allein an den Werktagen auf alle Zelte gerechnet.

Die Entscheidung über die neue Regelung wurde vor der Sommerpause vertagt. Während die Grünen am liebsten die Hälfte aller Plätze reservierungsfrei halten würden, hatten sowohl CSU als auch FDP Reiters Vorschlag kritisiert. Auch Reiters Parteifreunde von der SPD äußerten Bedenken - hinter den Kulissen, denn niemand will den eigenen OB-Kandidaten öffentlich angreifen. Der hält nach wie vor an seinem Vorschlag fest. Nun soll der Stadtrat darüber im Dezember befinden. Reiter wird sich vermutlich durchsetzen.

© SZ vom 27.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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