Rechtsextreme unter Verdacht:Münchner Neonazis im Waffengeschäft?

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Schießübungen in Tschechien, eine ominöse Homepage und ein Video, das die Vorzüge einer automatischen Maschinen-Pistole demonstriert: Der Verdacht liegt nahe, dass Münchner Neonazis ins Waffengeschäft eingestiegen sind.

Heiner Effern und Bernd Kastner

Die Projektile sind zu einem kleinen Kunstwerk aufgebaut, sie glänzen golden auf dem dunkelgrünen Hintergrund der Internetseite. Ein Klick auf einen Link neben dem Arrangement führt zu einem Video, auf dem ein sehr engagierter Verkäufer auf Englisch die Vorzüge einer zusammenklappbaren Maschinenpistole erläutert. Interessierte können auch einen Amateurfilm wählen, auf dem mit Maschinengewehren auf Kürbisse und alte Autos gefeuert wird. So präsentierte sich die Firma DoBa-Tec, Sitz angeblich in Zürich, bis vor kurzem als Spezialist für "Waffentechnik und Waffenzubehör".

Die "Jagdstaffel D.S.T" deren Kürzel für "deutsch stolz treu" steht, gilt dem Verfassungsschutz als neonazistisch und gewaltbereit. (Foto: SZ-Archiv)

Als Geschäftsführer des angeblichen Waffenhändlers waren im Impressum geführt: Dominik B. und Stefan R. Zwei Kameraden, die dem Verfassungsschutz als führende Köpfe der rechtsextremen Jagdstaffel D.S.T. aus München und Geretsried bekannt sind. Dominik B. hatte dem Münchner Neonazi Martin Wiese vor Jahren eine Kalaschnikow geliefert und war dafür verurteilt worden. Er kam damals mit einer Bewährungsstrafe davon, weil er 2006 vor Gericht beteuerte, sich nur noch für die Natur und dort insbesondere für Waldameisen zu interessieren - nicht mehr für braune Kameraden. Sind die Münchner Rechtsextremisten ins Waffengeschäft eingestiegen?

Der bayerische Verfassungsschutz will sich zu dem Thema nicht äußern, ebenso wenig das Innenministerium und die Staatsanwaltschaft. Doch nach SZ-Informationen standen beide Rechtsextremisten und ihre Homepage unter Beobachtung. Fachleute glauben, dass DoBa-Tec trotz eines online veröffentlichten Fotos mit Betriebsgebäude und Firmenemblem und eines angeblich bestellbaren Waffenkatalogs nie wirklich existiert hat.

Auf der Waffenmesse in Nürnberg, für die auf der Homepage geworben wurde, ist die Firma unbekannt. Der Präsident der Schweizer Waffenhändlervereinigung, von DoBa-Tec ausdrücklich "unterstützt", hat nie von der Firma gehört. Und laut Schweizer Polizei gibt es unter der angegebenen Züricher Adresse keine DoBa-Tec. Die Web-Seite könnte dazu gedient haben, sich in der Waffenszene zu etablieren und beispielsweise als Fachbesucher auf Waffenmessen zugelassen zu werden. Sie war seit März vergangenen Jahres online. Beim Provider heißt es: Die Betreiber "sind bei uns auf dem Radar". Die Seite wurde in der Nacht zum Mittwoch vom Netz genommen, nach Angaben des Providers durch die Betreiber selbst. Zuvor waren bereits die Namen der beiden angeblichen Geschäftsführer Dominik B. und Stefan R. von der Seite verschwunden. B. ist als Domaininhaber mit einer Adresse in Grünwald registriert.

Nach den zehn Morden der rechtsextremen Zwickauer Zelle hat die Kombination von Waffenverherrlichung und rechtsradikalem Gedankengut an Brisanz gewonnen. Die braunen oberbayerischen Kameraden der Jagdstaffel haben nach SZ-Informationen auf tschechischen Schießständen mit scharfen Waffen trainiert. Nach Erkenntnissen des Bayerischen Rundfunks soll auch Dominik B. dabei gewesen sein, die Polizei soll Übungsscheiben in seinem Auto gefunden haben.

Dominik B. war schon früh scharf auf Waffen, für die er schon als Jugendlicher seine ganzen Ersparnisse ausgegeben haben soll. Seine erste Erwerbung, das kam beim Verfahren 2006 gegen ihn ans Licht, war übrigens eine tschechische Maschinenpistole "Skorpion". Diese fanden Polizisten damals mit 1110 Schuss bei ihm zu Hause, außerdem einen Magnum-Revolver, zahlreiche Softair- und Gotcha-Pistolen, ein Butterfly-Messer, Wurfsterne, ein Samuraischwert, Schlagringe und Macheten. Die Jagdstaffel äußerte sich nicht zu Fragen der SZ.

Die Gruppe, die mit einer eigenen Seite im Netz vertreten ist, bezeichnet sich selbst als "sehr selektive Bruderschaft": Wer Mitglied werden wolle, müsse zunächst eine Probezeit von mindestens einem Jahr absolvieren und dann von allen anderen Kameraden einstimmig aufgenommen werden. Voraussetzung: "Vollkommene Loyalität gegenüber der Bruderschaft." Der Verfassungsschutz geht von etwa zehn Mitgliedern aus. Ihr Erkennungsmerkmal: Eine einheitlich gestaltete Lederjacke mit einer gen Himmel gerichteten Flugabwehrkanone. Auf ihrer Internetseite präsentieren sich die Kameraden mit Bier in fröhlicher Runde, am Grab von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß, bei Kranzniederlegung - und gerne mit Museums-Waffen.

Karl Richter, für die rechtsextreme Liste "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BIA) im Stadtrat, räumt "lockeren Kontakt" zu Jagdstaffel-Mitgliedern ein. Diese würden sich immer wieder bei BIA-Demonstrationen beteiligen und Flugblätter verteilen. "Ich habe keinen Grund, mich von Leuten zu distanzieren, über die ich nichts Näheres weiß", so Richter. "Ich sehe da kein kriminelles Potential." Richter räumt ein, dass er sich über die Waffenaffinität der Jagdstaffel-Leute kundig machen könnte, dies habe er aber noch nicht getan: "Ich muss es nicht wissen. Es ist für mich noch kein Thema."

Die Selbstdarstellung der Jagdstaffel, keine politische Gruppe zu sein, statt dessen eine "Bruderschaft", der man unabhängig von politischen Ansichten beitreten könne, darf bezweifelt werden. Experten beobachten im Vergleich zu anderen Neonazis sogar auffälliges politisches Interesse, wozu auch die Unterstützung der BIA gehören dürfte. Geschäftlich sind die angeblichen Waffenhändler nicht zu erreichen: Eine Telefonnummer in Grünwald ist ebenso tot wie eine in Zürich. Unter der dort angegebenen Adresse ist die Organisation "Exit" zu finden - ein Verein für Sterbehilfe.

Mitarbeit: Julius Leichsenring

© SZ vom 12.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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