Rauschgift:Was der Polizei mehr Sorgen bereitet als Heroin

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Wegen der steigenden Zahl von Drogentoten gab es im Sommer bereits Mahnwachen am Sendlinger Tor. (Foto: Stephan Rumpf)
  • In diesem Jahr gab es bereits 51 Drogentote - das ist ein Höchstwert im Vergleich zu den Vorjahren.
  • Neue psychoaktive Substanzen, auch Badesalze genannt, verbreiten sich.
  • Laut dem Leiter des Münchner Drogenderzernats wird vor allem die Szene im Internet immer gefährlicher.

Von Susi Wimmer

Sie heißen "Kiss Nirvana" oder "Bombastique" und sie kommen "diskret und bequem per Nachnahme" nach Hause, verspricht der Online-Shop: die neuen psychoaktiven Substanzen, auch Badesalze genannt.

Ob man die Chemikalien spritzt, schnieft oder schluckt und sie dann noch mit Medikamenten oder Amphetaminen kombiniert - es entsteht ein unberechenbarer Drogencocktail, der über kurz oder lang zum Tod führt. 51 Drogentote zählt die Münchner Polizei in diesem Jahr, ein Höchstwert im Vergleich zu den Vorjahren. Ob die Zahl nur ein "Ausreißer" ist oder die Drogenprobleme in der Stadt zunehmen werden, mag noch niemand beurteilen.

Neue Stoffe haben Heroin abgelöst

Hubert Halemba leitet zurzeit das Rauschgift-Dezernat bei der Münchner Polizei, seit 1984 kennt er die Drogenszene. Er sieht die Wellenbewegungen bei der Zahl der Toten und die Stoffe, die auf den Markt kommen. Heroin, sagt er, sei bundesweit auf dem Rückzug.

Dafür gibt es andere Stoffe. Der 30-jährige Handwerker, der tot in der Wohnung seiner Freundin in Neuperlach lag, zählt als 51. Drogenopfer. Er hatte laut Obduktion Amphetamine, THC und Morphine zu sich genommen. Polytoxikomanie nennen das die Experten, wenn man verschiedene Substanzen gleichzeitig konsumiert.

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"Von den 51 Toten waren 30 Mehrfachkonsumenten", sagt Halemba. Das Durchschnittsalter liegt bei 39 Jahren, "wir haben also keine neue Szene mit jungen Konsumenten". Sondern Menschen, deren Körper nach jahrelangem Konsum langsam versagen. Der älteste Drogentote war 58, er hatte sich zu Hause das volle Programm an Suchtstoffen gegeben. Eine der jüngsten Toten war eine 24 Jahre alte Frau. Sie hatte einen Zwangsentzug im Gefängnis hinter sich, war gerade entlassen worden und konsumierte in ihrer Wohnung mehrere Drogen gleichzeitig.

Die Szene im Internet wird gefährlicher

Halemba war in Frankfurt, in Hamburg, in Bremen und im "Fixerstüble" in Zürich. Konsumräume in München, davon hält er nichts. "Ein Nutzer, der illegal erworbene Drogen mit sich führt und dort konsumiert - wie soll die Polizei damit umgehen?", fragt er. Außerdem sei in München die Szene der wohnsitzlosen Drogenkonsumenten überschaubar.

Kopfzerbrechen bereitet ihm eher die Szene im Internet. Dass Partydrogen im Nachtleben zu finden sind, Marihuana im Bahnhofsviertel blüht und Koks im einen oder anderen Wiesnzelt auftaucht, das ist der Polizei bekannt. Wenn aber der Paketbote unwissentlich als Dealer an der Haustüre klingelt, 25 Packerl Pflanzendünger dabei hat, kann die Polizei nicht eingreifen.

Nur über die Domain der Shops gelingt es manchmal an die Verkäufer heranzukommen. Aber bis Arzneimittelgesetze geändert werden, die die Chemikalien verbieten, haben die Erfinder längst ein neues Legal High kreiert. "Und da verdient jemand ganz schön viel Geld", sagt Hubert Halemba.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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