Ramersdorf:Verkehrskonzept fürs Erdbeerfeld

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Stadt und Eigentümer geben sich gegenseitig die Schuld dafür, dass es mit dem Bebauungsplan 1638 nicht klappt. Der Bezirksausschuss fürchtet, dass am Ende dort nur Wohnungen entstehen - ohne jede Infrastruktur

Von Renate Winkler-Schlang, Ramersdorf

Im Volksmund heißt es nur "das Erdbeerfeld": Für die landwirtschaftliche Fläche östlich der Ottobrunner Straße sollte 1988 der Bebauungsplan 1638 auf den Weg gebracht werden. Geklappt hat es bis heute nicht. Nun fürchtet der Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach, dass hier einfach nur ein Wohnblock nach dem anderen entsteht, ganz ohne die nötige Infrastruktur. Um das zu verhindern, fordern die Lokalpolitiker einen runden Tisch, an dem neben Vertretern der Eigentümer und der Stadt auch der Bezirksausschussvorsitzende Thomas Kauer (CSU) teilnimmt. Ziel sei, das bisherige Scheitern aufzuarbeiten und "Hinderungsgründe transparent zu machen", so Planungssprecher Wolfgang Thalmeir (CSU).

Voraussetzung für ein Bebauungsplanverfahren ist die Grundzustimmung der Eigentümer zur sozialgerechten Bodennutzung, kurz Sobon. Dabei schöpft die Stadt einen Teil der Planungsgewinne ab, um die nötigen Straßen, Kitas, oder Freiflächen herzustellen. Diese Verhandlungen stecken hier offenbar seit langem fest. Nach den bisher bekannten Auskünften der Stadt seien die verschiedenen Eigentümer völlig uneins über die Bebauung und vor allem nicht willens, die sich aus der Sobon ergebenden Folgen zu akzeptieren, so Thalmeir. Doch ein Eigentümer habe nun berichtet, es "bewege" sich nichts im Planungsreferat. Daher sei er selbst zum Handeln gezwungen.

Dieser Eigentümer will an der Ottobrunner Straße/Diakon-Kerolt-Weg eine Wohnanlage mit Großgarage bauen und hat hierfür bei der Lokalbaukommission einen Antrag auf Vorbescheid eingereicht. Die Zahl der Wohnungen ist nicht beziffert, Kauer schätzt, dass es sich um gut 100 handle. Ohne rechtskräftigen Bebauungsplan müsse die Stadt das Vorhaben nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches betrachten: Diesem zufolge darf man Baulücken bebauen mit Objekten, die sich in ihre Umgebung "einfügen". Nach diesem Muster hat die Stadt bereits die Wohnanlage der Baywobau an der Ottobrunner Straße genehmigt, die sich derzeit im Bau befindet.

Der Bezirksausschuss fürchtet, dass jedes neue Objekt wieder eine Baulücke schafft, für die man dann ebenfalls das Baurecht nicht verwehren könne: ein Dominoeffekt - und für das Gremium ein Horrorszenario. So könnten die Eigentümer nach und nach das ganze Feld zupuzzeln. Nur mit Wohnungen.

Kauer rechnet hoch, dass in dem Gebiet rund 850 Wohnungen entstehen könnten und vergleicht: Das seien nur rund 200 weniger als im Neubaugebiet an der Hochäckerstaße - dort aber sei die ganze Infrastruktur in einem Bebauungsplan festgezurrt und dennoch gebe es bereits Proteste und Nachbesserungswünsche.

An der Ottobrunner Straße geht es in puncto Infrastruktur nicht nur um Kitas und Nachbarschaftstreffs, Schulbedarf oder Ärztehaus. Der wichtigste Knackpunkt ist die Erschließung. Das Wohngebiet macht eine Verbindung zwischen der Hofanger- und der Ottobrunner Straße nötig. Doch mit dem nun beantragten neuen Bauvorhaben wäre die Front an der Ottobrunner Straße schon geschlossen, ohne Platz für eine neue Erschließungsstraße. Und nach Osten hin gibt es nur schmale Anliegerstraßen, deren Bewohner die Verkehrslawine fürchten. Deshalb hatte die Stadt schon im Oktober 2001 die Anlieger zu "Werkstattgesprächen" gebeten.

Das wichtigste Ergebnis dieser engagierten Diskussionen war, dass die Schmidbauerstraße, die südlichste Verbindung zwischen Hofanger- und Ottobrunner Straße, nicht, wie eigentlich bereits beschlossen, dicht gemacht wurde. Doch dieser Schwebezustand soll nicht bleiben, das Planungsreferat beabsichtigt laut Kauer, die Schmidbauerstraße, auf der täglich rund 6500 Autos fahren, zu beruhigen und ihren Knoten mit der Ottobrunner Straße zu verschmälern. Künftig soll sie für maximal 4500 Autos ausgelegt sein. Um so dringender wäre ein Verkehrskonzert fürs Erdbeerfeld.

Deshalb nun die Idee mit dem runden Tisch. Angesichts der Wohnungsnot sei Stillstand unsozial. Andererseits müsste die Infrastruktur geplant werden "vor der Realisierung des Wohnraums". Am runden Tisch solle auch der Investor aus Hannover beteiligt werden, der die Fläche der schon abgeräumten Kleingartenanlage nahe der Kirche Verklärung Christi bebauen wolle, fordert der Bezirksausschuss. Bis der runde Tisch Ergebnisse vorlegen könne, sollten Bauanträge Einzelner zurückgestellt werden. Komme man zu keinem Ergebnis, fordere der Bezirksausschuss "nochmals dringend" eine Veränderungssperre.

Man sei ja noch im Gespräch und suche nach einer einvernehmlichen Lösung, das sei eben leider kompliziert, sagt Planungsreferatssprecher Thorsten Vogel. Bisher habe die Stadt keine Veränderungssperre gebraucht: Sie habe noch nichts genehmigt, was dem Sinn des Bebauungsplans zuwiderlaufen oder einen Präzedenzfall schaffen würde: "Die Stadt ist auch nicht ganz blind", sagt Vogel.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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